2016 ist für die heimische Bauwirtschaft deutlich besser gelaufen als die Jahre davor. Und auch für 2017 sind sowohl Wirtschaftsforscher als auch Unternehmen und Institutionen positiv gestimmt. Dafür verantwortlich sind unter anderem eine Reihe größerer und kleinerer politischer Maßnahmen. Es gibt aber auch Anlass zur Kritik.
Der Bauwirtschaft wird gerne nachgesagt, dass sie viel jammert und fordert. Ganz kann man die Branche von diesem Vorwurf nicht freisprechen. Gejammert wird entweder über die Auftragslage, die rechtlichen Rahmenbedingungen oder auch das Wetter, gefordert werden Konjunkturprogramme, Investitionen und weitere Förderungen. 2016 waren die klagenden und fordernden Stimmen allerdings relativ leise. Das hat einen guten Grund: Mit dem vom WIFO für 2016 errechneten Wachstum von 1,6 % entwickelte sich das heimische Bauwesen deutlich besser als in den Jahren zuvor.
Alleine in den ersten drei Quartalen 2016 erwirtschafteten die knapp 34.000 österreichischen Bauunternehmen laut Statistik Austria einen Produktionswert von 29,7 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Plus von 3,8 % im Vergleich zur Vorjahresperiode. Dabei gingen vor allem von den Hochbausparten »Erschließung von Grundstücken; Bauträger« (+26,0 %), »Wohnungs- und Siedlungsbau« (+19,0 %) sowie »Sonstiger Hochbau« (+12,3 %) positive Impulse aus.
Weniger erfreulich gestaltete sich die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand. Die abgesetzte Produktion der Bautätigkeit für den öffentlichen Sektor lag in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 mit rund 5,0 Milliarden Euro um 0,7 % unter jener des Vorjahres. Und das, obwohl schon 2015 ein Minus von 5,5 % gegenüber 2014 festzustellen war.
Dennoch sind die Auguren auch für 2017 positiv gestimmt. Das WIFO etwa rechnet mit einem Wachstum der Bauwirtschaft um 1,4 %. Und auch ein Rundruf bei Unternehmen und Institutionen bestätigt eine positive Grundstimmung in der Branche. Zurückzuführen ist die Aufbruchstimmung neben einer allgemein besseren konjunkturellen Lage auch auf zahlreiche größere und kleinere Maßnahmen, die in der jüngeren Vergangenheit gesetzt wurden und die in der Branche für den nötigen Rückenwind sorgen sollen. Dazu zählen unter anderem das neue Vergaberecht, ein effizienteres Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungs-gesetz, die Gründung einer SOKO Bau und die lange angekündigte Wohnbauoffensive. Sehr unterschiedlich beurteilt die Branche hingegen die Ergebnisse der Finanzausgleichsverhandlungen in Sachen Wohnbauförderung. Die Reaktionen reichen von ablehnend bis verhalten optimistisch.
Vergaberecht & Bestbieterprinzip
Am 1. März ist die von den Sozialpartnern lange geforderte Novelle zum Bundesvergabegesetz in Kraft getreten. Ein wesentlicher Baustein der Novelle ist das Bestbieterprinzip. Damit müssen öffentliche Ausschreibungen von Bauaufträgen über eine Million Euro neben dem Preis zumindest ein weiteres Zuschlagskriterium beinhalten. Trotz anfänglicher Skepsis vonseiten der Auftraggeber sind die ersten Praxiserfahrungen mit dem Bestbieterprinzip positiv (siehe Seite 95).
SOKO Bau & LSD-BG
Unmittelbar vor Weihnachten wurde eine sukzessive Aufstockung der Baustellenkontrollorgane der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) beschlossen. Diese Maßnahme soll der Bekämpfung von Sozialbetrug dienen, vor allem durch Entsendebetriebe, weil dort erfahrungsgemäß Lohn- und Sozialdumping deutlich häufiger vorkommen. Der Personalstand der Sozialbetrugsbekämpfungsgruppe der BUAK wird bis 2020 verdoppelt.
