Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Mapei-Geschäftführer Andreas Wolf, dass der aktuelle Bauboom nicht nur positiv ist, warum er sich aus dem mit großen Hoffnungen gestarteten Flachdachbereich zurückgezogen hat und in welchen Produkten er das größte Zukunftspotenzial sieht. Zudem gewährt er einen kurzen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte und die Deutschlandstrategie des Unternehmens.
Report: Die Bauwirtschaft boomt. Aber nicht alle scheinen zu gleichen Teilen davon zu profitieren. Wie stark profitiert Mapei von der aktuellen Entwicklung?
Andreas Wolf: Ich habe ehrlich gesagt schon bessere Jahre erlebt. Wir wachsen auch 2018, aber nicht in dem Ausmaß, wie ich das erhofft und erwartet habe. Jeder Boom hat Vor- und Nachteile. Wie viele andere Unternehmen auch haben wir große Personalsorgen. Die Fluktuation ist hoch, es kommt verstärkt zu Abwerbungen und auch der Wechselwille der Mitarbeiter ist größer. Das führt natürlich zu Engpässen. Wir suchen etwa aktuell in Tirol Außendienstmitarbeiter für Bodenleger und Raumausstatter. Aber da hat man keine Chance, jemanden zu bekommen. Ich nehme mittlerweile für diesen Bereich auch Tischler oder Holzverarbeiter auf. Das hätte ich früher nie gemacht.
Große Probleme gibt es auch bei der Logistik. Es wird immer schwieriger, zuverlässige Transportfirmen zu finden, um die Ware zum Kunden zu bringen. Auch dort gibt es das Personalthema, es fehlen oft schlicht und einfach die Fahrer.
Report: Wie wollen Sie dem Personalmangel entgegenwirken? Was kann Mapei bieten?
Wolf: Wir bieten einen sicheren Arbeitsplatz zu guten Konditionen. Wir bieten zahlreiche Zusatzleistungen, das reicht von Gratisgetränken über frisches Obst bis zum eigenen Betriebsarzt. Auch Massagen gibt es für unsere Mitarbeiter. Was wir leider nicht anbieten können, sind Leistungen wie ein eigener Betriebskindergarten. Dafür sind wir einfach zu klein. Der Boom hat aber auch noch andere negative Auswirkungen.
Report: Und zwar?
Wolf: Durch die steigende Quantität und das möglichst rasche Abarbeiten von Aufträgen steigt auch die Fehlerquote. Das berichten uns auch zahlreiche Lieferanten.
Report: Gelingt es in diesen Boomzeiten, auch die Preise zu erhöhen?
Wolf: Wir haben heuer die Preise erhöht. Das Ziel waren 5 %. Es ist nicht überall gelungen, aber wir bleiben dran. Viele unserer Kunden haben aber ebenso wie wir mit steigenden Personalkosten zu kämpfen und versuchen, diese Mehrkosten bei den Lieferanten unterzubringen. Dazu kommen teilweise drastische Steigerungen bei den Rohstoffen. Dazu kommt, dass wir in unserer Branche, anders als etwa in der Dämmstoffindustrie, Jahrespreise haben. Wenn ich Anfang des Jahres einen Preis festsetze, dann gilt er. Diese Preisstabilität erwartet der Kunde. Aber diese Probleme haben alle.
Report: Vor knapp zwei Jahren sind Sie in den Flachmarktbereich eingestiegen und haben auch große Hoffnungen damit verknüpft ...
Wolf: Das ist richtig, hat sich aber leider nicht realisieren lassen. Der Markt ist zwar vom Umsatzvolumen her sehr groß, die Margen sind aber so gering, dass wir aus diesem Bereich wieder rausgegangen sind. Das war nur Umsatz, aber kein Geschäft.
Report: Wie reagiert die italienische Zentrale auf solche Entscheidungen?
Wolf: Bei Mapei entscheidet der Geschäftsführer die Verkaufsstrategie. Nachdem Mapei die entsprechenden Produkte herstellt und vertreibt, wäre es natürlich der Wunsch gewesen, in dem Bereich aktiv zu sein. Es wird aber auch eingesehen, dass nicht alle Produkte in allen Ländern funktionieren.
Report: Was tut sich bei Mapei in Sachen Digitalisierung?
Wolf: Wir bereiten uns natürlich auf BIM vor. Aber auch in den Werken selbst ist die Digitalisierung weit fortgeschritten. In unserer neuen Werkshalle in Nussdorf läuft vieles automatisiert und mithilfe von Robotern ab. Unser Produktionsleiter kommt aus der Automobilindustrie und kann hier sehr viel Input liefern. Das Ziel von Digitalisierung und Automatisierung ist aber nicht, und das ist mir sehr wichtig, Mitarbeiter abzubauen, sondern effizienter zu werden und so mehr Umsatz zu machen.
Report: Mapei investiert sehr viel in Forschung und Entwicklung. Rund 70 Prozent aller Investitionen fließen in diesen Bereich. Womit darf man in naher und ferner Zukunft rechnen?
