Die Hitzetage der letzten Wochen haben es gezeigt: Für angenehmes Wohnen und produktives Arbeiten braucht es eine perfekte Dämmung des Gebäudes, im Sommer wie im Winter. Jetzt gilt es, dieses Wissen in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Der Bau & Immobilien Report zeigt, was die Unternehmen zur Bewusstseinsbildung beitragen.
Gebäudehüllen sind immer öfter mit dem Problem der extremen Überhitzung konfrontiert. Mit einer guten thermischen Sanierung sind fünf bis zehn Grad niedrigere Raumtemperaturen erzielbar und das sogar wirtschaftlich. »Ein Grad Kühlung kostet in etwa dreimal so viel Energie wie ein Grad Heizung«, betont Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe.
Dämmung begleiten
In der breiten Bevölkerung angekommen ist das Thema Dämmen gegen Hitze noch nicht. Laut Oberösterreichischem Energiesparverband wurde in den letzten 30 Jahren immer vom Kälteschutz gesprochen. »Dämmen als Schutz gegen hohe Außentemperaturen ist noch nicht Allgemeinwissen«, betont Geschäftsführer Gerhard Dell. »Daher ist die rechtzeitige produktunabhängige Beratung der Landes-Energiesparverbände auch so wichtig«. Angesichts immer heißer werdender Sommer werde das Thema aber zunehmend ernst genommen, ergänzt Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen. Die Entwicklung sei auch schon bei Planern angekommen.
Eine gut gedämmte Außenwand fängt einen Teil der Sonneneinstrahlung ab, wodurch die träge Baumasse kühl bleibt. Das Dämmstoffmaterial ist dabei laut Amann nicht ausschlaggebend. Um die Kühle im Gebäude zu erhalten, ist auch Mitdenken der Bewohner gefordert. Oft bleiben Gang- und Wohnungsfenster tagsüber offen, die Dämmung wird damit ad absurdum geführt. »In den mediterranen Ländern sind die Fenster tagsüber zu. Bei uns war das in der Vergangenheit in diesem Ausmaß nicht notwendig. Daher hat es sich noch nicht vollständig in den Genen der Menschen festgesetzt«, so Wolfgang Amann.
Wunschdenken drei Prozent
Bild oben: Mit der Trittschallrolle (Bild) und der Kombi Perimeterdämmung/Drainage XPS TOP Drain bietet Austrotherm zwei neue Dämmprodukte.
Trotz des großen Einsatzes der Sanierungsförderung der Länder liegt die Rate umfassender thermischer Sanierungen heute noch weit unter einem Prozent, ursprüngliches Ziel waren mehr als drei Prozent, wobei auch die Berechnungsmethode dafür unklar ist. Mit 0,8 Prozent erreichte Oberösterreich 2017 laut Wohnbaucheck der Umweltorganisation Global 2000 im Bundesländervergleich die höchste Sanierungsrate.
»Es geht kaum etwas weiter«, bestätigt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Hauptschuld an der Misere sei die stetig steigende Sanierungsmüdigkeit. »Wir stellen fest, dass beim Neubau von Gebäuden die Betrachtung der Gesamtlebenskosten oft eine untergeordnete Rolle spielt. Das führt dazu, dass bei der thermischen Qualität Abstriche gemacht werden, obwohl die Mehrkosten bei der Errichtung marginal wären und über die Lebenszeit die Gesamtkosten sogar sinken«, zeigt Jürgen Schneider, Klimaexperte im Umweltbundesamt, auf. Der Trend am Dämmstoffmarkt ist gemäß Roland Hebbel aber aufgrund der geringen Sanierungsrate nach wie vor leicht rückgängig. Dazu trägt auch der Facharbeitermangel bei. Fachkräfte werden für den Neubau eingesetzt, in der Sanierung fehlen sie. Alternative Dämmvarianten zu EPS und Mineralwolle werden mit Interesse wahrgenommen, gewinnen aber nur schleppend an Markt. Wolfgang Amann freut sich, dass es ein wachsendes Angebot bei alternativen Produkten wie Hanf gibt.
Dämmstoff-Novum
Genau in diesem Bereich, auf den ökologisch anspruchsvollen Bereich Sektor nachwachsender Dämmstoffe, explizit auf Hanf, konzentriert sich Synthesa. Produktmanager Walter Stadlmayr: »Hier sehen wir in verschiedenen Anwendungsbereichen Wachstumspotenzial.« Neuentwicklungen am Dämmstoffsektor und eine Vielfalt im Materialangebot bzw. bei den Gestaltungsmöglichkeiten sind wichtig, um den Willen zum Dämmen von Fassaden zu stärken. Austrotherm überzeugt mit einer einfach ausrollbaren Trittschalldämmung, die für Zement- und Fließestriche geeignet ist. Die Platte XPS TOP Drain kombiniert Perimeterdämmung mit Drainage. Steinbacher Dämmstoffe bietet ein Warmdachsanierungssystem speziell für feuchtebelastete Flachdächer.
