Fast 2.000 Arbeitnehmer:innen haben an unserer Österreich-Studie zu mobilem Arbeiten "nach" der Pandemie mitgewirkt. Im Zug der Studie haben wir 12 Freiheitsgrade untersucht, die durch Arbeitgeber am mobilen Arbeitsplatz eingeräumt werden – oder eben auch nicht.
Hier geht es jetzt um das Thema "Arbeitsunterbrechung im Homeoffice oder einem anderen mobilenArbeitsplatz". An bestimmten Tagen und aufgrund bestimmter Anlässe oder Verantwortungen ist es einfach besonders wichtig, Arbeit und Privatleben besser verschränken zu können; es geht also um Vereinbarkeit im allerengsten Sinne. Zwei Dinge sind hierfür essentiell: Die grundsätzliche mobile Arbeitsmöglichkeit sowie – und hier kommen wir auf den ausschlaggebenden Punkt – an solchen Tagen, am mobilen Arbeitsplatz die Arbeit länger unterbrechen zu können, und zwar am Stück oder in Summe über den Tag. Hierfür ein paar Beispiele:
- Wenn ein krankes Kind zu beaufsichtigen ist und der Urlaub inklusive Pflegeurlaub bereits verbraucht wurde und keine "Nanny" kurzfristig organisiert werden kann.
- Für die Pflege von Angehörigen gilt das ähnlich, gerade wenn zum Beispiel die Pflegekraft kurzfristig ausfällt.
- Einen Arzttermin (für sich selbst oder für das eigene Kind) zu Zeiten wahrnehmen zu können, an denen die Patient:innenfrequenz niedrig ist und Wartezeiten minimal sind.
- Stundenweiser Einsatz bei einer gemeinnützigen Einrichtung, z.B. freiwillige Feuerwehr.
- Ein Behördengang zu erledigen, weil restriktive Öffnungszeiten dies erfordern oder Stoßzeiten vermieden werden können.
- Nicht spontan, aber vielleicht regelmäßig: Für sportliche Tätigkeiten den Arbeitstag temporär zu unterbrechen.
- Eine Handwerkerin oder einen Handwerker im Haus oder in der Wohnung zu haben und in dieser Zeit seine oder ihre Arbeiten zu beaufsichtigen (oder mitzuhelfen) und hierfür den eigenen Job fairerweise in dieser Zeit zu pausieren.
Deshalb haben wir die Teilnehmer:innen der Studie gebeten auf einer fünfstufigen Skala (Nie, Kaum, Gelegentlich, Häufig, Immer) anzugeben, in welcher Form die nachfolgende Aussage auf sie zutrifft: "Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, meine Arbeit bei Bedarf auch länger zu unterbrechen."
Ergebnis
Allerdings zeigt die Befragung, dass beinahe zwei Drittel (65%) der Arbeitnehmerschaft keinen Zugang zu dieser Möglichkeit haben. D.h., dass sie nie, kaum oder nur gelegentlich den Arbeitstag am mobilen Arbeitsplatz unterbrechen dürfen. Das Positive ist, dass immerhin bereits 35% der Arbeitnehmer:innen ständig oder häufig gestattet wird, den Arbeitstag für längere Zeit am mobilen Arbeitsplatz zu unterbrechen.
Mögliche Ursachen, Hintergründe und Ansatzpunkte für Veränderung
Der Zugang zu dieser für Vereinbarkeit wichtigen Flexibilitätsoption ist für Arbeitnehmer:innen also noch sehr beschränkt. Was können die Ursachen und Hintergründe sein, die dazu führen, dass längere Arbeitsunterbrechungen am mobilen Arbeitsplatz nicht möglich sind oder nur unter schwierigen Umständen:
- Eine Regelung in der Policy für mobiles Arbeiten untersagt explizit längere Arbeitsunterbrechungen. Hiermit sind nicht reguläre Pausen gemeint, sondern Unterbrechungen von ein, zwei, drei oder mehr Stunden mitten am Arbeitstag.
