Knapp zwei Milliarden Euro ist das Konjunkturpaket auf Bundesebene schwer, dazu kommen Maßnahmen der Länder und Gemeinden. Doch Österreichs höchste Baumanager fordern, über Größeres nachzudenken – etwa den Bau neuer Kraftwerke.
Von Gerald Stefan.
Die Bauwirtschaft blickt mit Zittern und Bangen, aber auch mit Hoffnung auf die nächsten zwei Jahre: Bangen, weil die Aufträge einbrechen und die Wirtschaftskrise auch Österreich und die Nachbarmärkte in CEE voll erreicht hat – und Hoffnung, weil die vom Staat geschnürten Konjunkturpakete zumindest punktuell Abhilfe versprechen. Den gesamten Rückgang werden sie nicht wettmachen können, das ist aber auch nicht unbedingt nötig: Die Baubranche ist ein zyklisches Geschäft. Ihr Bauproduktionswert legte noch 2008 real um zwei Prozent auf 32,7 Milliarden Euro zu, die Zahl der Beschäftigten ebenfalls um zwei Prozent auf 250.000 Personen. Heuer droht nun ein herber Rückgang. Winfried Kallinger, Fachverbandssprecher der Bauträger in der Wirtschaftskammer Österreich: »Es ist uns sehr lange sehr gut gegangen.« Eine Anpassung ist in manchen Bereichen überfällig gewesen, damit kann die Branche leben. Doch ohne staatliche Hilfe würde der Rückgang heuer ganz unverhältnismäßig stark ausfallen. Bereits im Februar gab es 15.200 Personen oder 31,5 Prozent mehr Arbeitslose in der Baubranche.
Infrastruktur-Pakete
Die von der Bundesregierung Österreichs gemeinsam mit den Ländern geschnürten Konjunkturpakete, die eigene Hilfsmaßnahmen für die Baubranche enthalten, werden daher lebhaft begrüßt. Sie überschreiten inklusive einzelner zusätzlicher Maßnahmen auf Länder- und Gemeindeebene die Milliardengrenze. Diese »rasch beschlossenen und äußerst wichtigen Konjunkturbelebungspakete geben berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass entsprechende Impulse an die Realwirtschaft gesetzt werden, nachdem bereits die Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzmarktstabilität langsam greifen«, sagt Wolfgang Hesoun, Generaldirektor des Bauriesen Porr.
Auch Christian Ebner, Generalsekretär der Strabag SE, meint: »Aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass die Konjunkturpakete der einzelnen Länder ausreichen werden, die Rückgänge bei der Nachfrage von privater Seite auszugleichen.« Denn auch Deutschland und östliche Nachbarstaaten ziehen Infastrukturprojekte vor, der nördliche Nachbar sogar im Ausmaß von 17 Milliarden Euro.
In Österreich wurde vor allem mit dem Konjunkturbelebungspaket II ein knapp eine Milliarde Euro starkes Paket für Infrastrukturinvestitionen verabschiedet, das in vorgezogene Instandhaltungsarbeiten bzw. Neubauten von Schiene, Straße und staatlichen Gebäuden fließt. So werden auch notwendige Infrastrukturprojekte im öffentlichen Hochbau gefördert, z.B. bei Universitäten. Das hilft, die Einbrüche bei den von privaten Investoren bezahlten Neubauten (etwa Bürobauten) abzufangen. Den größten Anteil hat mit mehr als 700 Millionen aber die Schiene. Hier werden heuer über die bereits bestehenden Pläne hinaus 100 Mio. Euro sofort zusätzlich verbaut, ab 2010 sind es dann jährlich 200 Mio. Euro extra. Zuständig ist die ÖBB-Infrastruktur Bau AG, bei der Straße die Asfinag.
Allerdings muss man dieses Paket im Verhältnis zum Gesamtvolumen sehen: 2008 bis 2013 werden insgesamt rund 20 Milliarden Euro für die Modernisierung von Bahnstrecken, Bahnhöfen, Autobahnen und Schnellstraßen aufgewendet, 19 Milliarden davon waren schon vor der Krise beschlossen. Insgesamt beschäftigt der Schienenausbau jährlich im Durchschnitt 50.000 Menschen; 5.400 Arbeitsplätze davon entstehen unmittelbar durch das Konjunkturpaket, mit dem Projekte späterer Jahre auf 2009 bis 2012 vorgezogen werden. Außerdem sind für Autobahnen und Schnellstraßen im Asfinag-Bauprogramm 2008 bis 2013 insgesamt 8,1 Mrd. Euro veranschlagt; dazu kommen 2009 bis 2012 weitere 200 Mio. Euro aus dem Konjunkturpaket, was laut Verkehrsministerin Doris Bures zusätzlich 2.000 Arbeitsplätze bringt.
Ein weiterer größerer Brocken im Paket ist die Thermische Sanierung mit 100 Mio. Euro Maßnahmenförderung. Das erscheint »vor dem Hintergrund des Kyoto-Abkommens immens wichtig«, und sei daher zu spärlich bemessen, meint Hesoun. Da Österreich mit der Erfüllung der in diesem Vertrag festgelegten Zielwerte deutlich im Hintertreffen sei und außerdem der Beschäftigungseffekt hier hoch sei, weil »100 Mio. Euro rund 1.200 Beschäftigte bedeuten«, erschiene aus seiner Sicht eine Erhöhung dieses Budgets mehr als sinnvoll.
