Sonntag, Dezember 22, 2024

Mein Office ist überall

Im Zug einer Studie Österreich-Studie zu mobilem Arbeiten "nach" der Pandemie wurden Freiheitsgrade untersucht, die durch Arbeitgeber am mobilen Arbeitsplatz eingeräumt werden. Einer der untersuchten Freiheitsgrade betrifft die Möglichkeit, nicht nur zuhause mobil arbeiten zu können, sondern an beliebigen Orten. Die Umsätze von Airbnb boomen ja deswegen.

Das Homeoffice-Gesetz, das in der ersten Fassung in Österreich erlassen wurde, schränkt das mobile Arbeiten auf das Homeoffice als Arbeitsort ein (mit ein paar wenigen Alternativen). In Zeiten der Pandemie stellt das auch kein Problem dar. Mit der Rückgewinn der Bewegungsfreiheit nach dieser Zeit stellt dieses Konstrukt jedoch in einem großen Teil der Betriebe und ihre Arbeitnehmer:innen einen Rückschritt dar. Hier war bereits vor der Pandemie das mobile Arbeiten nicht auf das Homeoffice beschränkt. Welche alternativen mobilen Arbeitsorte sind für Arbeitnehmer:innen durchaus relevant oder wurden vor der Pandemie bereits regelmäßig oder häufig als mobiler Arbeitsplatz genutzt. Hier ein paar Beispiele:

- Co-Working-Space in unmittelbarer Nähe, weil die Bedingungen zuhause nicht optimal sind (Unruhe/Lärm, keine ausreichende Internetanbindung, etc.). Dies betrifft städtische und ländliche Gebiete, wie zum Beispiel die Dorfoffice Initiative im Land Niederösterreich zeigt,

- Kaffeehaus oder ein Work Café,

- Eine über mehrere Wochen oder Monate angemietete Location im Inland oder Ausland für Remote Working alternativen Umgebungen, z.B. im Winter in Spanien; Wie schon angedeutet: Airbnb konnte sogar während der Pandemie durch diesen Trend Umsatzwachstum erzielen.


Da mit dem Auslaufen der Pandemie die freie Wahl des Arbeitsortes de facto wieder möglich sein wird, habe wir untersucht, wie viele Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit haben, diese Option dann auch tatsächlich zu nutzen.

Wir haben in unserer Untersuchung dieses Thema mit zwei, sehr ähnlichen Items in unserer Fragenbatterie abgedeckt. Unsere Fragestellung bezog sich explizit alternative Orte zum Homeoffice, da Homeoffice sich im Zuge der Pandemie zu einem gesetzten Begriff entwickelt hat. Dieser Fragestellung haben wir dann ein Item aus einer Vorstudie an der Universität Wien (Treppe, 2015) hinzugefügt, da wir an einer Wiederholung der Untersuchung interessiert waren. Die zwei Items lauteten:

- Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, auch an anderen Orten als nur im Homeoffice mobil zu arbeiten.

- Und dies ist das Item aus der Vorstudie an der Universität Wien: Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, meinen Arbeitsort zu wechseln, sodass er an meine persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse angepasst ist.


Um zu verstehen, ob und wie gut für Arbeitnehmer:innen in Österreich Zugang zu diesem Freiheitsgrad besteht, haben wir die Teilnehmer:innen der Studie gebeten auf einer fünfstufigen Skala (Nie, Kaum, Gelegentlich, Häufig, Immer) anzugeben, in welcher Form die zwei Aussagen auf sie jeweils zutreffen.

Ergebnis

Die Ergebnisse für beide Items liegen sehr nah beieinander: 59% gaben an, an anderen Orten als dem Homeoffice mobil arbeiten zu dürfen. Entsprechend waren es 41% der ArbeitnehmerInnen, die über diese Option nicht verfügen. Bei der zweiten Frage waren es 62%, die den Arbeitsort nach persönlichen Vorlieben wechseln können. Und entsprechend besteht für 38% der ArbeitnehmerInnen die Möglichkeit nicht.

