Mehr denn je wird heute in der Baubranche Zeit-, Qualitäts-, und Kosteneffizienz gefordert, während unsere gebaute Umgebung immer höheren Nutzeranforderungen und Standards gerecht werden muss. Diesen erhöhten Anforderungen kann man nur mit wirkungsvolleren Technologien entgegentreten. Eine von diesen, landläufig BIM genannt, findet in Österreich, dennoch nur sehr zaghaft Einzug in die Praxis.
BIM in modellbasierten Arbeitsabläufen Vorteile: ➢ Detailliertere Kostenschätzung und genauere Mengenermittlung Nachteile: ➢ Verlagerung der Aufwände und Kosten in Richtung Projektbeginn |
Eine weltweite Rezension führte in den vergangenen Jahren zu erheblichen Gewinneinbrüchen in der Baubranche. Auch wenn gegenwärtig wieder ein leichter Erholungstrend zu verzeichnen ist, leiden klein- und mittelständische Firmen unter dem Druck, immer schneller und billiger liefern zu müssen, um sich im Wettbewerb gegen die großen Platzhirsche behaupten zu können. Die gute Nachricht zuerst: Genau dabei können BIM-Tools Bauunternehmen künftig unterstützen. Da diese meist erst in der Angebotsphase mit dem Projektentwurf in Kontakt kommen, ist es für sie umso wichtiger, unmittelbarer auf alle relevanten Gebäudedaten zugreifen zu können.
Details zu Konstruktion, Baubeschreibungen und Ausstattung des Bauvorhabens lassen sich so schneller erfassen und effizienter als bisher beurteilen. Auch Flächen und Mengen lassen sich rasch und zuverlässig ermitteln, Risiken und Fehlerquellen können früher erkannt und beschrieben werden. Ein gemeinsamer Bauphasenplan erlaubt es außerdem, Abläufe schon frühzeitig aufeinander abzustimmen, wodurch eine bessere Koordination der Gewerke möglich ist. Die Bauzeit kann dadurch stark verkürzt und die Chance auf betriebswirtschaftlichen Erfolg bei der Gebäudeerrichtung erheblich gesteigert werden. Schnell lässt sich also der anfängliche Mehraufwand in einen finanziellen Vorteil ummünzen.
Planen und Bauen in drei Dimensionen
Da Gebäude nun mal dreidimensional sind, ist es eigentlich offensichtlich, dass sie in letzter Konsequenz am besten auch dreidimensional geplant werden sollten. BIM bedeutet jedoch viel mehr als das. Durch steigende technische Anforderungen an Bauteile und immer komplexer werdende Gebäude nimmt auch der Koordinationsaufwand unter den Projektbeteiligten massiv zu. Gleichzeitig verlaufende Bau- und Planungsphasen erfordern einen zeitgleichen Zugriff von mehreren Mitwirkenden auf das gemeinsame Planungsmaterial. BIM ermöglicht aber nicht nur das, sondern erlaubt auch eine dynamische Simulation des gesamten Bauablaufs.
Kurzfristige Änderungen lassen sich einfacher abstimmen, fehlende Deckendurchbrüche, die Baustellen häufig verzögern, können entweder gleich verhindert oder zumindest mit kleinstmöglichen Zeiteinbußen behoben werden. Programme erkennen Überschneidungen von sich gegenseitig behindernden Arbeitsabläufen und helfen, baustellenseitige Kollisionen zu vermeiden. Bei großen Infrastrukturprojekten ist es sogar möglich, durch vorherige Simulation im BIM-Modell einzelne Bauabschnitte so zu gestalten, dass der Betrieb von Bahnhöfen oder anderen Gleisanlagen weiterhin gewährleistet bleibt. Eine Herausforderung, die sich mit dem herkömmlichen Balkendiagramm nicht ohne hohen Unsicherheitsfaktor bewältigen ließe.
Contra
Es gibt also ziemlich überzeugende Argumente dafür, sich auch als Bauunternehmen auf das Computer Aided Architectural Design-Tool BIM einzulassen. Alle Bauteile bekommen eine spezifische Kennung, auch ID genannt, und können vom ersten Schritt der Planung bis zur Umsetzung und Kostenverfolgung direkt im BIM-Modell bearbeitet, verändert und natürlich in jedem Arbeitsschritt kontrolliert und überwacht werden. Dreidimensionale Gebäudemodelle bergen aber natürlich nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken und Gefahren in sich. Kleine Fehler können sich etwa zu großen Problemen entwickeln. Wenn ein Gebäudeteil beispielsweise falsch referenziert wird, hat das Auswirkungen auf alle weiteren Eingaben, die in Abhängigkeit zu diesem stehen.
