Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report sprechen Karin Zipperer, Vorstandsdirektorin Asfinag, Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft BIG, und Franz Bauer, Mitglied des Vorstandes der ÖBB-Infrastruktur AG, über steigende Baupreise, ihre Erfahrungen mit dem Bestbieterprinzip und die zu erwartenden Auswirkungen der Novelle zum Bundesvergabegesetz. Außerdem richten sie konkrete Wünsche an die Bauwirtschaft.
Report: In Zeiten der Hochkonjunktur sind auch die Bauunternehmen gut ausgelastet. Sind aus Ihrer Sicht bereits Preissteigerungen spürbar? Wenn ja, in welchen Bereichen sind sie am stärksten spürbar?
Karin Zipperer, Asfinag: Derzeit bemerken wir noch keinen markanten Preisanstieg. Jüngere Vergaben oder Angebote, vor allem bei Großprojekten wie der A 26 Linzer Autobahn oder der zweiten Röhre des Karawankentunnels, liegen im Bereich der budgetierten Investitionen. Grundsätzlich erwarten wir aufgrund der Auslastung der Bauindustrie in den kommenden Monaten aber schon Preisanstiege.
Bild: Karin Zipperer, Asfinag. »Wir setzen bewusst Anreize, um die Innovationskraft der Unternehmen zu fördern.«
Wolfgang Gleissner, BIG: Preissteigerungen sind deutlich spürbar und betreffen fast alle Bereiche. Vor Herausforderungen stellt uns aber insbesondere die massive Auslastung der Unternehmen. Es ist deutlich schwieriger geworden, Angebote zu bekommen.
Bild: Wolfgang Gleissner, BIG. » Unsere e-Vergabe-Plattform geht spätestens im Oktober 2018 online.«
Franz Bauer, ÖBB: Die Konjunktur hat laut Wirtschaftsforschern ihren Höhepunkt erreicht, manche gehen davon aus, dass der Gipfel sogar schon überschritten ist. Die ÖBB haben aufgrund der Preissituation in Abstimmung mit dem Infrastrukturministerium Investitionen auch schon verschoben, wie ja auch aus dem aktuellen Rahmenplan 2018 bis 2023 hervorgeht. Aber das Wirtschaftswachstum wird sich auch wieder verlangsamen, und genau dann werden wir wieder stärker aktiv.
Bild: Franz Bauer, ÖBB. »Die gesetzliche Beschränkung von Subunternehmerketten ist sehr sinnvoll.«
Report: Welche Rolle spielt heute BIM bei Ihren Ausschreibungen? Welche Rolle wird BIM mittelfristig spielen?
Zipperer: Wir haben derzeit mehrere Pilotprojekten laufen. Dazu zählen die erwähnte zweite Röhre des Karawankentunnels oder der Neubau der Autobahnmeisterei in Bruck an der Leitha. Wir möchten damit die Vorteile für einen Autobahnbetreiber und Erhalter in der Praxis ausloten. Neben mehr Transparenz bei Planung und Bau sehen wir mittel- und langfristig große Möglichkeiten für eine punktgenaue und besser planbare Erhaltung, also Vorteile bei den Lebenszykluskosten.
Gleissner: Die BIG beschäftigt sich intensiv mit BIM und dessen Anwendung bei Projekten. Ziel ist, die Abwicklung mit einem adäquaten Aufwand gewährleisten zu können sowie dem »Markt« Sicherheit für gleichartige Standards zu geben. In diesem Zusammenhang sind wir gerade in der Vorbereitung eines Projektes, um auch praktisch jene Erfahrungen zu sammeln, die einen möglichen Rahmen für BIM in der BIG schaffen. Mittelfristig könnte BIM dann vor allem im Bereich der Neubauprojekte zum Einsatz kommen, wo die Daten erfasst, dann kontinuierlich gepflegt und langfristig gesichert werden. Allerdings muss man hier auch parallel eine klare Kosten-Nutzenrechnung anstellen. Zudem ist es wichtig, unsere Ausschreibungen, insbesondere im Bereich der Planungsleistungen, für alle potenziellen Anbieter so offen wie möglich zu halten.
Bauer: Im Hinblick auf die Implementierung von BIM werden in der ÖBB-Infrastruktur derzeit die maßgebenden Entscheidungsgrundlagen aufbereitet. Eine wesentliche Zielsetzung, die dabei verfolgt wird, ist die, dass die Herleitung der Anforderungen für die Planung aus der Betreibersicht erfolgt, um einen homogenen, konsistenten Datenfluss über den gesamten Lebenszyklus von Planen, Bauen, Betreiben bis zum Abbruch der Anlage zu ermöglichen.
Report: Inwieweit sollten gerade öffentliche Auftraggeber treibende Kraft hinter der flächendeckenden Einführung neuer Technologien sein?