Mögliche Ursachen, Hintergründe und Ansatzpunkte für Veränderung:

Diesen Freiheitsgrad – also das mobile Arbeiten außerhalb des Homeoffice – zuzulassen ist angesichts der ersten Fassung des Homeoffices-Gesetzes für Unternehmen nicht unproblematisch. Denn dies erfordert die Einrichtung von zwei Buchungskreisen im Zeiterfassungssystem, und zwar für Arbeitszeiten im Homeoffice und für Arbeitszeiten an anderen mobilen Arbeitsplätzen (außerhalb des Firmenbüros). Auf diesem Weg kann der Betrieb der gesetzlichen Verpflichtung zur Dokumentation von Homeoffice-Tagen nachkommen und zugleich den zusätzlichen Freiheitsgrad bieten, auch an alternativen Ort mobil arbeiten zu können.

Aus betrieblicher Sicht entscheiden sich Unternehmen möglicherweise aus folgenden Gründen gegen eine freie Wahl des mobilen Arbeitsortes:

- Der Arbeitgeber möchte den oben beschriebenen zusätzlichen Aufwand vermeiden, ein komplexeres Buchungssystem einzuführen (zwei Buchungskreise, siehe oben), und lässt deswegen ausschließlich das Arbeiten im Homeoffice zu.

- Getrieben durch die Befürchtung, die Kontrolle zu verlieren, lassen Vorstand oder Geschäftsführung nur das Arbeiten im Homeoffice zu. Der oben erwähnte administrative Zusatzaufwand wird in diesem Fall gegebenenfalls als Vorwand vorgeschoben.

Welche Konstellation führen im Betrieb dann letztendlich zu einer flexiblen Wahl mobiler Arbeitsorte:

- Der Arbeitgeber erlaubt explizit die freie Wahl des mobilen Arbeitsplatzes und trifft auch die entsprechenden administrativen Vorkehrungen dafür (zwei Buchungskreise).

- Arbeitgeber lässt nur das Arbeiten im Homeoffice zu. Einzelne Führungskräfte dulden aber das Arbeiten an alternativen Orten. Das ist ein sehr risikoreiches Vorgehen. Risikoreich ist womöglich ein zu milder Begriff dafür, da es einen klaren Verstoß gegen betriebliche Vorschriften darstellt mit möglicherweise durchaus schwerwiegenden Konsequenzen (Arbeitsunfall, Fehler in der gesetzlich geforderten Dokumentation von Homeoffice-Tagen)


Mit dem Auslaufen aus der akut-pandemischen Phase wird dieses Thema zunehmend an Relevanz für Arbeitnehmer:innen gewinnen. In Folge wird sich eine steigende Zahl von Unternehmensführungen der Frage stellen müssen, ob das Festhalten an einer restriktiven Regelungsvariante weiterhin zielführend ist. Was bei der Entscheidung, diesen Freiheitsgrad möglicherweise zu erhöhen, hilft, ist die Tatsache, dass über die Zeit die Organisation auf der Lernkurve voranschreitet und zum Beispiel anfängliche Ängste oder Befürchtungen bezüglich Kontrollverlust im Führungsteam sich oft über die Zeit zerstreuen. Das macht es zunehmend einfacher, nach und nach in kleinen Dosen zusätzliche Freiheitsgrade zuzulassen.

Über das Forschungsprojekt

Die Studie wurde als gemeinsames Forschungsprojekt der FH des BFI Wien und der IMC FH Krems durchgeführt. Das Forschungsteam: Laura Dörfler (FH des BFI Wien), Michael Bartz (IMC FH Krems), Christopher Schwand (IMC FH Krems), David Strauß (FH des BFI Wien). Finanziert wurde einjährige Forschungsvorhaben vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Wien.

Den Originalartikel vom 31. Mai 2022 und weitere Informationen zur Blog-Reihe anlässlich der Österreich-Studie finden Sie unter newworldofwork.wordpress.com/2022/05/31/mein-office-ist-uberall

Bild: https://unsplash.com/photos/7rXu_HJO9D8, http://www.unsplash.com

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