Wolf: Mapei investiert mindestens fünf Prozent des Jahresumsatzes in F&E. In Österreich wird am Standort Langenwang viel in Richtung Tunnelbau, in Betonzusatzmittel und Beschleuniger geforscht. Da haben wir auch viele neue, innovative Produkte. Wir helfen unseren Kunden damit auch beim Thema Wiederaufbereitung. Ziel ist es, dass kein Altbeton mehr produziert wird. Außerdem liegt unser Fokus auf generalistischen Produkten, die gleich mehrere Probleme lösen können. Produkte etwa, die abdichten und kleben können oder die auch unter Wasser funktionieren.
Report: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial für die Zukunft?
Wolf: Es gibt zwei Hoffnungsmärkte. Neben diesen generalistischen Produkten sind das vor allem Dienstleistungen. Immer mehr Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter bei uns schulen, weil sie in den Berufsschulen vieles gar nicht mehr lernen. Wir haben heuer schon knapp 800 Leute geschult
Report: Lassen sich diese Schulungen auch einpreisen?
Wolf: Wir versuchen es. Und wir können das gegenüber den Unternehmen auch ganz gut argumentieren, denn diese Gelder fließen in unseren Sozialfonds und werden für Sozialprojekte verwendet.
Report: Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei Mapei generell eine große Rolle. Wie wirkt sich das konkret, abseits von Worthülsen aus?
Wolf: Wir wissen, dass das Thema Nachhaltigkeit modern ist. Wir beschäftigen uns aber nicht damit, weil es modern ist, sondern weil wir glauben, dass es wichtig ist. Wir unterstützen mit unserem Sozialfonds die Gemeinden, in denen wir aktiv sind bei Sozialprojekten, aber auch Einzelpersonen, die in Not geraten sind.
Bei den Mitarbeitern ist uns eine gesunde Ernährung wichtig. Deshalb stellen wir auch Obstkörbe zur Verfügung und haben sogar Obstbäume gepflanzt, die irgendwann unsere Mitarbeiter versorgen sollen. Statt kostspielige Weihnachtsgeschenke zu kaufen unterstützen wir jedes Jahr ein ausgewähltes Sozialprojekt. Wir hängen uns kein grünes Mäntelchen um, sondern wir leben den Nachhaltigkeitsgedanken tatsächlich.
Wo wir in Sachen Nachhaltigkeit aber auf jeden Fall Aufholbedarf haben, ist das Thema Transport. Das gilt aber für die gesamte Baustoffindustrie. Was sich abspielt, hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Da geht es darum, die Logistik zu verbessern, um Transporte zu vermeiden. Das machen wir etwa mit unseren Abhollagern in ganz Österreich. Aber hier gibt es sicher noch viel zu tun.
Auch bei den Verpackungen sind wir dabei, etwas Neues zu entwickeln. Denn das aktuelle System ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss.
Report: In welche Richtung könnte es gehen?
Wolf: Ich hab eine Idee, möchte aber noch nicht mehr dazu sagen. Es geht darum, mithilfe eines intelligenten flexiblen Systems weg von den Standardverpackungen zu kommen.
Report: Im Bereich Betonzusatzmittel ist Mapei Österreich auch für Ost- und Südosteuropa sowie für Deutschland zuständig. Wie entwickeln sich diese Märkte?
Wolf: Die Länder des ehemaligen Jugoslawiens entwickeln sich sehr gut. Allerdings muss man ehrlich sagen, je weiter es nach Süden geht, desto heikler wird es in Sachen Rechtssicherheit. Auch die Zahlungsziele sind teilweise sehr lang. Das sind Märkte, die man lernen muss. Und das tun wir. Wir haben auch eigene Leute vor Ort. Deutschland läuft wieder besser, da bin ich nicht unzufrieden. Aber natürlich gibt es da noch Potenzial. Wir wachsen in Deutschland pro Jahr um 10 bis 15 Prozent, allerdings von einem geringen Niveau kommend.
Report: Gibt es Überlegungen, die Aktivitäten zu verstärken?
Wolf: Das diskutieren wir schon länger mit den Eigentümern. Aber der Markt ist auch gesättigt. Und ohne eigene Produktionsstätten macht es keinen Sinn. Man kann nicht von Langenwang aus Norddeutschland beliefern. Ich würde den Süden weiter von Österreich beliefern und irgendwo zwischen Hamburg und Frankfurt eine Produktionsstätte errichten. Aber das müssen die Eigentümer entscheiden.
Report: Sie haben 2016 gesagt, Sie möchten den Umsatz von damals rund 50 Millionen Euro bis 2020 auf 100 Millionen Euro verdoppeln. Wo stehen Sie aktuell?
Wolf: Zu dieser Aussage stehe ich. Aber als ich dieses Ziel formuliert habe, hatte ich noch große Hoffnungen in den Flachdachbereich. Dazu kamen geplante Akquisitionen, die dann nicht realisiert werden konnten. Die 100 Millionen Euro werden nur schwer zu erreichen sein, außer es kommt nächste Woche ein Megaauftrag (lacht). Aber 80 Millionen sollten es schon werden.