Zipperer: Wir sehen uns hier in der Verantwortung und setzen ganz bewusst Anreize, um die Innovationskraft der Unternehmen aktiv zu fördern. Wenn wir bauen oder sanieren, dann ist es unser Zugang, dass wir Sperren, Behinderungen oder Umleitungen so kurz wie möglich halten. Bei der Vergabe von Aufträgen haben Unternehmen Vorteile, die hier mit kreativen Lösungen an uns herantreten. Die Förderung, der Einsatz und die Entwicklung innovativer Technologien sind aber auch ganz wichtige Elemente unserer eigenen Zukunftsstrategie.
Gleissner: Die BIG ist grundsätzlich bestrebt, neue Technologien voranzutreiben, eine generelle Einführung sollte aber erst dann passieren, wenn alle Parameter geklärt und die Voraussetzungen gegeben sind, diese auch bei entsprechender Kosteneffizienz einzusetzen.
Bauer: Öffentliche Auftraggeber sind schon alleine aufgrund ihrer Bedeutung am Markt, insbesondere am österreichischen, Innovationstreiber. Durch die Digitalisierung können und müssen die öffentlichen Aufraggeber die Möglichkeiten entsprechender Innovationen nützen, um entsprechend sparsam Steuergeld zur Erledigung ihrer Aufgaben zu verwenden. Die ÖBB waren hier immer in einer Vorreiterrolle. Zuletzt wurde die ÖBB und Asfinag-Vergabeplattform PROVIA sogar im Gesetzestext als Beispiel für die ab Oktober 2018 verpflichtende, elektronische Ausschreibung genannt.
Report: Mit welchen konkreten Auswirkungen rechnen Sie durch das Bundesvergabegesetz 2018 – Stichwort Subunternehmerketten, Blacklisting und e-Vergabe?
Zipperer: Für uns werden die Auswirkungen eher gering sein. Wir wickeln Vergaben schon länger über unsere elektronische Plattform ab. Unzulässige Subunternehmerketten verhindern wir mit der Regelung, dass die aus unserer Sicht wichtigen Leistungsteile vom Auftragnehmer selbst zu erbringen sind. Eine »Blacklist« führen wir nicht, da die Eignung des Unternehmers bei jedem Verfahren neu zu prüfen ist. Erfreulich ist aber, dass künftig nach dem Vergabegesetz gröbere Mängel bei älteren Aufträgen beim Eignungscheck berücksichtigt werden können.
Gleissner: Unsere e-Vergabe-Plattform geht spätestens im Oktober 2018 online. Generell rechnen wir aufgrund umfassenderer Bekanntgabe- und Meldepflichten mit mehr Transparenz. Allerdings haben wir auch bisher schon von unseren Auftragnehmern zahlreiche Informationen verlangt oder eingeholt. So waren beispielsweise alle Subunternehmen zu melden. Auch im Bereich Blacklisting haben wir bisher schon Abfragen nach Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz oder dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durchgeführt. Eine positive Neuerung ist, dass Unternehmen, mit denen die Zusammenarbeit aufgrund erheblich und dauerhaft mangelhafter Leistungen vorzeitig beendet wurde, von der Vergabe grundsätzlich auszuschließen sind.
Bauer: Die gesetzliche Verankerung der Beschränkung von Subunternehmerketten ist natürlich sinnvoll. Ansonsten haben die ÖBB schon in der Vergangenheit größten Wert auf eine faire Vergabepraxis gelegt und alle zur Verfügung stehenden Mittel hierfür herangezogen. Bei den Bauvergaben legen wir sehr großen Wert auf eine hohe Qualität der Ausschreibung, setzen realistische Bauzeitvorgaben und liefern alle notwendigen Grundlagen, um marktkonforme Preise zu kalkulieren. Dazu kommt eine vertiefte Angebotsprüfung und wir nehmen zentrale Projektmanagementaufgaben selbst wahr. Wir steuern und koordinieren die Auftragnehmer für alle erforderlichen Bauleistungen und baubegleitenden Dienstleistungen und bündeln nicht alle Leistungen in einer Vergabe.
Report: Wie fällt Ihre vorläufige Bilanz zum verpflichtenden Bestbieterprinzip aus?
Zipperer: Sehr erfreulich. Das gesamte Spektrum an Angeboten zeigt, dass das Bestbieterprinzip der Asfinag sehr positiv angenommen wird.
Gleissner: Die BIG hat das Bestbieterprinzip schon vor der gesetzlichen Verpflichtung angewandt, daher hat sich für uns nicht allzu viel verändert. Wirtschaftlichkeit und Qualität sind seit jeher Ziel unserer Vergaben.
