Der Zentralverband Industrieller Bauproduktehersteller erfindet sich neu. Die strikte interne Ausrichtung ist Vergangenheit. Mit aktivem Lobbying wird man in Zukunft die Interessen der Mitglieder nach außen vertreten. Ein erster großer Fokus liegt auf dem Thema Sanierung. Mit einer geplanten Enquete im Frühjahr sollen die nötigen Kontakte in die Politik geknüpft und Inhalte transportiert werden.
Mit dem Zentralverband Industrieller Bauproduktehersteller (ZIB) betritt ein neuer, alter Bekannter die Bühne der bauwirtschaftlichen Interessenvertretung. Gegründet Anfang der 90er-Jahre, hatte der Verband ursprünglich die Aufgabe der internen Kommunikation mit den Unternehmen. Der Verband informierte seine Mitglieder über neue rechtliche Rahmenbedingungen oder aktuelle Branchentrends und Entwicklungen. In den letzten Jahren ist es allerdings ruhig geworden um den ZIB. Das soll sich nun ändern. Obmann Otto Ordelt, Geschäftsführer der Knauf Tochter KMH, und Geschäftsführer Reinhold Lindner, Sachverständiger und Sprecher BAU!MASSIV!, wollen den Verband aus seinem Dornröschenschlaf holen und ihm einen völlig neuen Anstrich verpassen. In Zukunft will sich der ZIB stärker nach außen orientieren und in enger Abstimmung mit dem Fachverband Steine-Keramik und dem Forschungsverband der österreichischen Baustoffindustrie (FBI) aktive Lobbyingarbeit betreiben.
Schwerpunkte und Strategien
In einem ersten Schritt wurde mit Unterstützung des Instituts für Immobilien Bauen und Wohnen IIBW eine »Trendanalyse Bauprodukteindustrie« erarbeitet. »Dabei haben wir unter den zahlreichen für die Bauprodukteindustrie relevanten Themen für die Verbandsarbeit sinnvolle Schwerpunkte identifiziert. Herausgekommen sind ein Fokus auf den Wohnbau und die Themenblöcke Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Leistbarkeit und Landverbrauch«, erklärt Ordelt. Andere Themen wie BIM, Recourcenentwicklung Rohstoffe, Brandschutz, Zertifizierungen, Schallschutz, Big Data, serielles Bauen, EU-Normen, Sanierungsrate und vertikale Integration wurden vorerst als sekundär eingestuft. »Das kann sich aber gerade bei Themen wie BIM rasch ändern«, so Ordelt.
Fokus Sanierung
Aus der Summe dieser einzelnen Schwerpunkten haben ZIB und IIBW zudem einen starken Fokus auf die Sanierung abgeleitet. »Aktuell boomt der Neubau. Das wird sich aber wieder ändern. Jetzt müssen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden, damit die Sanierung den zu erwartenden Rückgang beim Neubau kompensieren kann«, ist Lindner überzeugt.
Mit einer aktuellen Sanierungsrate von deutlich unter einem Prozent ist man derzeit meilenweit von den politischen Vorgaben entfernt. Selbst ein ehemaliges Erfolgsmodell wie der Sanierscheck hat Anziehungskraft und Wirkung verloren. Mit Stand 3. Dezember waren gerade einmal 28 Millionen des ohnehin nur mehr mit 42,6 Millionen Euro gefüllten Fördertopfs abgeholt. Zwar begrüßt der ZIB die im Regierungsprogramm formulierte Steigerung der Sanierungsrate auf zwei Prozent, vermisst aber konkrete Maßnahmen. »Mit aktiver Lobbyingarbeit wollen wir die Sanierung ankurbeln«, erklärt Ordelt. Als erstes fordert der ZIB eine klare und einheitliche Definition sowie die Erhebung valider Daten.
