Donnerstag, November 21, 2024

Corona und die Auswirkungen auf den Ölpreis und den Klimaschutz

Neben der Berichterstattung rund um die Coronakrise gehen „normale“ Themen derzeit etwas unter. Doch eine Meldung erregte Aufsehen: Der Ölpreis fiel ins Bodenlose, genauer gesagt Rohöl wurde an der New Yorker Börse negativ gehandelt.

Wie kam es zu den negativen Preisen für Rohöl?

Angebot und Nachfrage sind die Zauberwörter. Im März eskalierte bereits der Streit zwischen Saudi Arabien und Russland wegen der Produktionsraten. Grundsätzlich steuern die OPEC- und OPEC+-Staaten die Ölproduktion um möglichst stabile Preise zu erzielen. Saudi Arabien versuchte nach den gescheiterten Verhandlungen im Alleingang den Ölmarkt mit billigem Öl zu fluten. Da der Staat auf den zweitgrößten weltweiten Reserven nach Venezuela sitzt, war die Annahme den Preiskrieg am längsten aushalten und letztendlich die Vorherrschaft am Weltmarkt übernehmen zu können. Zur gleichen Zeit wurde in den USA weiterhin massiv die Förderung von Schieferöl vorangetrieben. Die Produktionsraten erreichten Ende Februar 2020 ihr Allzeithoch. Da die Ölfirmen in den letzten Jahren entsprechend investiert hatten, wollten sie die Produktion auch nicht drosseln.

Und dann kam das Corona-Virus

Der weltweite „Lock down“ betraft fast alle Nationen zur gleichen Zeit. Überall sank die Nachfrage nach fossilen Energieträgern drastisch, denn die Produktionskapazitäten wurden heruntergefahren, dementsprechend ging der Güter- und Personenverkehr zurück. Die Flugindustrie steht fast still und der weltweite Warenverkehr läuft auf Sparflamme.

Anfang April haben sich zwar Russland und Saudi Arabien mit einer Gruppe von knapp 20 weiteren Staaten auf Produktionsmengen geeinigt. Da in der Zwischenzeit keine Lagerkapazitäten für die produzierten Ölmengen mehr frei sind und die Nachfrage noch immer nicht da ist, fällt der Preis. Am 20. April 2020 rutschte der Preis für Rohöl sogar in den negativen Preisbereich. Das heißt, Sie würden mittlerweile sogar Geld erhalten, wenn Sie Rohöl kaufen. Quelle: https://www.cnbc.com/2020/04/21/oil-traders-have-never-seen-insane-market-like-this-before-fear-more-declines-to-negative-prices.html

Was bedeutet das für die Zukunft nach Corona?

Ich sehe in dieser Entwicklung eine große Gefahr für alle Aktivitäten, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Wir konnten in den letzten Wochen wunderbar sehen, wie sich die Luft- und Wasserverschmutzung drastisch reduziert hat. Viele Tierarten eroberten den besiedelten Raum zurück und sogar die Pandas im Hong Konger Zoo hatten nach zehn Jahren endlich wieder Lust auf Sex, da sie niemand mehr beobachtete. Quelle: https://www.independent.co.uk/news/world/asia/pandas-coronavirus-mating-baby-breeding-ocean-park-zoo-hong-kong-a9453976.html

Wenn jetzt diverse Populisten darauf drängen, die Umweltschutzmaßnahmen zu reduzieren, damit der „Wiederaufbau“ gefördert werden könne, läuten bei mir die Alarmglocken.

Machen wir alles gleich, wie vor der Coronakrise, dann wird es nachher umso schlimmer. Wenn man von einem „Wiederaufbau“ spricht, sollte man diesen auch richtig machen. Keiner würde auch ein zerstörtes Haus mit veralteter Technik wieder aufbauen. So muss es sich auch mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft verhalten. In diesem Zusammenhang ist der niedrige Ölpreis eine riesige Gefahr. Sollten die Preise für Rohöl und dementsprechend für alle damit zusammenhängenden Produkte niedrig bleiben, gibt es wenig monetären Anreiz Ressourcen einzusparen, in nachhaltige Technologien zu investieren und neue Ideen zum Klimaschutz voran zu treiben.

