Berlin hat sich vom deutschen Sorgenkind zum Musterschüler entwickelt. Weil vor allem dem Wohnungsmarkt immer wieder eine Überhitzungsgefahr attestiert wird, weichen Entwickler und Investoren wie die S Immo auf den Gewerbebereich aus. Von Bernd Affenzeller, Berlin
Berlin ist immer noch sexy, aber in vielen Bereichen gar nicht mehr so arm, wie der ehemalige Bürgermeister Klaus Wowereit im Jahr 2003 feststellte. Damals war Berlin das wirtschaftliche Schlusslicht Deutschlands, heute hält die Hauptstadt in vielen Bereichen den Spitzenplatz. Davon profitiert auch die Immobilienbranche. Rund 40.000 Unternehmen werden jährlich in Berlin gegründet. Die Nettozuwanderung liegt bei über 42.000 Personen pro Jahr. Bis 2030 wird Berlin von heute 3,4 Millionen Einwohnern auf knapp 3,8 Millionen Einwohner anwachsen. »Berlin hat in den letzten Jahren eine tolle Entwicklung genommen. Die Preise am Wohnungsmarkt sind im internationalen Vergleich aber immer noch mäßig«, berichtet Ernst Vejdovszky, Vorstand S Immo AG. Die Neubautätigkeit hat in den letzten Jahren zwar enorm zugenommen, könne aber mit der Nachfrage nicht mithalten. Dennoch bewegen sich die Angebotsmieten immer noch eher seitwärts, während die Angebotspreise für Eigentumswohnungen alleine im ersten Quartal 2015 um 3,6 Prozent gestiegen sind. »Offenbar verlagern solvente Wohnungssuchende ihre Nachfrage von Miet- zu Eigentumswohnungen, nicht zuletzt weil bei dem jetzigen Zinsniveau die Monatsbelastung nach einem Kauf niedriger sein kann als die Miete einer vergleichbaren Wohnung«, heißt es im »Wohnmarktreport Berlin 2015« von CBRE und Berlin Hyp. Was sich ebenfalls ändert, sind die Nachfrageschwerpunkte. Während in den letzten Jahren vor allem der innerstädtische Bereich gefragt war, verlagert sich der Nachfragedruck zusehends in die Breite. Deutlich stärker geworden ist er in Innenstadtrandlagen, in gut angebundenen Quartieren außerhalb des Zentrums und auch in einfachen Stadtrandlagen.
Eine oftmals kolportierte, unmittelbar bevorstehende Marktüberhitzung ist laut dem Wohnmarktreport zwar »in Einzelfällen sichtbar, aber kein flächendeckendes Phänomen«. Auch Vejdovszky sieht noch keine Gefahr einer Blase. »Die wird aber kommen, wenn noch mehr mit Fremdkapital finanziert wird.« Deshalb investiert die S Immo neben Wohn- verstärkt auch in Gewerbeimmobilien.
Mit Revitalisierungen zum Erfolg
Bereits 2013 kaufte die S Immo zwei denkmalgeschützte Industriebauten an der Sonnenallee, positionierte sie neu und vermietet die 12.000 Quadratmeter seitdem erfolgreich. Im März kaufte die S Immo nun die restlichen Grundstücke des ehemaligen Industriekomplexes und gab damit den Startschuss für die Gesamtentwicklung des Standortes.
Anfang 2015 wurde auch ein weiteres eindrucksvolles Zeitzeugnis Berliner Industriegeschichte in das Portfolio aufgenommen: die 1897 erbaute Leuchtenfabrik in den sogenannten Spreehöfen in Oberschöneweide. Für Robert Neumüller, Geschäftsführer der S Immo Germany, zählt Oberschöneweide mit seiner reizvollen Wasserlage zu den aktuell größten Berliner Potenzialstandorte. Allerdings reicht das Entwicklungspotenzial eines vielversprechenden Umfelds alleine laut Neumüller nicht aus, um die Möglichkeiten eines Standortes zum Erfolg zu führen. »Vielmehr braucht es eine klare Vorstellung davon, wie der Ort eines Tages aussehen soll und welche Strategie dorthin führen soll.« Im Fall der Leuchtenfabrik ist das für Neumüller vor allem eine starke Markenentwicklung. Dazu kommt die »richtige« Auswahl an Nutzern, damit eine produktive Gemeinschaft entstehen kann, sowie eine flexible Gestaltung der Flächen. In Ankauf und Revitalisierung investiert die S Immo einen »hohen einstelligen Millionenbetrag«.
Neben Wohnimmobilien investiert die S Immo in Berlin auch verstärkt in alte Gewerbe- und Industriebauten, die revitalisiert und als Büroflächen vermietet werden.