Sonntag, Dezember 22, 2024
BIM als Vertriebsinstrument

BIM wird seinen Weg nicht nur als Methode des Planens, Bauens und Betreibens machen, sondern auch eine fixe Größe im Vertriebsprozess der Bauzulieferer werden. Dadurch ändern sich die Beziehungen der Projektbeteiligten untereinander und es eröffnen sich völlig neue Geschäftsmodelle. Der Bau & Immobilien Report hat sich Theorie und Praxis genauer angesehen.

Dass die Bauwirtschaft durch die Digitalisierung vor einem tiefgreifenden Wandel steht, ist unbestritten. Auch dass Building Information Modelling (BIM) als Methodik des Planens, Bauens und Betreibens dafür ein wesentlicher Treiber ist, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass BIM auch den Vertrieb der Bauzulieferer auf völlig neue Beine stellen kann. »Baustoffhersteller, die ihre Produkte BIM-konform zur Verfügung stellen, erreichen über BIM-Autorensysteme wie ArchiCAD und Revit Bauherrn und Planer auf der ganzen Welt, die bisher womöglich noch nicht mit deren Produkten gearbeitet haben«, erklärt Matthias Uhl, Gründer und Geschäftsführer von Die Werkbank. Bauherrn und Planer können beim digitalen Zeichnen in CAD-Programmen auf BIM-Objekte der Industrie zurückgreifen, die sie über Downloadportale herunterladen oder über Plugins in das Planungsprogramm integrieren. »Bauherren und Planer sind so schon früh in der Lage, auf Grundlage der eingestellten Informationen Entscheidungen über die Ausführung zu treffen und selbst geeignete Lieferanten zu wählen«, erklärt Riyadi Santoso, Geschäftsführer der IBS Technology GmbH. Für die Bauzulieferer ist es wichtig, ihre BIM-Objekte stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Hier lauern laut Uhl die größten Hürden. »Die Herausforderungen liegen in der internen Umsetzung der Datenaufbereitung in den Firmen. Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern sowie der Druck, schnell Umsätze zu generieren, sind Gift für den Aufbau einer wohlüberlegten und gut strukturierten Datenbasis, die man für vielfältige BIM-Aufgaben verwenden kann.« Unternehmen müssten in eine nachhaltige digitale Produktstruktur im Sinne eines Product Information Management-Systems (PIM) investieren. Mit diesem PIM-System können die Zulieferer die Arbeit der Stakeholder in Planung und Bau deutlich erleichtern.
Santoso ist überzeugt, dass die digitale Transformation der Branche unausweichlich ist und alle Marktteilnehmer zwingt, sich mit ihren Informationen, Produktdaten, Preisangaben und Rabattstaffeln an BIM-Plattformen zu beteiligen. »Ein Hersteller, der den Planungsgesellschaften kein eigenes BIM-Modul zur Verfügung stellt, mit dem sie seine Informationen in ihre BIM-Plattform integrieren können, dürfte mittelfristig ganz vom Radar der Planer verschwinden, zumindest bei Großprojekten mit 3D-Planungsgrundlage«, glaubt Santoso.

>> BIM und CRM <<
Wird BIM als Vertriebsinstrument genutzt, ändern sich auch die Beziehungen der Projektbeteiligten untereinander. Ein Zulieferer wird in Zukunft dank BIM in viel engerem Kontakt zu den Planungsteams stehen. Umgekehrt werden auch Architekten und Fachplaner durch BIM befähigt, selbst Entscheidungen über die Dienstleister- und Materialauswahl zu treffen. Der Großhandel verliert in der Kaufentscheidung dagegen an Bedeutung. Dies hat laut Santoso Konsequenzen für die Marktbearbeitung der Hersteller. Ein Bauzulieferer ist dazu gezwungen, in seinem Customer-Relationship-Management-System (CRM) künftig noch viel stärker die Interessen und Bedürfnisse der einzelnen Planer, Architekten und Handwerksbetriebe zu erfassen – und seine Vertriebsbemühungen stärker in diese Richtung auszudehnen.

>> Realitäts-Check <<
In Building Information Modelling schlummert zweifellos ein hohes Vertriebspotenzial. Wirklich genutzt wird es hierzulande aber noch nicht. Zum einen, weil das Angebot fehlt, aber auch die Nachfrage ist noch verhalten. »Wir laden keine BIM-Modelle von Bauprodukten aus dem Web und bauen sie in unsere Modelle ein«, erklärt Thomas Hayde vom BIM-Pionier HD Architekten. Die Gründe dafür seien die »zumeist unnötig hohe Detaillierungs-tiefe von Produkt-BIM-Modellen« und die daraus resultierenden »großen Datenmengen«. Für die Zukunft kann sich Hayde gut vorstellen, standardisierte Bauteildaten von Produkten abzurufen, um ihre Eignung zu überprüfen. »Möglich wäre es auch, dass mir alle entsprechenden Produkte am Markt inklusive dem aktuellen Preis vorgeschlagen werden«, so Hayde.
Auch beim Betonfertigteil-Spezialisten Oberndorfer wird BIM aktuell noch nicht als Vertriebsinstrument genutzt. »Wir arbeiten aber daran, weil wir das hohe Potenzial sehen«, erklärt Geschäftsführer Werner Pröll. Ziel ist es, als Erster im Subgewerk »Fertigteil« einen BIM-Objektkatalog zur Verfügung zu stellen. »Die Kunden können dann mit unseren Produkten das BIM-Modell entwickeln und wir erhalten den Auftrag mit genau den Informationen, die wir brauchen«, ergänzt Roland Weber, Leiter Kalkulation bei Oberndorfer. Bis die Daten vom Modell direkt in die Produktion gehen, wird es aber noch dauern. »Als Vorbild kann Holland dienen, wo Daten wirklich nur mehr in eine Richtung fließen. Bei uns herrscht immer noch baubegleitende Planung vor. Da fließen die Daten in alle Richtungen«, kritisiert Pröll mangelnde Effizienz.
Etwas leichter tun sich in der Regel international agierende Unternehmen wie etwa Knauf, die auch in Märkten aktiv sind, wo das Thema BIM generell schon weiter fortgeschritten ist. »Wir nutzen schon heute BIM als Vertriebsmöglichkeit«, erklärt Andreas Bauer, PR-Chef bei Knauf Österreich. Zur Verfügung gestellt werden aber keine Produkte, sondern ganze Systeme. Eine Hürde stellt für Bauer die Wahl des »richtigen BIM-Pferdes« dar. »Es gibt aktuell viele unterschiedliche BIM-Dienstleistungsanbieter, darunter sind auch viele Start-ups. Noch hat sich nicht wirklich herauskristallisiert, welche Baudatenbanken eine führende Rolle übernehmen werden.«

>> Fazit <<

Bis BIM auch hierzulande als effektives Vertriebsinstrument genutzt werden kann, wird vermutlich noch einiges Wasser die Donau hinab fließen. Technische Hürden wie fehlende Standards, einheitliche Attribute und Benennungen müssen genommen werden, dazu kommt auch ein entsprechender finanzieller und personeller Aufwand. Große Datenmengen müssen aufbereitet und laufend aktualisiert werden. Aber der Aufwand lohnt sich, ist Werkbank-Chef Matthias Uhl überzeugt. »Die Entwicklung einer nachhaltig digitalen Produktdatenstruktur ist natürlich aufwendig. Aber einmal erstellt und initial befüllt, ist sie Basis des gesamten digital abgewickelten Geschäfts auf allen Ebenen. Das ist ein echter Benefit.«n

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