Samstag, Dezember 21, 2024
Aufschwung mit Hindernissen
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Die heimische Dämmstoffindustrie hat den Turnaround geschafft. Für ein nachhaltiges Wachstum liegen aber noch zu viele Stolpersteine im Weg. Der Bau & Immobilien Report präsentiert mögliche Auswege aus der Misere und erklärt, warum weder Wirtschaft noch Umweltschützer mit den Ideen der Politik glücklich sind, was es mit dem »Sanier-Butler« auf sich hat und warum über eine Sanierungspflicht diskutiert werden sollte. Außerdem: die F&E-Aktivitäten der Unternehmen im Überblick.

In den letzten Jahren hatte die heimische Dämmstoffindustrie nicht viel zu lachen. Von 2012 bis 2016 sanken die Umsatzerlöse laut Branchenradar.com von stolzen 330,1 Millionen auf 268,4 Millionen Euro. Das entspricht einem Rückgang von 18,7 % in nur vier Jahren. Erst 2017 gab der Markt wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Auf Basis von 40 Herstellermeldungen berichtet Andreas Kreutzer von Branchenradar.com von einem stolzen Umsatzplus von 5,7 % auf 283,7 Millionen Euro. Und auch für 2018 erhöhen sich die Herstellererlöse um weitere 4,7 % auf 297 Millionen Euro. Die Hälfte des Anstiegs ist laut Kreutzer preisgetrieben. Diese Einschätzung deckt sich auch mit einer Markterhebung der GDI 2050 – Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050 aus dem November des Vorjahres. Demnach wurden 2017 insgesamt 6,155 Millionen Kubikmeter Dämmstoff in Österreich verkauft und verbaut. Das entspricht gegenüber 2016 einem Plus von gerade einmal 0,80 % oder 49.000 Kubikmetern. Mehr verdient haben die Unternehmen deshalb aber nicht.

Im Gegenteil: Durch die teilweise starken Preissteigerungen bei Rohstoffen wie Styrol sind die Margen noch stärker unter Druck geraten. »Die dadurch eigentlich für die ganze Branche dringend notwendigen Preissteigerungen konnten am Markt leider nicht durchgebracht werden«, sagt Synthesa-Geschäftsführer Gerhard Enzenberger. Gerade im Commodity-Bereich sei der Preisdruck enorm. Naturgemäß anders sehen das die Kunden. Sowohl die Porr als auch die Strabag zeigen sich zwar mit der Zusammenarbeit mit der Dämmstoffbranche durchaus zufrieden, Preissteigerung haben sie aber sehr wohl wahrgenommen. »Viele der Preissteigerungen sind objektiv nicht alleine durch Rohstoffpreise erklärbar.

Bild oben: Austrotherm-Geschäftsführer Gerald Prinzhorn fordert eine einfachere Abwicklung der Sanierungsförderung.

In ausgewählten Produktbereichen haben veränderte Produktions- und Konzentrationsprozesse zum Abschwächen der Konkurrenzsituation und folglich zu Preissteigerungen geführt«, sagt Ewald Unterweger, Leiter Einkauf bei der Porr. Da in der Regel ein hoher Anteil des Materials in den Subunternehmerleistungen enthalten ist, sind Preissteigerungen auch nicht immer klar zuzuordnen. Deshalb sieht man etwa bei der Strabag im Subunternehmereinkauf den wahren Preisanstieg. »Aufgrund des Baubooms ist die Nachfrage nach Subunternehmerleistungen exorbitant gestiegen. Diese wiederum können bei der Auswahl von Bauvorhaben selektiv vorgehen und diktieren den Preis. Nach erreichen ihrer Vollauslastung wird nicht einmal mehr angeboten«, heißt es bei der Strabag.

Verhaltene Erwartungen

Auch für das heurige Jahr zeigen sich viele Hersteller deutlich pessimistischer als Marktforscher Andreas Kreutzer. Der geht in seiner Prognose von einem Wachstum von 3 % auf 306 Millionen Euro aus. Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe und stellvertretender Sprecher des Vorstands der GDI, rechnet hingegen mit einer Seitwärtsbewegung des Markts. Auch bei Knauf Insulation, Rockwool, Sto oder Austrotherm spricht man eher von »stabilen Absätzen«, »anhaltend positiver Entwicklung« und »ähnlichen Ergebnissen wie 2018«. Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik sieht den Dämmstoffmarkt sogar »nach wie vor stark hinter der allgemeinen Entwicklung am Bau hinterherhinken«. Lediglich Isover-Vertriebsdirektor Franz Hartmann lehnt sich etwas aus dem Fenster und spricht explizit von einer Steigerung im nächsten Jahr.