- Es gibt keine Regelung dazu und die jeweilige Vorgesetzte oder der jeweilige Vorgesetzte verlangt auch das Durcharbeiten am mobilen Arbeitsplatz – natürlich unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen.
- Es gibt eine Regelung im Unternehmen, die längere Arbeitsunterbrechungen erlaubt, aber die jeweilige Führungskraft blockiert diese Regelung und verlangt das gegenteilige Verhalten. Das kann explizit erfolgen oder auch implizit, indem eine Führungskraft genau in diesen Off-Zeiten Kontakt mit Mitarbeiter:innen aufnimmt oder sogar kurzfristig zu erledigende Aufgaben verteilt. Denn es sollte davon ausgegangen werden, dass längere Arbeitsunterbrechungen vorher abgesprochen und/oder im elektronischen Kalender vermerkt wurden (zwecks Transparenz und Koordination). Dies ermöglicht es einer Führungskraft, genau diese Zeiten dann gezielt zu unterminieren, sollte die Absicht tatsächlich bestehen.
Welche Voraussetzungen werden möglicherweise geschaffen oder herrschen in Betrieben vor, in denen es hingegen möglich ist, einen mobilen Arbeitstag länger zu unterbrechen:
- Eine explizite Regelung in der Policy für mobiles Arbeiten erlaubt dies. Es kann davon ausgegangen werden, dass Unternehmen die in ihrer Unternehmenspolitik besonders ausgeprägt auf Vereinbarkeit setzen, diesen Weg gehen und diesen Freiheitsgrad nicht nur zulassen, sondern die Nutzung einer solchen Option fördern. Rahmenwerke, wie "Beruf & Familie" sowie "Great Place to Work" fördern Unternehmensinitiativen in diese Richtung.
In Unternehmen mit Kernarbeitszeit wird diese für den mobilen Arbeitsplatz aufgehoben. Damit werden längere Arbeitsunterbrechungen einfach möglich.
- Es gibt keine Regelung dazu. Wenn jedoch die jeweilige Vorgesetzte oder der jeweilige Vorgesetzte längere Arbeitsunterbrechungen duldet, kann sich eine solcher Usus über die Zeit etablieren.
- Der Betrieb untersagt längere Arbeitsunterbrechungen, aber die jeweilige Führungskraft handhabt diesen Punkt entgegen der bestehenden Unternehmensregelung. Dieser Weg ist aber schwierig einzuschlagen, da über die Arbeitszeitaufzeichnung volle Transparenz hinsichtlich der Arbeitszeiten besteht und hier die Geschäftsführung oder das Personalmanagement schnell eingreifen würde. Ein No-Go ist, die Mitarbeiter:innen aufzufordern (oder es zu dulden), die Arbeitszeitaufzeichnungen zu fälschen, indem längere Arbeitsunterbrechungen in der Aufzeichnung verschleiert werden. Wir erwähnen dies, da zu befürchten ist, dass diese Flexibilitätsoption für Arbeitnehmer:innen so einen hohen Stellenwert besitzt, dass diese Praxis in Betrieben tatsächlich vorkommen könnte. Die wissenschaftliche Evidenz für die Existenz oder Häufigkeit einer solchen Praxis fehlt uns jedoch. Derzeit handelt es sich um eine reine Vermutung.
Über das Forschungsprojekt
Die Studie wurde als gemeinsames Forschungsprojekt der FH des BFI Wien und der IMC FH Krems durchgeführt. Das Forschungsteam: Laura Dörfler (FH des BFI Wien), Michael Bartz (IMC FH Krems), Christopher Schwand (IMC FH Krems), David Strauß (FH des BFI Wien). Finanziert wurde einjährige Forschungsvorhaben vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Wien.
Den Originalartikel vom 20. April 2022 und weitere Informationen zur Blog-Reihe anlässlich der Österreich-Studie finden Sie unter newworldofwork.wordpress.com/2022/04/20/zwei-oder-drei-stunden-privates-im-homeoffice