EPS
International ist auch ein Trend hin zu Dämmstoffen wie Steinwolle oder XPS erkennbar. Andreas Kreutzer von Branchenradar.com Marktanalyse: »In Österreich hält EPS v.a. durch die marktführende Position bei Fassaden und seinen unschlagbaren Preis mengenmäßig bei mehr als einem Drittel.« Das werde sich kurzfristig auch nicht ändern. Wie die Situation in 15 oder 20 Jahren sein wird, sei reine Spekulation. Nicht mineralöl-basierte Dämmstoffe werden in einigen Bundesländern gefördert, z.B. in Oberösterreich. »Es gibt immer mehr Menschen, v.a. Jungfamilien, die künftig Recycling-Schwierigkeiten befürchten und keine Erdölprodukte verwenden möchten«, betont Gerhard Dell, Geschäftsführer des Oberösterreichischen Energiesparverbandes. »Dieser Gruppe möchten wir mit Förderanreizen helfen.« Zusatzförderungen gibt es auch in Kärnten und Tirol. Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GPH, kritisiert, dass diese nicht auf objektiven Kriterien beruhen. Dell versteht zwar die Vorbehalte der Interessenvertreter, die eine Zusatzförderung ihres eigenen Materials möchten. Mit ökologischer Dämmung hätten die Kunden aber ohnehin höhere Kosten.
Dämmstoffe total/Dämmstoffarten:
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Dämmen ist das Thema im Bau, egal ob mit Ziegel, klassischen Dämmstoffen oder ökologisch nachwachsenden Materialien.Im Bereich WDVS gehen die Marktanforderungen laut Manfred Wagner, Geschäftsführer Rockwool, deutlich zu höherer Qualität bei Brandschutz und Nachhaltigkeit. Damit ergeben sich automatisch unterschiedliche Auswahlkriterien, denn, so Thomas Stangl, Obmann des Verbandes österreichischer Dämmunternehmungen: »Für jede Anwendung bzw. jede Anforderung gibt es die passenden Produkte.«
Pro Dämmung
Bild oben: Synthesa konzentriert sich auf den ökologisch anspruchsvollen Bereich Sektor nachwachsender Dämmstoffe, explizit auf Hanf.
Übereinstimmend betonen alle Dämmstoffprofis: Das Bewusstsein für Dämmung muss gestärkt werden. In der Allgemeinheit darf Dämmen nicht als lästige Pflicht, sondern als sinnvolle Maßnahme zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Klimaschutz gesehen werden. Wolfgang Amman stellt klar, dass im Neubau die baurechtlichen Regelungen ausreichend sind. Bei der umfassenden thermischen Sanierung brauche es allerdings einen Schub bei der öffentlichen Kommunikation. Die sei überfällig.
Der Bau & Immobilien Report hat dazu mit einigen Dämmstoffherstellern gesprochen. Tenor: Die Botschaft Dämmen wird v.a. über Fachmedien getragen. Manfred Wagner: »Aus Sicht von Rockwool ist es wichtig, das Bewusstsein für sicheres, umweltbewusstes und nachhaltiges Bauen – auch, bzw. vor allem bei gewerblichen Entscheidungsträgern – zu fördern.« Laut Synthesa ist es notwendig, neuartig bewertete Dämmstoffe als sympathisch und hochwertig darzustellen. STO-Logistikmanager Daniel Rumbold: »Über Anzeigen in Fachmedien erarbeiten wir uns PR. Diese ist vertrauenswürdiger und wird vom Fachmann auch stark wahrgenommen.« Hörfunkkampagnen hat zuletzt Baumit betrieben. Geschäftsführer Georg Bursik: »Aufklärung zum Thema Dämmen und gesundes Wohnen leistet unser Viva Forschungspark.« Neben Werbung und Kommunikation sind zusätzlich finanzielle Anreize erforderlich. Clemens Demacsek denkt dabei an steuerliche Abschreibbarkeit und eine deutlich höhere Dotation beim Sanierungsscheck. Sehr sinnvoll für Wolfgang Amman, denn der Scheck erreicht Bauherren, die mit der Wohnbauförderung nicht angesprochen werden. Der Fokus sollte dabei verstärkt auf niederschwellige Angebote gelegt werden. Mitte Juni wurde bekannt, dass die Regierung ihre Förderungen für thermische Sanierungsmaßnahmen in den nächsten beiden Jahren fortsetzt. Der Umfang der Mittel ist noch offen.
OIB 6: Im Juni 2018 wurde ein Entwurf für eine überarbeitete OIB 6 Richtlinie vorgelegt. Derzeit befindet sich diese im Anhörungsverfahren. Wie stark dabei das Thema Dämmung definitiv als Maßnahme gegen Überhitzung zur Sprache kommt, bleibt abzuwarten. Im Entwurf gibt es vorerst ein eigenes Kapitel zum Thema »sommerliche Überwärmung«.