Die Immobilienbranche ist komplexer geworden. Hieß es früher einfach nur »Lage, Lage, Lage«, gesellen sich heute zur Standortqualität weitere Schlagworte wie Energieeffizienz, Lebenszykluskosten oder Behaglichkeit, die über Wohl und Wehe einer Immobilie entscheiden. Sind alle Punkte auf hohem Niveau erfüllt, gibt es dafür ein Mascherl in Form eines Zertifikats, ohne dem sich Immobilien praktisch nicht mehr verkaufen lassen. Der Bau & Immobilien Report präsentiert eine Auswahl zertifizierter Immobilien.
TU Getreidemarkt
Ehrgeizige Ziele verfolgten die TU Wien und die Bundesimmobiliengesellschaft bei der Sanierung des Bauteils BA am Getreidemarkt. Aus einem 70er-Jahre Chemiehochhaus sollte ein Plus-Energie-Bürogbäude werden. Dafür wurde unter der Generalplanung der ARGE Architekten Kratochwil-Waldbauer-Zeinitzer auf eine 2.199 m² Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und in der Fassade gesetzt, welche im Bereich der Fassadenintegration hierzulande einzigartig ist. Dass die Abwärme der Server ebenso genutzt wird wie es eine Energierückgewinnung aus der hocheffizienten Aufzugsanlage gibt, versteht sich bei so einem Gebäude nahezu von selbst. Abwärme, Bauteilaktivierung, Wärme- und Feuchterückgewinnung auf höchstem Niveau für die thermische Konditionierung stellen nahezu den gesamten Wärmebedarf des Bauwerks aus eigenen Ressourcen bereit. Die Gebäudekühlung erfolgt mit einer Kernentlüftung in den Nachtstunden, die Bauteilaktivierung kann im Sommer wie im Winter zur Temperierung verwendet werden. Zur Beleuchtung mit Tageslichtoptimierung werden ausschließlich LED-Leuchten eingesetzt.
Baubeginn: März 2012
Bauende: Oktober 2014
Architektur: ARGE Architekten Kratochwil-Waldbauer-Zeinitzer
Bauherr: Bundesimmobiliengesellschaft
Zertifikat: TQB
Gesamtbewertung: 986 (von 1000)
Verwaltungsgebäude Windkraft Simonsfeld
Die Vorgaben waren klar: Das neue Verwaltungsgebäude der Windkraft Simonsfeld AG sollte ein Plus-Energie-Haus werden, also quasi ein Kraftwerk für die Kraftwerkserrichter. Den ausgeschriebenen Wettbewerb konnte das Architekturbüro Reinberg für sich entscheiden. Das Energiekonzept ist zunächst „konservativ passiv“ ausgerichtet: hochwertige Dämmstandards, beste Verglasung, gute Details mit hoher Luftdichtigkeit, die Nutzung der Nachtabkühlung im Sommer, bauseitige statische Beschattung, Belüftung, passive Solarnutzung im Winter. Eine üppige Bepflanzung im Innenbereich unterstützt die Feuchteregulierung, wirkt schallhemmend und ist staubbindend. Das Gebäude verfügt über eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Aktive Elemente sind durch eine Photovoltaik-Anlage mit 382 m² Größe gegeben, deren Spitzenleistung knapp 50 kW beträgt. Für den weiteren Ausbau stehen noch rund 418 m² am Dach des Lagerbauwerks und über den PKW-Stellplätzen zur Verfügung. Zusätzlich gibt es 34 m² thermische Kollektoren samt einen 3000-Liter-Pufferspeicher. Elf Tiefenbohrungen erschließen die Geothermie und entlasten die Wärme- und Kühlleistung des Gebäudes über eine Wärmepumpe (20 kW). Damit wurde, wie auch die Simulationsergebnisse zeigten, mit der Grundausstattung an Photovoltaik-Elementen ein Netto-Plus-Energiegebäude realisiert.
Baubeginn: März 2013
Bauende: Juni 2014
Architektur: Architekturbüro Reinberg
Bauherr: Windkraftwerk Simonsfeld AG
Zertifikat: TQB
Gesamtbewertung: 942
Uni Innsbruck
Mit einer umfassenden Sanierung wurde das aus den späten 60er-Jahren stammende Fakultätsgebäude der Technischen Wissenschaften der Universität Innsbruck „Ener-Phit“. Darunter versteht Passivhaus Institut eine eigene Zertifizierungsstufe für die Renovierung von Gebäuden an, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht oder nur mit beträchtlichem Mehraufwand den originären Passivhaus-Standard erreichen können. Für das Erreichen der EnerPhit- Zertifizierung ist – nach Modernisierung – entweder ein maximaler Heizwärmebedarf von 25 kWh pro m2 und Jahr Energiebezugsfläche, nach den Regeln des Passivhaus Instituts, zulässig oder es wird alternativ die durchgängige Verwendung von zertifizierten Bauteilen und Komponenten nach den Vorgaben des Passivhaus Instituts realisiert. In Innsbruck wurde nach der Sanierung sogar ein Heizwärmebedarf von nur 20 kWh pro m2 und Jahr erreicht. Bautechnisch blieb die Stahlbeton-Primärkonstruktion sowohl im Kern als auch in der Fassade erhalten. Das für die neue Fassade eigens entwickelte Senk-Klapp-Fenster ist mit einer automatischen Regelung für die Lüftung versehen – mit Möglichkeit zur manuellen Übersteuerung, damit die NutzerInnen auch raumweise auf die natürliche Belüftung direkt Einfluss nehmen können.