Das ist die monetäre Perspektive, wie wir sie bisher kannten. Da es leider bis dato keine wirksame Besteuerung von CO2 gibt, ist die Gefahr groß, dass wir diese Chance verpassen. In diesem Moment werden jetzt einige Leserinnen und Leser aufschreien: „CO2-Steuer – die Gefahr für die Wirtschaft.“ Das bringt mich zum nächsten Punkt.

Corona und die Klimakrise

Hätten wir die Klimakrise so stringent behandelt wie der Gefahr durch das Corona-Virus, wären wir heute nicht an der Grenze zur Klima-Apokalypse. Die Wortwahl ist drastisch, aber sie ist notwendig. Wir in Österreich leben ziemlich im gelobten Land. Wenn mal wieder Überschwemmungen, Felsstürze oder Trockenperioden auftreten, wird das lapidar als üblich abgetan und nicht zwangsläufig mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Sicherlich hat es diese Phase schon immer gegeben, aber die Dauer, Häufigkeit und Ausprägung haben sich verändert.

Dazu kommt noch das Floriani-Prinzip: Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!“

Wenn in Indonesien und Australien ganze Landstriche verbrennen, der Permafrostboden in Russland auftaut oder knapp hundert Millionen Leute in Bangladesch von steigenden Meeresspiegeln betroffen sind, schaltet man auf einen anderen Kanal und denkt über die nächste Skisaison nach.

Dass Ihr und mein Verhalten darauf Auswirkung haben, ist unangenehm. Richtig, aber das müssen wir aushalten. Wir können uns nicht über das Sterben der Einzelhändler in Österreich beklagen und dann alles möglichst günstig aus China oder sonst wo in Fernost beziehen, wo die Umwelt- und Arbeitsrechtstandards ignoriert werden. Ich weiß, das ist alles bekannt. Doch seien Sie ehrlich, wie oft bestellen Sie schnell etwas bei Amazon anstatt sich die Mühe zu machen einen lokalen Anbieter zu suchen?

Die CO2-Steuer ist dringender denn je

Ich weiß wie schwierig es ist, lokale, umweltfreundliche und fair produzierte Artikel zu bekommen. Und dann sind diese Produkte häufig noch um ein Vielfaches teurer! Doch woran liegt das?

Die wahren Kosten für die Umweltverschmutzung und für anständige Arbeitsbedingungen sind nicht eingepreist. Wir konsumieren auf Kosten anderer. Daher ist eine CO2-Steuer dringend notwendig. Damit werden die negativen Effekte eingerechnet und wir nähern uns der Kostenwahrheit an. Damit erhalten lokale Anbieter, die sich jetzt schon Gedanken machen, vergleichbare ja sogar bessere Bedingungen.

Der Kunde hat Einfluss darauf, unsere Politikerinnen und Politiker sind aber auch in der Pflicht. Es braucht rechtliche Rahmenbedingungen. Die CO2-Steuer ist beispielsweise so eine Maßnahme. Aber weitere strategische Überlegungen, wie etwa bei der Versorgungssicherheit von Staaten, sind notwendig und müssen umgesetzt werden. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass die freie Hand „des Marktes“ fatal sein kann. Aus Kostengründen wurde nämlich die Produktion von Medikamenten und Schutzausrüstungen in den letzten Jahren nach Asien verlegt. Das führt jetzt zu irrwitzigen Auswüchsen.

