Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Martin Hagleitner, Vorstand der Austria Email AG, über wenig aussagekräftige Energielabels, gewollte und ungewollte Auswirkungen politischer Maßnahmen und die Mitschuld der Hersteller an der Verunsicherung der Bevölkerung.
Report: Seit September wird die Energieeffizienz von Warmwasserbereitern und Heizkesseln mit neuem Energiepickerl nach der Eco-Design-Richtlinie ausgewiesen. Sie haben dieses Energielabel immer wieder kritisiert. Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?
Martin Hagleitner: Die Aussagekraft eines Labels ist sehr begrenzt. Für Waschmaschinen oder Kühlschränke mag eine gewisse Aussagekraft gegeben sein, aber gerade bei Warmwasserbereitung oder Heizung sind ganz andere Dinge entscheidend. Da geht es vielmehr um den Wärmeerzeuger oder den Gebäudezustand. Kritisch ist auch, dass das Label nichts über den tatsächlichen Energieverbrauch aussagt, sondern nur über gemessene Standardbedingungen.
Report: Hat das nicht auch eine gewisse Aussagekraft?
Hagleitner: Nur bedingt. Die Grundidee der EU war, mit einer Universalformel sämtliche Wärmeerzeuger unter Standardbedingungen auf einen Nenner zu bringen. Und das, obwohl die Mitgliedsstaaten vom Energiemix, den klimatischen Bedingungen und den Gebäudevoraussetzungen sehr unterschiedlich sind. Entscheidend wäre aber vielmehr der tatsächliche Energieverbrauch und der Einfluss auf die Betriebskosten. Und darüber sagt das Label nichts aus.
Report: Am 14. Februar war Stichtag für die Einreichungen der Einsparmaßnahmen im Rahmen des Energieeffiziengesetzes. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie?
Hagleitner: Es ist im Sinne von Industrie, Wohnungswirtschaft und Steuerzahler zu hoffen, dass das Gesetz nicht der nächste Durchläufer wird, der das Wohnen noch teurer macht. Ziel muss sein, dass es tatsächlich zu den Einsparungen und nicht zu Ausgleichszahlungen kommt, die dann wieder bei Mieter und Vermieter landen.
Report: Sehen Sie darin für Ihre Branche auch neue Geschäftsfelder?
Hagleitner: Wir sehen das Potenzial und erwarten uns schon eine gewisse Vertriebsunterstützung. Es gibt auch noch enormes Aufklärungspotenzial. Drei Viertel der Bevölkerung haben keine Ahnung, wie sich Heiz- und Betriebskosten zusammensetzen und dass zwei Drittel der Anlagen veraltet sind. Und es wird nach wie vor geglaubt, dass man mit LED-Lampen oder der Sparfunktion beim Geschirrspüler große Einsparungen erzielen kann. In Wahrheit entfallen aber 90 Prozent des Energieverbrauchs auf Warmwasser und Heizung. Ich hoffe außerdem, dass nicht zuletzt durch dieses Gesetz die Sanierungsrate, die in den letzten Jahren auf ein Prozent abgestürzt ist, wieder in Richtung drei Prozent angehoben wird.
Report: Welche Auswirkungen wird die wiederholte Kürzung des Sanierschecks haben?
Hagleitner: Es ist aus meiner Sicht ein Skandal, dass der Sanierscheck gekürzt wird. Natürlich können und müssen Förderungen und Doppelgleisigkeiten geprüft und geschärft werden, aber dann müsste es zusätzliche Investitionsanreize geben. Und da hat die Steuerreform leider gar nichts gebracht. Diese Kombination ist fatal. Es besteht auch die Gefahr, dass der Sanierscheck immer mehr in Richtung umfassender Sanierungen geht. Dabei ist allgemein bekannt, dass Teilsanierungen mit einem Viertel der Kosten drei Viertel der Energieeinsparungen ermöglichen. Wer das Geld für eine Vollsanierung in die Hand nimmt, wird das nicht von dem Sanierscheck abhängig machen. Da ist die Gefahr sehr groß, lediglich Mitnahmeeffekte zu erzeugen.
Report: Wie wirken sich Ihrer Meinung nach die aktuell niedrigen Energiepreise auf die Saniertätigkeit aus?
Hagleitner: Das hat einen starken Einfluss. Wir haben die Kombination aus milden Wintern, historisch tiefen Energiepreisen und einem veralteten, aber funktionierenden Anlagenbestand. Dazu kommt eine große Verunsicherung in der Bevölkerung, an der Hersteller und Medien nicht ganz unschuldig sind. Jede Woche wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Einmal geht die Biomasse über alles, dann schreit alles nach Photovoltaik und dann heißt es, die Fernwärme ist das Beste und Effektivste. Damit haben wir leider die besten Voraussetzungen, dass Investitionen aufgeschoben werden.
Es ist auch viel Psychologie im Spiel. Wenn schon Wachstumsimpulse angekündigt werden, dann wäre es hilfreich, zu sagen, welche das sein werden. Sehr aussagekräftig ist auch, dass in Deutschland etwa 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung aus dem Sanierungsbereich kommen, in Italien über vier Prozent und in Österreich kümmerliche 1,5 Prozent. Und das liegt leider nicht daran, dass wir so einen tollen Gebäudebestand am neuesten Stand der Technik haben.
Report: Wie bewerten Sie aktuell die Stimmung bei den Endkonsumenten?
Hagleitner: In Anbetracht der Nachrichtenlage und dem verloren gegangenen Vertrauen in die Regierung ist die Stimmung relativ gut. Das haben die Messen der letzten Wochen gezeigt.
Report: Und wie ist die Stimmung bei Großkunden wie Bauträgern?
Hagleitner: Im Objektgeschäft ist der Preisdruck enorm. Und leider wird den Objektkunden sowohl von Herstellern als auch vom Handel oftmals suggeriert, dass er jede Einkaufsmacht hat und der Preis die ultimative Ratio ist.
Report: Sie sind seit Mai letzten Jahres auch im Aufsichtsrat der Vienna Estate Immobilien AG. Wie bewerten Sie aktuell den Wiener Immobilienmarkt?
Hagleitner: Der Wiener Wohnungsmarkt ist nach wie vor von einer steigenden Nachfrage geprägt. Die Preise sind stabil oder steigen je nach Lage zum Teil sogar noch weiter an. Das zeigt, dass es zu wenig Angebot gibt. Wir brauchen Neuflächen, aber es wird auch unumgänglich sein, den Bestand zu verbessern. Dafür müssen Anreize geschaffen werden. Aber mit Eingriffen in das Mietrecht, Änderungen von Abschreibungszeiträumen und neuen Belastungen passiert genau das Gegenteil. Bevor man weiter mit ordnungsrechtlichen Eingriffen arbeitet, sollte man lieber Anreize schaffen und die Planungssicherheit verbessern.
Report: Was erwarten Sie sich von der geplanten Wohnbauoffensive des Bundes?
Hagleitner: Die Ankündigung der Wohnbauoffensive ist sehr gut. Aber natürlich reden wir hier von einer sehr zeitversetzten Wirkung. Außerdem höre ich hinter vorgehaltener Hand von Bauträgern, dass man sich davon keine allzu großen Impulse erwartet und eher davon ausgeht, dass nur geplante und bereits budgetierte Maßnahmen neu verpackt werden.