Sonntag, Dezember 22, 2024
Patentamts-Präsident Friedrich Rödler über die Wirtschaftskrise, ihren Effekt auf die Forschungslandschaft und das Selbstverständnis seines „Amts“.
Alles redet von der dramatischsten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Was heißt das für den Forschungsstandort Österreich?
Friedrich Rödler: Dass diese Krise eine schwierige Zeit für viele österreichische Unternehmen bedeutet, steht außer Frage. Klar ist, dass in Zeiten wie diesen wohl jeder Euro mehrmals umgedreht wird. Das wird auch für F&E-Mittel gelten. Allerdings: In den Zahlen zu Erfindungsanmeldungen haben wir 2008 glücklicherweise noch keinen Rückgang erleben müssen. Das lässt schon einen Schluss zu: Es gibt sehr viele Unternehmen in Österreich, die gerade in Zeiten der größten Verunsicherung die richtige Entscheidung treffen. Sie investieren gerade wegen der Krise unvermindert in neue Erfindungen.

Wozu soll denn das gut sein, wenn es kein Vertrauen in die Märkte gibt, die Menschen lieber weniger konsumieren und die Finanzwelt vor dem größten Umbruch seit dem Zweiten Weltkrieg steht?
Rödler: Eine Krise hat immer auch etwas mit Psychologie zu tun. Was da in den vergangenen Monaten teilweise an den Märkten passiert ist, hat jedenfalls sicher nicht nur rationale Gründe. Was liegt also näher, als dass wir die Krise auch mit psychologischen Mitteln bekämpfen. Den Kopf in den Sand zu stecken, wird sicher nicht zum Ziel führen. Wir brauchen gerade jetzt dringender denn je mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung. Eine Gesellschaft schöpft nur dann wieder Vertrauen in die eigene Leistungs- und Erneuerungskraft, wenn es klare Signale dafür gibt, dass sie sich weiterentwickelt. Und was könnte ein besserer Indikator sein als immer bessere und klügere Innovationen. Kurz gesagt: Erfindungen geben neue Hoffnung.

Sind Sie vor diesem Hintergrund mit den Leistungen der Österreichischen Bundesregierung zufrieden?
Rödler: In den ersten Wochen nach Amtsantritt der Regierung gab es heftige Diskussionen darüber, ob nicht angesichts eines drohenden Budgetengpasses nicht auch die Forschungsmittel drastisch gekürzt werden. Diese Debatte ist zumindest etwas entschärft worden. Aber natürlich kann es gerade bei der Forschung und Entwicklung, dem Zukunftssektor schlechthin, nie genug sein. Da noch mehr zu investieren, ist für mich ein Gebot der Stunde.

Welche zusätzlichen Schritte würden Sie sich als Präsident des Patentamtes wünschen?
Rödler: Ich glaube, dass es grundsätzlich eine stärkere Diskussion braucht, was Geistiges Eigentum eigentlich wert ist. Dafür gibt es in der Öffentlichkeit, aber auch in wesentlichen Branchen wie etwa dem Bankensektor noch immer nicht genügend Verständnis. Da sind auch wir als Patentamt gefordert, unseren Anteil an Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich kann mir aber etwa auch vorstellen, dass ein Teil des großen Banken-Hilfspaketes, das die Regierung geschnürt hat, zwingend für Forschungskredite der Banken zweckgewidmet wird. Das heißt nichts anderes als dass man die Banken freundlich aber bestimmt dazu auffordert, wieder vermehrt Kredite zu vergeben – und da gerade für zukunftsträchtige Innovationen. Viele frischgebackenen Patentinhaber stehen ja vor dem Dilemma, zwar ein Patent aber zuwenig Geld für seine wirtschaftliche Umsetzung zu haben. Da müssen wir ansetzen.

Was macht das Patentamt zur Unterstützung der Wirtschaft in diesem Bereich?

Rödler: Die grundsätzliche Aufklärungsarbeit habe ich bereits erwähnt. Aber das allein ist zuwenig. In einem Wort gesagt: Wir brauchen noch mehr Serviceorientierung gegenüber unseren Kunden, vor allem gegenüber den heimischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs). Ich glaube, da haben wir schon jetzt einiges vorzuweisen. 2008 haben wir etwa die Initiative „discover.ip“ gestartet, die den KMUs helfen soll, das eigene Potenzial besser einzuschätzen. Große Firmen können sich umfassende Analysen natürlich leisten, aber bei KMUs schaut das oft anders aus. Wie funktioniert das? Unsere Spezialisten kommen mit jenen des aws (austria wirtschaftsservice) in ein Unternehmen und analysieren Strukturen und das Potenzial an Innovationskraft und Marktchancen ganz genau. Und das beste: Die angesprochene Analyse ist nicht nur umfassend, sondern auch noch gratis.

Wozu braucht die Wirtschaft Ihr „Amt“ noch?

Rödler: Die Bezeichnung „Amt“ ist ein wenig irreführend. Das sind wir zwar auch, denn natürlich sind wir es, die Schutzrechte erteilen und Unternehmen Rechtssicherheit garantieren. Aber: Wir sind mittlerweile auf allen Ebenen DAS Zentrum für Geistiges Eigentum im Land. Das inkludiert auch, dass wir für die Wirtschaft Essentielles leisten und nicht nur verwalten. Wir helfen mit unseren Vorab-Recherchen, dass Unternehmen Doppelerfindungen vermeiden können. Gerade in Zeiten der Krise ist das von immenser Bedeutung. Denn wenn die Mittel knapper werden, ist effizienter Ressourceneinsatz umso dringlicher. Heute gehen europaweit jährlich 60 Milliarden Euro für Doppelerfindungen drauf, die dann natürlich nicht patentiert werden können. Da steuern wir als Serviceinstitution gegen – und unser Service wird von der österreichischen Wirtschaft auch gut angenommen.

Das Patentamt hat sich dem Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) verschrieben. Sie haben zuletzt auch gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern ein Leitbild fürs Patentamt entworfen. Das klingt modern, aber hat es auch praktische Auswirkungen?

Rödler: Ja, wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst und sind auch stolz darauf. Einerseits patentieren wir nichts, was gegen die „guten Sitten“ und den „ordre public“ verstößt. Und wir handeln oft schon, bevor etwas passiert, etwa im Bereich der Biotechnologie. Hier lassen wir unsere Tätigkeit laufend vom Biopatent-Monitoring-Komitee evaluieren, in dem unter anderen sehr kritische NGOs genau auf die Einhaltung verschiedener Richtlinien schauen. Und auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unglaublich wichtig. Wenn ein Unternehmensleitbild gemeinsam erarbeitet – und noch dazu einstimmig von allen abgesegnet wird – dann ist das mehr als ein Lippenbekenntnis. Ich bin schon stolz auf diese Einigkeit. Und vor allem darauf, dass die Leistungs- und Serviceorientierung für unsere Kunden von allen als vorrangig gesehen werden.

 

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