Freiwilligkeit funktioniert leider nicht

In der Corona-Krise wurde auch ein weiterer wichtiger Fakt deutlich: Wenn die Maßnahmen halbwegs nachvollziehbar erklärt werden, versteht ein Großteil der Menschen die Notwendigkeit und hält sich daran. Zudem wurden die Regeln oftmals öffentlich wiederholt, überwacht und eingefordert - notfalls auch mit Bußgeldbescheiden.

Denken Sie an den Straßenverkehr: Warum halten wir uns – zumindest meistens – an die vorgegebenen Tempolimits, Stopp-Tafeln oder Einbahn-Schilder? Die Regeln wurden klar kommuniziert und sollten jedem und jeder mit einem Führerschein bekannt sein. Die Polizei prüft die Einhaltung und bestraft die Nichtbeachtung.

Wie war es bisher bei den Klimagesetzen? Egal ob das Kyoto-Abkommen oder die Pariser Klimaziele, diese Vereinbarungen ziehen keine entsprechenden Strafen nach sich, wenn man die ursprünglich ambitionierten Ankündigungen nicht einmal ansatzweise umsetzt.

Leider regiert auch auf Staatsebene das Floriani-Prinzip und jeder zeigt auf den anderen. Daher ist auch von Seiten der Politik der Willen nötig, wichtige Entscheidungen zu treffen. Ja, dabei wird man es sicher nicht recht machen können. Wir brauchen eine langfristige Strategie, abseits vom kurzfristigen Wiederwahl-Aktionismus. In die Strategiefindung muss die Bevölkerung auf breiter Basis eingebunden werden, dann können auch schwierige Entscheidungen erklärt und umgesetzt werden.

Was ist die Alternative? Wenn wir nicht endlich aufwachen und wegkommen von den großen Ankündigungen, hin zur tatsächlich ambitionierten Umsetzung, dann war Corona unser kleinstes Problem.

Nutzen wir den 24. April 2020

Ich bin überzeugt, dass es sowohl die Aktionen jedes Einzelnen als auch einen übergeordneten politischen Rahmen braucht. Damit können Sie und ich gleich anfangen: Am Freitag, den 24. April 2020, findet der globale Klimastreik statt. Normalerweise gehe ich an diesem Tag protestieren, diesmal findet diverse Onlineaktionen statt, die ich unterstützen werde. Quelle: https://fridaysforfuture.at

Nutzen wir diesen Tag um ein klares Zeichen zu setzen: Sie, ich, Ihr Nachbar, mein Nachbar und auch unser Bundeskanzler – wir alle müssen unsere Hausaufgaben machen und diese auch tatsächlich umsetzen.

Es beginnt im Kleinen: Wir arbeiten zum Beispiel in unserem Unternehmen derzeit an einer Aufstellung der CO2-Emissionen (GHG-Protocol) um daraus konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung abzuleiten. Seit 2016 sind wir bereits mit einem Elektrofahrzeug unterwegs, das ab heuer von der eigenen PV-Anlage gespeist wird. Die SDG-Richtlinie (Sustainable Development Guidelines) der UNO bildet unsere Handlungsmaxime. Quelle: https://www.buchingerkuduz.com/de/buchingerkuduz/nachhaltigkeit-sdg/ 

Die derzeitige Coronakrise hat mir privat auch gezeigt, wie wenig man braucht. Die Gemüsekiste vom Bauern aus dem Inntal ist mein Highlight der Woche. Zu Ostern haben die Nachbarn Selbstgebackenes ausgetauscht und man freut sich über ein ehrliches Gespräch mit Freunden. Das österreichische Versorgungssystem wusste ich schon zuvor zu schätzen, nachdem mein Vater mit Covid19 ins UKH Graz eingeliefert wurde war ich einmal mehr dankbar. Ich weiß wie beklemmend die derzeitige Situation für viele ist und ich habe als Unternehmerin auch schlaflose Nächte. Dennoch ist die Zeit für Veränderungen besser denn je und ich will nicht auf das nächste Virus warten.

#RestartThinking

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