Woran es krankt

Die Gründe für die vorsichtige Erwartungshaltung sind schnell gefunden und greifen auch teilweise ineinander. Neben dem allseits grassierenden Facharbeitermangel ist es vor allem die Sanierungsmüdigkeit, die größeres Wachstum verhindert. Statt die Sanierungsrate endlich in Richtung der von vielen Experten geforderten 3 % zu bringen, erreicht sie heute gerade einmal mitleiderregende 0,6 %. »Der Neubau vereinnahmt einen Großteil der Facharbeiterkapazitäten«, erklärt Hebbel. Damit trägt der Facharbeitermangel seinen Teil zur geringen Sanierungsquote bei. Auch Rockwool-Geschäftsführer Manfred Wagner glaubt, dass die Sanierungsquote erst dann erhöht werden kann, wenn genug qualifizierte Facharbeiter zur Verfügung stehen. 

Bild oben: »Die nötigen Preissteigerungen konnten nicht am Markt durchgebracht werden« sagt Synthesa-Geschäftsführer Gerhard Enzenberger.

Aber auch politische Maßnahmen verfehlen zunehmend ihr Ziel. Der einst hochgelobte Sanierungsscheck dümpelt nur noch vor sich hin. Trotz der drastischen Reduktion von ursprünglich 100 Millionen Euro auf nur noch 42 Millionen Euro waren eine Woche vor Ablauf der Förderaktion Ende Februar immer noch 2,5 Millionen Euro im Topf. Gründe dafür gibt es viele. Einigkeit herrscht etwa darüber, dass Komplexität und Aufwand reduziert werden müssen.

»Aktuell braucht es eine halbe Doktorarbeit, um herauszufinden, wie hoch die Förderung für ein Projekt ist«, kritisiert Enzenberger. Auch Austrotherm-Geschäftsführer Gerald Prinzhorn fordert eine einfachere Abwicklung der Sanierungsförderung und lässt mit einem interessanten Vorschlag aufhorchen: »Wie wäre es mit einem staatlich geförderten Sanier-Butler, der von der Planung über die Ausschreibung und die Ausführung alles koordiniert?« Als Vorbild könnte laut Prinzhorn die Energieberatung im Land Niederösterreich dienen. Auch Knauf Insulation-Geschäftsführer Udo Klaminger glaubt, dass die Sanierungsrate »erst mit einer Abkühlung der Konjunktur und steigenden Energiekosten im Zusammenwirken mit sinnvollen und einfach handhabbaren Förderprogrammen wieder steigen wird«. 

Politik vs. Wirtschaft

Trotz der nicht zu leugnenden Schwierigkeiten will man im Nachhaltigkeitsministerium von einem Auslaufmodell Sanierungsscheck nichts wissen. »An den Bemühungen zur Erhöhung der Sanierungsquote führt kein Weg vorbei. Der Sanierungsscheck war und ist dafür ein wichtiges Instrument«, heißt es seitens des Ministeriums. Aktuell sei man mit den Bundesländern in intensiven Gesprächen, um gemeinsam die Sanierungsquote zu erhöhen. Für eine Sanierungsoffensive sollen 2019 wieder Mittel in ähnlicher Höhe zur Verfügung gestellt werden wie 2018. Allerdings verspricht man seitens des Ministeriums, »den Sanierungsscheck in Zukunft verstärkt zu bewerben, um auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen«.

Damit geben sich aber weder Wirtschaftsvertreter noch Umweltschützer zufrieden. Sie fordern weitreichende Maßnahmen nicht nur des Nachhaltigkeits-, sondern auch des Finanzministeriums. Der immer wieder auftauchenden Forderung nach einer steuerlichen Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Südtiroler Modell hat Finanzminister Hartwig Löger allerdings schon im letzten Jahr gegenüber dem Bau & Immobilien Report eine klare Absage erteilt. Mit dem Finanzministerium hart ins Gericht geht GDI-Geschäftsführer Clemens Demacsek. Er fordert, sich ein Beispiel an Frankreich, Luxemburg oder Belgien zu nehmen und die Mehrwertsteuer für Investitionen in die thermische Sanieurng zu refundieren. »Aber obwohl eine Studie der Universität Linz die positiven Effekte belegt, stoßen wir im Finanzministerium auf taube Ohren«, kritisiert Demacsek (siehe auch Kommentar Seite 30). Georg Bursik fordert neben steuerlichen Anreizen für Investoren auch Eingriffe in das Mietrecht, damit »Investitionen über die Miete auch wieder zurück geholt werden können«.

Noch einen Schritt weiter geht Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher bei Global 2000. Laut Wahlmüller sollte man neben einer groß angelegten öko-sozialen Steuerreform auch über eine  Sanierungspflicht diskutieren. »So wie man das Auto in Schuss halten muss, könnte das in bestimmtem Umfang auch für Gebäude gelten«, sagt Wahlmüller. Es solle bei alten, unsanierten Gebäuden zumindest verpflichtend sein, die oberste Geschoßdecke zu dämmen. »Diese Maßnahme kostet nicht viel und spart bis zu 20 % der Energie ein.« Dazu fordert Wahlmüller eine kostenlose Energieberatung und attraktive Förderungen für weitergehende Sanierungen.

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