Baubeginn: März 2013
Bauende: November 2014
Architektur: ATP architekten ingenieure
Bauherr: Bundesimmobiliengesellschaft
Zertifikat: TQB
Gesamtbewertung: 917 (von 1000)
Garant TEZ Pöchlarn
Beim Neubau Verwaltungs-und Seminargebäude für den Nutztierfutterhersteller Garant wurden bereits in der Ausschreibung hohe Ansprüche in Bezug auf die ökologischen Qualitäten des Bauwerks ausgegeben. Diese bestimmen in hohem Maße dessen Materialität und Technik, wobei hier immer das Augenmerk auf einen subtilen, maßvollen Einsatz der Mittel gerichtet ist. Die Technik folgt einer balancierten, ausgewogenen Kombination von technisch anspruchsvollen und durch einfache bauliche Vorkehrungen erleichterten Maßnahmen. Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Grundwassernutzung zur passiven Kühlung und aktiven Heizung, Bauteilaktivierung der Decken und Teilen der Wände, Wärmerückgewinnung aus einem Datencenter (Anwendung von Nasskühlung), thermische Solaranlage, Photovoltaikanlage werden mit passiver Nachtkühlung und intelligenter Beschattung kombiniert. Auch der Materialeinsatz ist vom Gedanken der Reduktion geleitet: zementfreier Beton bestimmt im Verbund mit geöltem Lärchenholz die Innenwirkung, der Verzicht auf bituminöse Baustoffe und Hartschaum zugunsten einer Innovativen Dämmung aus Strohballen komplettiert die Palette.
Baubeginn: Mai 2013
Bauende: Juni 2014
Architektur: Propeller Z
Bauherr: Garant-Tiernahrung GmbH
Zertifikat: DGNB Silber
Objektbewertung: 74,50 %
Standortbewertung: 75.10 %
Schachinger LT1
Einen wahren Reigen an Preisen und Auszeichnungen hat die Logistikimmobilie LT1 des Logistikspezialisten Schachinger seit der Fertigstellung im Sommer 2013 eingeheimst. Absolutes Highlight war sicher der Anfang des Jahres verliehene Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit. Völlig zu Recht gilt das temperaturgeführte Distributionszentrum als Leuchtturmprojekt für ein „Green Warehouse“ bei Bauweise und Betrieb. Betrachtet man das Gebäude in seiner Gesamtheit, mit all den ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien, die es erfüllt, so ist es wohl das nachhaltigste Hochregallager Europas und eines der größten ökologischen Lager in durchgehender Holzbauweise.
Baubeginn: März 2013
Bauende: Juli 2013
Architektur: Poppe*Prehal Architekten
Bauherr: Schachinger Logistik
Zertifikat: DGNB Gold
Objektbewertung: 82,30 %
Standortbewertung: 82,60 %
Silbermöwe
Die Silbermöwe, benannt nach ihrer glänzenden, neuen Fassade, wurde als erster österreichischer generalsanierter Bürogebäudekomplex mit einem ÖGNI-Zertifikat in Gold ausgezeichnet. Das Gebäude an der Wiener Erdberger Lände zeichnet sich durch beispielhaft durchgeführte Maßnahmen wie eine thermisch verbesserte Fassadenhülle, eine Reduktion des Energiebedarfes um ca. 50-60 Prozent, des Einsatzes eines neuen Kühldeckensystems mit Kältespeicher und einer Photovoltaikanlage am Dach (Betriebsstromerzeugung für die Kälteanlage) sowie die Verwendung ökologischer Baustoffe aus. Für die niedrigen Lebenszykluskosten und den langfristig sparsamen Verbrauch von Primärenergie erhielt die Silbermöwe eine ÖGNI Gold Zertifizierung in der Kategorie „Modernisierung von Büro und Verwaltungsgebäuden“. Der aus einem 7-geschoßigen Flachbau sowie einem zehngeschoßigen Hochhaus bestehende Komplex im Quartier Lände 3 hat rund 21.500 Quadratmeter Nutzfläche und ist Teil des Bestandsportfolios von CA Immo. Gesamtmieter des Gebäudekomplexes ist die Robert Bosch AG.