»Wir brauchen ein verlässliches Bild des österreichischen Gebäudebestands. Und wir müssen wegkommen von Teilsanierung. Aus unserer Sicht kann Sanierung nur ganzheitliche Sanierung bedeuten. Denn schlussendlich geht es immer um den Erhalt der Gebäudesubstanz«, sagt Lindner. Dass der Sanierungsscheck dafür nicht mehr das geeignete Instrument ist, hat man auch beim ZIB eingesehen und sich bereits mit Alternativen beschäftigt. Dabei spielen taxative Modelle ebenso eine Rolle wie rechtliche Maßnahmen. »In Belgien gilt für Sanierungsarbeiten an Häusern, die älter als 15 Jahre sind, ein vergünstigter Mehrwertsteuersatz von 6 %. In Südtirol können Sanierungsmaßnahmen steuerlich geltend gemacht werden. Das sind internationale Modelle, die funktionieren«, weiß Lindner. Aber auch Eingriffe in das Mietrecht etwa durch eine freie Mietzinsfestsetzung nach Sanierungsarbeiten seien denkbar.
Geplante Enquete
Mit all diesen Themen im Gepäck plant der ZIB im Frühjahr einen ersten, durchaus lauten Gang in die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit dem Fachverband Steine-Keramik und dem Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen soll eine Enquete veranstaltet werden, um die Öffentlichkeit zu informieren und erste Kontakte zur Politik zu knüpfen. »Wir wollen uns mit unseren Themen positionieren und gemeinsam mit der Politik jene Stellschrauben definieren, die man drehen muss, um die Sanierungsquote zu steigern, leistbaren Wohnraum zu schaffen und die lokale Wertschöpfung zu erhöhen«, umreißt Ordelt das Ziel der Enquete.
Der Zeitpunkt der Enquete ist bewusst gewählt. Noch wird der politische Alltag in Österreich vom EU-Ratsvorsitz überstrahlt. Im nächsten Jahr aber wird die Regierung auch national liefern müssen und den Überschriften im Koalitionspapier konkrete Maßnahmen folgen lassen. »Da ist es wichtig, sich mit seinen Inhalten rechtzeitig als Ansprechpartner zu positionieren«, sagt Lindner.
ZIB: Zwei Schritte zur Erhöhung der Sanierungsquote
1. Daten und Definition: Es gibt derzeit kaum valide Daten. Deshalb fordert der eine verlässliche Erhebung des österreichischen Gebäudebestands und eine klare Definition des Sanierungsbegriffs. Ziel ist die Abkehr von Einzelsanierungsmaßnahmen und der Fokus auf ganzheitliche Sanierung zum Erhalt der Gebäudesubstanz
2. Konkrete Maßnahmen: Sowohl taxative als auch auch rechtliche Maßnahmen sind dazu geeignet, den schwächelnden Sanierscheck abzulösen und die Sanierungsquote zu erhöhen. Ein reduzierter Mehrwertsteuersatz ist ebenso denkbar wie die steuerliche Geltendmachung von Sanierungsarbeiten. Eine frei Mietzinsansetzung nach erfolgter Sanierung steigert die Attraktivität von Sanierungsmaßnahmen.
ZIB: Vorschläge und Forderungen zum Thema Wohnbau allgemein
Aus dem Strategieprozess des Zentralverbands Industrieller Bauproduktehersteller werden folgende wohnbau-bezogene Forderungen an die Politik abgeleitet:
◊ Regulierung mit Augenmaß: Regeln sind gut, gute Regeln sind besser. Neue Regulierungen sollten stets den gesamten Kontext im Auge behalten und nicht Teilaspekte übermäßig in den Vordergrund rücken.
◊ Forcierung Wohnbausanierung: Rechtliche Definition einer»umfassende Sanierung«; nach Bestandssektoren differenzierte Zieldefinitionen Sanierungsraten und Definition geeigneter Maßnahmen: Weiterentwicklung bestehender Förderungsinstrumente (Wohnbauförderung, Sanierungsscheck); Entwicklung neuer Förderungs-/Finanzierungsinstrumente (steuerliche Anreize)
◊ Konsequente Verfolgung des Null-Emissions-Ziels im Wohnbau: Im Saldo aller Bestandssegmente ist das Ziel innerhalb der kommenden 30 Jahre technisch machbar, sozial verträglich gestaltbar und politisch umsetzbar
◊ Lebenszyklusbetrachtung: Nachhaltigkeit erfordert die Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus der Gebäude: Der Gesetzgeber ist aufgefordert, entsprechende Systeme zu implementieren.
◊ Schutz von Naturräumen / Ortskernverdichtung: Besseres Ineinandergreifen von Ortsentwicklung, Raumordnung und Wohnbauförderung: Schärfung bestehender und Schaffung neuer Instrumente.