Am AIT Austrian Institute of Technology wird an Lebensdauerprognosen von Bauwerken, der vorausschauenden Wartung von Brücken oder dem idealen Zeitpunkt für Straßenerhaltungsmaßnahmen geforscht. Der Bau & Immobilien Report hat einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Das AIT Austrian Institute of Technology ist das größte außeruniversitäre Forschungsinstitut in Österreich. Es versteht sich als Bindeglied zwischen der Grundlagenforschung und dem Einsatz neuer Technologien in der Industrie, mit dem Ziel den oftmals holprigen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu forcieren. Vom Engagement in den Emerging Technologies, dem ersten Proof of Concept und der angewandten Forschung bis hin zur Realisierung dieser aufkommenden Technologien im Rahmen spezifischer Anwendungen und Demonstratoren sowie der Entwicklung von Prototypen deckt das AIT das gesamte Spektrum ab. Die Projekte reichen von Medizin- über Energie- und IT- bis zu Mobilitätsthemen. Aber auch die Bauwirtschaft kommt am AIT nicht zu kurz.
Der Bau & Immobilien Report hat mit Peter Saleh, interimistischer Leiter der Competence Unit Transportation Infrastructure Technologies, und Alois Vorwagner, Leiter der Gruppe Baudynamik am Center for Mobility Systems, über aktuelle Forschungsprojekte gesprochen. Dabei zeigt sich, dass der Sensorik eine große Bedeutung zukommt. Ob beim Brückenmonitoring, der Straßenbeschaffung oder Bauwerksbewertung, ohne einer Vielzahl an Sensoren geht heute kaum etwas. Allerdings ist das Messen und Erheben von Daten nur ein erster, kleiner Schritt. »Wer misst, misst auch Mist«, sagt Vorwagner lachend. So könnte man etwa bei der Brückenzustandserfassung mittels Sensorik wichtige Parameter auslesen, für die Interpretation der Daten braucht es aber immer noch Ingenieurwissen. Im Rahmen eines aktuellen Projekts wird mithilfe eines Modells der Sicherheitsgewinn quantifiziert, den ein Brückenmonitoring bringen kann. »Dabei wird basierend auf Wahrscheinlichkeitsmodellen der Zuverlässigkeitsindex von Brücken mit und ohne Monitoring berechnet«, erklärt Vorwagner.
Bild oben: »Wer misst, misst auch Mist«, weiß Alois Vorwagner, wie wichtig die Interpretation gemessener Daten ist.
Wie so oft in der Bauwirtschaft stellt auch in diesem Fall die Tatsache, dass hauptsächlich Prototypen gebaut werden, eine große Herausforderung dar, weil gerade bei älteren Brücken viele Parameter und Referenzen schlicht nicht verfügbar sind. »Die beste Referenz um Monitoringparameter zu erheben wäre die Auswirkung von Schäden direkt am Bauwerk zu messen. Aber das ist natürlich auch keine Lösung«, so Vorwagner realistisch. Deshalb kommen am AIT sehr genaue, digitale Modelle zum Einsatz, die mit Materialproben ergänzt werden. Mit sogenannten Shakern und Fahrzeugüberfahrten wird auch das Schwingungsverhalten der Brücken gemessen, um die Modelle zu kalibrieren. Auch eigens entwickelte Lastmodelle fließen in die Bemessung ein. »Mit all diesen Informationen können wir am virtuellen Modell Schäden induzieren und ihre Auswirkungen simulieren.«
Langfristiges Ziel des Brückenmonitorings ist neben einer predictive maintenance vor allem eine zuverlässige Lebensdauerprognose. »Wir wollen mit unseren Modellen berechnen, wie lange eine Brücke bei einer durchschnittlichen Belastung halten wird. Natürlich fließen auch Akutereignisse, die die Lebensdauer verkürzen können, in die Simulation ein«, erklärt Vorwagner. Unweigerlich denkt man bei diesem Thema an die Katastrophe von Genua im August 2018. Ob der Einsturz des Polcevera-Viadukts zu verhindern gewesen wäre, will Vorwagner aus der Ferne nicht kommentieren. »Mit den richtigen Messinstrumenten und Methoden kann man das Risiko für derartige Katastrophen aber auf jeden Fall minieren«, ist der AIT-Experte überzeugt. Das Interesse an Themen wie Brückenmonitoring und predictive maintenance sei seit Genua aber auf jeden Fall gestiegen.