In diesem Zusammenhang ist auch die erweiterte Auftraggeberhaftung im neuen Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz erwähnenswert, das mit 1.1.2017 in Kraft getreten ist. Diese neue Form der Haftung kommt bei der Beauftragung von Entsendebetrieben zum Tragen und gilt ausschließlich für den Baubereich. Damit haftet der Auftraggeber auch dafür, dass das nach österreichischen Vorschriften festgesetzte Mindestentgelt und die Abgaben für grenzüberschreitend entsandte Arbeitnehmer bezahlt werden. Für viel Aufregung hat die Tatsache gesorgt, dass die Haftung auch für private Bauherren gilt. Allerdings ist hier ein großer Interpretationsspielraum zu erwarten, weil für private Bauherren offensichtlich sein muss, dass die vereinbarte Leistung nur durch Unterentlohnung erbracht werden kann. Mit einer erleichterten Vollstreckung von Strafbescheiden im Ausland wurde zudem ein bisheriger Schwachpunkt des Gesetzes beseitigt.
Wohnbauoffensive & WBIB
Die Wohnbauoffensive ist eine »klassische Spätgeburt«, wie es der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz Josef Muchitsch im Report(+)PLUS-Interview (siehe Seite 98) formuliert. Bereits im Nationalratswahlkampf 2013 angekündigt, wurden mit der Gründung der Wohnbauinvestitionsbank im September 2016 jetzt die finalen Weichen für die Umsetzung gestellt. Konzipiert wurde dieses Instrument für günstige Refinanzierungen von der Sozialpartner-Initiative »UMWELT+BAUEN«. Durch diese zusätzliche Form der Wohnbaufinanzierung sollen 30.000 neue Wohnungen errichtet und 20.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die WBIB soll dies durch eine günstige Refinanzierung über die Europäische Investitionsbank (EIB) erreichen. Durch Hebelwirkungen soll eine zusätzliche Investitionstätigkeit in Österreich von bis zu 5,75 Milliarden Euro über fünf bis sieben Jahre ausgelöst werden. Die Branche hofft, dass die ersten Projekte 2017 baustellenwirksam umgesetzt werden.
Finanzausgleich & Wohnbau
Seit der Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung im Jahr 2008 waren nicht wenige Interessenvertreter auf einem persönlichen Kreuzzug zur Aufhebung dieses – nach Meinung vieler – »Sündenfalls« der Wohnbaupolitik. Allerdings erfolglos, denn mit den Ergebnissen der Finanzausgleichsverhandlungen im Herbst 2016 musste die Branche die dahingehenden Hoffnungen endgültig begraben. Nicht nur, dass die Wohnbauförderung entgegen der Vereinbarung im Koalitionspapier auch künftig nicht zweckgebunden ist, soll es sich in Zukunft um eine reine Länderkompetenz handeln. Der Wohnbauförderungsbeitrag – sowohl die Dienstgeber- als auch die Dienstnehmer-Beiträge – wird mit Wirkung 2018 zu einer ausschließlichen Landesabgabe. Weiters sollen die Bundesländer ein Wohnbauprogramm für zwei Jahre entwerfen.
Diese Verländerung der Wohnbauförderung wird von Branchenvertretern sehr unterschiedlich bewertet. Während die Sozialpartner Muchitsch und Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau, von einem Fehler sprechen, sieht etwa Wohnbauexperte Wolfgang Amann in der Verländerung nicht nur eine konsequente Weiterentwicklung der gelebten Praxis, sondern auch die Garantie für ihren langfristigen Bestand. »Ohne diese Verländerung wäre der Wohnbauförderungsbeitrag ein sicherer Streichkandidat im Zuge einer größeren Steuerreform gewesen.« Außerdem begrüßt Amann die Ankündigung, dass bis 2018 eine umfassendes Paket für eine bessere Bedarfsorientierung der Wohnbauförderung geschnürt werden soll. Durchwegs positiv wird hingegen die geplante Vereinheitlichung der neun Bauordnungen gesehen und auch die Reduktion der Standards im sozialen Wohnbau stößt weitgehend auf Zustimmung.