Bauer: Die ÖBB haben immer größten Wert auf entsprechende Qualität zu einem fairen Preis gelegt und schon in der Vergangenheit die Möglichkeiten des Vergaberechts, wie insbesondere die vertiefte Angebotsprüfung, zur Bekämpfung von Dumpingpreisen ausgeschöpft. Auch das Bestangebotsprinzip wurde in der ÖBB bei entsprechenden Warengruppen angewendet.
Mit dem Bestangebotsprinzip haben die ÖBB durchaus gute Erfahrungen gemacht, wenn auch es in manchen Bereichen mitunter eine große Herausforderung ist, Qualitätskriterien objektiv messbar zu definieren.
Report: Welche Kriterien werden von Ihnen im Rahmen des Bestbieterprinzips am häufigsten und stärksten gewichtet?
Zipperer: Grundsätzlich wählen wir die Qualitätskriterien projektspezifisch. Die am häufigsten ausgeschriebenen sind neben der Verlängerung der Gewährleistungsfrist die Verkürzung der Bauzeit zum Vorteil der Lenkerinnen und Lenker – sowie mehr Qualität im Asphalt-, Beton- und Erdbau. Bei den Bietern sehen wir auch eine besonders hohe Akzeptanz bei den Themen Arbeitssicherheit, qualifiziertes Schlüsselpersonal und Facharbeiter. Die Gewichtung der einzelnen Qualitätskriterien erfolgt mit je zwei bis drei Prozent, alle Kriterien in Summe werden im Regelfall mit zwischen fünf und zehn Prozent schlagend.
Gleissner: Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten, da wir jeweils projektspezifische Kriterien definieren und einen Katalog an Zuschlagskriterien entwickelt haben, aus denen wir wählen. Neben dem Preis, der im Baubereich noch immer am stärksten gewichtet ist, zählen aber beispielsweise Kriterien wie Qualifikationsnachweise oder Referenzprojekte für Schlüsselpersonal. Wichtig sind uns auch soziale Kriterien, wie zum Beispiel die Lehrlingsausbildung.
Bauer: Am wichtigsten sind für uns Kriterien wie Bauzeitverkürzung, Sperrzeitverkürzung und die Verwendung von eigenem Schlüsselpersonal sowie Umweltkriterien wie der Lärmpegel von Baumaschinen oder Transportentfernungen.
Report: Was würden Sie als Auftraggeber an den Auftragnehmern gerne ändern? Anders gefragt: Wenn Sie einen Wunsch an die Bauwirtschaft frei hätten – was wäre das?
Zipperer: Dass wir den Weg ins digitale Zeitalter gemeinsam gehen.
Gleissner: Ganz entscheidend für die erfolgreiche Abwicklung von Projekten ist das gemeinsame Verständnis einer partnerschaftlichen Herangehensweise und Handschlagqualität. Nur diese Grundhaltung führt sowohl bei der Bauwirtschaft als auch bei uns als Auftraggeber zu einem vernünftigen Einsatz der vorhandenen Ressourcen.
Bauer: Bei manchen Auftragnehmern wäre weniger Aggressivität und eine sachlichere Fundiertheit bei der Stellung von Mehrkostenforderungen wünschenswert.
HINTERGRUND:
Investitionen der Asfinag
Volumen 2018:ca. 1,1 Mrd. Euro
Schwerpunkte:
- Umbau der Linzer A7 Voestbrücke
- Neubau S 7 Fürstenfelder Schnellstraße
- Neubau Umfahrung Drasenhofen
- Weiterbau der S 3 Weinviertler Schnellstraße
- Baubeginn für die zweite Röhre A 11 Karawankentunnel
Investitionen BIG
Volumen 2018: ca. 600 Mio €
Schwerpunkte:
Fertigstellungen:
- Neubau TÜWI, BOKU Wien
- Sanierung und Erweiterung Universität für angewandte Kunst Wien
- Sanierung und Erweiterung Justizgebäude Salzburg
- Neubau Wohnprojekt Geigergasse Wien
Baubeginn:
- Neubau Future Art Lab, Musikuni Wien
- Neubau Biologiezentrum, Uni Wien
- Neubau Forum Donaustadt (ARE Development & Signa)
- Pädagogische Hochschulen Tirol, Wien und Salzburg
Investitionen ÖBB
Volumen 2018: ca. 1,9 Mrd. Euro
Schwerpunkte:
- Anlieferung der ersten Tunnelbohrmaschine für den Semmering Basistunnel.
- Erster Tunneldurchschlag beim Koralmtunnel im Sommer 2018
- Fertigstellung Güterzentrum Wolfurt
- Fertigstellung der Bahnhöfe u.a. Bahnhof Tulln, Bahnhof Seefeld, Bahnhof Rankweil, Bahnhof Losenstein, Bahnhof Scheifling