Baubeginn: Februar 2012
Bauende: April 2014
Architektur: Atelier Hayde Architekten (jetzt HD Architekten)
Bauherr: CA Immobilien AG
Zertifikat: ÖGNI Gold
Erfüllungsgrad: 82,4%
DC Tower 1
Mit einer Höhe von 250 Metern ist der DC Tower 1 das höchste Haus Österreichs. Auf das höchste Bauwerk, den benachbarten Donauturm, fehlen gerade einmal zwei Meter. Rund 300 Millionen kostete die Errichtung des DC Tower 1 nach Plänen des französischen Star-Architekten Dominique Perrault. Entwickelt wurde die Immobilie von der WED-Gruppe, als Investor zeichnete die UniCredit Bank Austria AG verantwortlich. Auf 60 Geschoßen bietet der Tower insgesamt eine Bruttogeschoßfläche von 137.600 m². Ziel des Bauherrn war es, architektonische Ästhetik mit modernster „grüner“ Bauweise und Funktionalität zu kombinieren. Über die architektonischen Qualitäten eines Gebäudes lässt sich bekanntlich trefflich streiten, die Nachhaltigkeit einer Immobilie lässt sich hingegen recht objektiv bemessen. Der DC Tower 1 wurde als einer der ersten österreichischen Büroturme nach den Energie- und Nachhaltigkeitserfordernissen für ein „Green Building“ der EU-Kommission errichtet und ausgestattet. Zudem wurde Anfang 2015 die Zertifizierung als „Green Building“ mit dem höchsten Status Platin nach LEED© abgeschlossen. Dafür wurde neben den hervorragenden Standortqualitäten auch auf einen optimierten Energieverbrauch Wert gelegt. Betrieben wird das Gebäude mit Ökostrom. Energiesparende bzw. energiegewinnende Maßnahmen, wie z.B. Photovoltaik-Anlagen, Energierückspeisung der Aufzugsanlagen, und Bauteilaktivierung tragen zur Reduzierung der Gebäudeenergie bei. Eine detaillierte Erfassung des Energieverbrauchs wird durch die installierten Zähler bewerkstelligt und die Vorrichtung für Subzähler ermöglicht dem Mieter, Zähler für eine getrennte Stromzählung zu installieren. Damit können ein optimierter Gebäudebetrieb und ein niedriger Energieverbrauch können somit erreicht werden.
Baubeginn: Juni 2010
Bauende: Oktober 2013
Architektur: Dominique Perrault
Bauherr: WED
Zertifikat: LEED Platin
Gesamtbewertung: 82 (von 110)
Haus an der Wien
Modern, großzügig und in einer begehrten Innenstadtlage gelegen. Der ehemalige Bankensitz hat sich Ende 2012 in ein wegweisendes Bürogebäude verwandelt, das in vielerlei Hinsicht überzeugt: Das repräsentative Exterieur, das funktionelle Innenleben und die ökologisch nachhaltige Bauweise sprechen für das Objekt am Wienfluss. Die hohe Standortqualität zeigt sich neben der ausgezeichneten Verkehrsanbindung für Autofahrer und Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel auch durch die unmittelbare Nähe zum Stadtpark, diversen Ministerien, Behörden und renommierten Unternehmen. Während der Planung und Umsetzung wurden verschiedene Nachhaltigkeits-Aspekte streng geprüft – vom sparsamen Umgang mit Energie und Wasser über optimale Raumluftqualität bis hin zu effizientem Schallschutz und einer Materialauswahl, die Natur und Gesundheit schont. Dafür gab es noch in der Bauphase das Leed-Vorzertifikat in Gold, das endgültige Zerifikat funkelt seit September 2014 jetzt sogar in Platin.
Baubeginn: September 2011
Bauende: Dezember 2012
Architektur: Heinz Neumann & Partner
Bauherr: Signa
Zertifikat: Leed Platin
Gesamtbewertung: 45 (von 62)
Buchtipp: tatsächlich & nachweislich
Mit der Publikation „Nachhaltiges Bauen in Österreich. Weißbuch 2015“ sollen die Ergebnisse des Forschungsprojektes „monitorPLUS“einer breiten Fachöffentlichkeit präsentiert werden. Ziel von „monitorPLUS“ war es, einen Beitrag zur nationalen und internationalen Vergleichbarkeit innovativer Bauwerke zu leisten, als auch projektbegleitend dazu beizutragen, dass die Demonstrationsbauten des Programms umfassend optimiert werden.
Download des Bucher und weitere Infos unter www.monitorplus.at