Sicherheit und Erhaltung von Straßen
Messungen und Vorhersagen stehen auch im Fokus der Arbeit von Peter Saleh. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Einfluss der Verkehrsinfrastruktur auf die Verkehrssicherheit. »Dabei geht es um die Trassierung der Strecke, um Kurvengestaltung und -radien, um Quer- und Längsneigung und natürlich um die Oberflächenbeschaffenheit«, erklärt Saleh. Ziel ist auch hier die Prognose von Unfallwahrscheinlichkeiten. Dafür wurden am AIT neue Analyse- und Simulationstools entwickelt, die in der Lage sind, Straßenzustandsdaten und Trassierungsparameter mit Unfalldaten zu kombinieren und eine zuverlässige Risikobewertung für bestehende und geplante Straßen zu erstellen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der sogenannte RoadSTAR. Dieser LKW ist ein mobiles Labor zur Straßenzustandserfassung.
Bild oben: »Unsere Erkenntnisse zum Erhaltungsmanagement stoßen vor allem bei Straßenerhalter auf großes Interesse. Bauunternehmen interessieren sich vor allem für Qualitätsmessungen und Abnahmeprüfungen«, sagt Peter Saleh.
Er erfasst für komplette Straßennetze präzise und objektive Daten zum Straßenoberflächenzustand, zur Trassierung sowie zur Straßenausrüstung ohne Störung des Verkehrsflusses. Dadurch wird ein lückenloses Monitoring ganzer Straßennetze möglich. »Das hochrangige Straßennetz der Asfinag wurde vom RoadSTAR schon sieben Mal komplett gescannt. Diese Fülle an Daten liefert eine wertvolle Basis für unsere Arbeit«, sagt Saleh. Die so generierten Mess- und Videodaten bilden die Grundlage für Verkehrssicherheitsanalysen von bisher beispielloser Genauigkeit und Qualität. Mit diesen Messdaten können Straßen virtuell und realistisch modelliert werden, sodass ganze Straßennetze mit ihren potenziellen Gefahrenstellen mithilfe von Algorithmen modelliert und komplexe Beziehungen zwischen Straße und Fahrzeug simuliert und untersucht werden können.
RoadSTAR liefert aber nicht nur Erkenntnisse für die Verkehrssicherheit, sondern auch eine fundierte Datenbasis für Entscheidungen über optimale Methoden und den besten Zeitpunkt für Erhaltungsmaßnahmen.
MoSeS und das AIT
Im Forschungsbereich Baudynamik und Bauwerksbewertung liegt ein Fokus des AIT auf der Nutzbarkeit der Infrastruktur unter verschiedenen dynamischen Belastungen. Zu den Kernkompetenzen zählen hier Bewertung und Minderung von Schwingungsproblemen und Erschütterungseinwirkung auf Mensch, Gebäude und Umwelt. Mit MoSeS, dem Mobile Seismic Simulator, steht den Forschern des AIT ein hochentwickelter Schwingungsgenerator für In-situ-Messungen zur Verfügung. Damit können noch in der Planungsphase Schwingungen wie von vorbeifahrenden Zügen oder Straßenbahnen simuliert und bauliche Maßnahmen für den Erschütterungsschutz abgeleitet werden.
Akustik und Lärmschutz
Verkehr verursacht Lärm. Gerade in städtischen Gebieten und entlang der Hauptverkehrswege gilt der Verkehr als wesentlicher Lärmverursacher. Die Akustikexpertinnen und -experten des AIT Austrian Institute of Technology verbinden hochgenaue Schallmessungen vor Ort mit umfangreichen Simulationen und Analysen, um die verkehrsbedingten Lärmemissionen numerisch abzubilden. Die Erkenntnisse aus Messungen, Simulationen und Modellierungen bilden die Basis für neue Technologien, wie z.B. lärmarme Fahrbahnbeläge. Darüber hinaus werden Hersteller in der Entwicklung und Optimierung von Infrastrukturkomponenten wie z.B. Lärmschutzwänden unterstützt.