Werden solche Mängel nicht rechtzeitig erkannt, kann das zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Der Kontrollaufwand aufseiten des BIM-Verantwortlichen ist also ziemlich hoch. Bleibt jedoch die Frage, wer das eigentlich ist, zumal an der Umsetzung eines Bauwerks sehr viele Akteure beteiligt sind, die sich beim Building Information Modeling ein einziges Dokument teilen. Um schwerwiegende Folgen zu verhindern, ist es also wichtig, ein dichtes Netz an Kontrollsystemen zu implementieren, solange das System noch nicht in der Lage ist, eine Art Selbsttest durchzuführen.
Ein weiteres Problem stellen nach wie vor die Schnittstellen dar. BIM ist ein multilineares Tool, weshalb es nicht ein Programm oder eine Softwarelösung gibt, die alles beherrscht. Der Austausch von Datensätze zwischen verschiedenen Anbietern und Firmen ist nach wie vor eine der größten Hürden. Auch Upgrades von einzelnen Programmen sorgen immer noch verlässlich für Schwierigkeiten. Fehlende oder falsch dargestellte Bibliothekselemente stellen in der 2D-Planung noch eine kleine Unannehmlichkeit dar, in der modellbasierte Arbeitsweise BIM potenziert sich diese jedoch enorm.
Zukunftsvision
Schon vor geraumer Zeit empfahl das europäische Parlament, das Vergaberecht der Europäischen Union zu modernisieren und den Einsatz von computergestützten Methoden wie Building Information Modeling (BIM) zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Ausschreibungen einzuführen. In naher oder ferner Zukunft ist also auch mit einer verpflichtenden Anwendung bei öffentlichen Projekten innerhalb der EU zu rechnen. Während die Empfehlung in einigen skandinavischen Ländern bereits stärker berücksichtigt wird, geht die Einführung von BIM in Österreich bisher noch schleppend voran. Abhilfe soll hier die ÖNORM A 6241 schaffen, die am ersten Juli 2015 durch Austrian Standards eingeführt wurde. In einem Phasenmodell werden die Aufgaben aller Beteiligten beschrieben sowie ihre Rollen und Aufgaben definiert. Darüber hinaus wird die technische Umsetzung der Datenerstellung und des Datenaustauschs definiert.
Bisher scheint sich der höhere Planungsaufwand durch BIM zu Beginn der Projektlaufzeit nur bei großen Bauvorhaben zu lohnen, da sich dieser erst durch die lange Gesamtdauer amortisiert beziehungsweise bezahlt macht. Größere Budgets erlauben es den großen Playern in der Bauwirtschaft, projektspezifische Standards zu definieren und vorzugeben. Bei kleineren Bauprojekten steht der Aufwand hierfür jedoch in keiner guten Relation zum voraussichtlichen Effekt. Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen, die sonst oft Motor neuer Entwicklungen sind, kommen daher ins Hintertreffen. Ein wichtiger Schritt für sie könnte die Festlegung allgemeiner Standards sein, wie sie derzeit gerade entwickelt werden. Diese sollen eine gemeinsame Grundlage für Softwareentwickler bilden, um einen reibungslosen Informationsaustausch anhand von BIM-Tools auch ohne enorm aufwendige Vorarbeit zu ermöglichen. Hilfreich für eine erfolgreiche Einführung, auch im niederschwelligen Bereich wäre außerdem ein detaillierter Bauteilkatalog mit integrierten Bauteilinformationen, der als digitaler Datensatz allen frei zur Verfügung steht.
Zum Autor Thomas Gamsjäger: studierte Architektur an der TU Wien, an der er seit 2008 als externer Lehrbeauftragter und seit 2014 als Assistent tätig ist. Während des Studiums und durch seine Tätigkeit in verschiedenen Architekturbüros (u.a. bei BWM Architekten) eignete er sich durch sein besonderes Interesse an der IT ein spezifisches Fachwissen an und gründete 2014 seine Beratungsfirma netm. Neben vielen anderen Aktivitäten unterstützt er seitdem sowohl junge als auch bereits etablierte Planungsbüros beim Finden maßgeschneiderter und auf ihren Tätigkeitsbereich ausgelegter IT-Lösungen. |