Wärmedämmung ist Trumpf
Tatsächlich dürfte noch mehr kommen. Österreichs Bau-Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel hat vorgeschlagen, die Thermische Sanierung und energiesparende Bauweisen steuerlich zu begünstigen, Privatkapital durch Wiedereinführung von Stadterneuerungsmodellen zu mobilisieren und private Hausbauer ein Haus auf 67 Jahre abschreiben zu lassen. Vorarlberg ist bereits vorgeprescht und hat sehr ambitionierte Passivhaus-Fördermaßnahmen beschlossen, die nicht nur die Baubranche ankurbeln, sondern eine weitreichende Umstellung des Neubaus auf Passivbauweise bringen könnten. Mit Quelle ist sogar ein Fertigteilhausanbieter auf den Trend aufgesprungen und bietet in Österreich erstmals Passiv-Fertigteilhäuser an.
Auch andere Bundesländer und Gemeinden sorgen mit aktuellen Projekten für eine Aufrüstung der staatlichen Konjunkturmaßnahmen. Im Burgenland wird in Parndorf eine Park-and-Ride-Anlage errichtet, Niederösterreich baut in St. Pölten ein neues Fußballstadion, Oberösterreich plant Autobahnausbauten und will mit einem Konjunktur-Sonderpaket die Thermische Sanierung und den Wohnbau ankurbeln. Auch das Projekt eines »Regio-Liners« als Straßenbahnverbindung von Linz bis ins obere Mühlviertel geistert durch das Land. In Salzburg wird das neu vorgestellte Kraftwerksprojekt Stegenwald zwar von Umweltschützern bekämpft, soll aber rund 300 Jobs bringen, verspricht Landesversorger Salzburg AG.
Manche dieser Maßnahmen standen schon länger fest, andere werden jetzt vorgezogen. Außerdem zahlen die Länder zum Infrastrukturpaket des Bundes dazu – die Steiermark beispielsweise 4,5 Mio. Euro. Und die staatliche Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) will in ihre Schulen, Universitäten und Ministerien in den nächsten zwei Jahren 875 Mio. Euro investieren; der teilstaatliche Stromriese Verbund will Leitungsbauten in Oberösterreich und der Steiermark beschleunigen.
Tempo ist wichtig
Diese Hilfspakete und Bauprojekte der öffentlichen Hand sind gut und schön, meint die Branche – es müsse dabei allerdings gesichert sein, dass sie rasch kommen und dass weiteres Vertrauen geschaffen wird, »damit wieder mehr Finanzierungen zur Verfügung stehen«, mahnt Hesoun. Auch Dietmar Aluta-Oltyan, Aufsichtsratspräsident der Alpine Bau GmbH, findet neben lobenden warnende Worte: »Die österreichische Politik hat mit der raschen Entscheidung für Infrastruktur-Unterstützungsmaßnahmen ein wichtiges Signal gesetzt, um Arbeitsplätze zu sichern und Vertrauen wieder herzustellen. Allerdings würden wir weitere Maßnahmen begrüßen, um die Zukunft abzusichern. Bricht die Auftragslage weg, dann sind viele Jobs gefährdet und das würde sicher zuerst die KMUs schwer treffen.«
Zukunftsorientiert handeln heißt laut Aluta-Oltyan auch, Projekte anzugehen, die viele Jahre Vorlaufzeit benötigen, wie z.B. Kraftwerke. »Die Energieknappheit der Zukunft wird nicht geringer, nur weil heute eine Krise ist.« Darüber hinaus sollte es flankierende rechtliche Maßnahmen geben, meint er: »Aufhebung des Zessionsverbotes, Akontierung von Zusatzleistungen oder Firmengarantien anstatt Haftbriefe«. Mit solchen gebündelten Maßnahmen könne heute dafür vorgesorgt werden, damit auch in Zukunft die Bauindustrie »ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor und großer Arbeitgeber bleibt«. In den CEE-Ländern sollte es aufgrund des enormen Infrastrukturbedarfs ohnehin bald wieder aufwärts gehen, sobald »die derzeit sehr verunsicherte und daher restriktive Finanzcommunity wieder bereit ist, zu vernünftigen Konditionen Kapital für Großprojekte zur Verfügung zu stellen«, meint Aluta-Oltyan.
Hesoun meint, dass das Ausmaß des wirtschaftlichen Rückgangs »stark davon abhängt, inwieweit es gelingt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Wirtschaftskreislauf in Gang gehalten wird. Entscheidend wird sein, dass nicht nur die entsprechenden Rahmenbedingungen von der Politik geschaffen werden, sondern auch dafür gesorgt wird, dass die zahlreichen Maßnahmen und Projekte von der Wirtschaft auch rasch angegangen und umgesetzt werden können, um einen unmittelbaren Konjunkturbelebungseffekt zur wirtschaftlichen Stabilisierung erzielen zu können.« Das sieht man auch bei der Strabag so: Derzeit habe man einen Auftragspolster für ein ganzes Jahr, doch 2010 müssen die neuen Projekte dann anschließen.
Die Zeit drängt also. Bauträger-Obmann Kallinger rechnet vor: Heuer werde allein am Bau in Wien der Büro-, Gewerbe- und Logistikbereich mit einen Volumen von etwa 1,2 Mrd. Euro hohe zweistellige Rückgänge erleiden; der frei finanzierte Wohnbau (Volumen etwa 150 Mio. Euro pro Jahr) werde überhaupt zur Hälfte ausfallen. Insgesamt rechnet die Baubranche im ersten Halbjahr 2009 mit Auftragsrückgängen von bis zu 20 Prozent Und jede fehlende Million an Auftragsvolumen bedeute den Verlust von bis zu 16 Arbeitsplätzen.