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Ein Beitrag von Torsten Boch.
In der Welt der Informationstechnologie spricht man schon seit längerem von der „Industrialisierung“. Gemeint ist damit, die analoge Anwendung von Verfahren, die im letzten Jahrhundert in der Industrie erfolgreich angewendet wurden, um Effizienz und Effektivität zu steigern. Dabei ging es im Wesentlichen um folgende Grundkonzepte:
- Produktorientierung: Alle Aktivitäten werden gesamtheitlich ausgerichtet, so dass Leistungen als definierte Produkte erbracht werden können. Auf diese Weise ist dem Kunden bekannt, was er vom Hersteller erwarten darf und der Hersteller weiß, was er dem Kunden liefern muss.
- Standardisierung: Die Leistungserbringung folgt wohl definierten Abläufen und verwendet festgelegte Materialien und Werkzeuge. Die damit erzielte Wiederholbarkeit in Bezug auf Funktion und Qualität sorgt für Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit.
- Portfoliomanagement: Angebotene Leistungen werden in Produktportfolien bedarfsgerecht verwaltet und nach festgelegten Regeln abgerechnet. Aktives Management der Produkte und Portfolien erlaubt die Befreiung von ungenutztem Ballast und die Optimierung auf veränderte Kundenbedürfnisse.
- Leistungserstellung: Alle Aufgabenstellungen zur Bereitstellung, Sicherstellung und Rücknahme von Leistungen werden aufeinander abgestimmt und übergreifend koordiniert. Dadurch „weiß die linke Hand was die rechte tut“, so dass kostspielige Missverständnisse und Betriebsstörungen vermieden werden können.
- Fertigungstiefe: Der zunehmenden Komplexität zu erbringender Leistungen wird durch vollständige oder teilweise Delegation an Zulieferer entgegengewirkt. Am Markt verfügbare Komponenten oder Produkte lassen sich auf diese Weise als „Commodity Service“ wirtschaftlich und beherrschbar in das eigene Produktportfolio einbinden.
Trotz solcher Optimierungen müssen IT-Organisationen zusehen, wie die von den Fachbereichen geforderten Leistungen immer zahlreicher und vielschichtiger werden. Mit dem Grundsatz „Eigentümer aller Systeme“ zu sein, stoßen sie an ihre Leistungsgrenzen und wirken zunehmend als „Verhinderer“ – mit gravierenden Konsequenzen für die Akzeptanz. Ihre Kunden flüchten in die Selbsthilfe und implementieren geschäftseigene Technologien.
Geschäftseigene Technologie
Unter geschäftseigener Technologie sind alle Aspekte eines weiterentwickelten Selbstverständnisses der Anwender zu verstehen, mit der Informations- und Kommunikationstechnologien für die zu lösenden Anforderungen eigenmächtig herangezogen und adaptiert werden. Cloud und SaaS (Software-as-a-Service) Angebote erlauben es Fachabteilungen zunehmend, Lösungen selbst auszuwählen und in Betrieb zu bringen, ohne die IT-Organisation einzubinden. Im Endeffekt führt dies zu einer „Schatten-IT“ (Shadow IT), einer zunehmenden Dezentralisierung der IT, die zwar zu einer erhöhten Flexibilität und Produktivität der Anwender führt, jedoch auch steigende Zersplitterung und Kosten mit sich bringt.
Forrester Research hat dieses neue Technologiezeitalter bereits im Januar 2011 analysiert und im Forschungsbericht „BT 2020: IT’s Future In The EmpoweredEra“ zusammengefasst. Die Analysten sprechen in diesem Zusammenhang von „Empowered Business Technology“ – was wir an dieser Stelle mit „Geschäftseigene Technologien“ übersetzen wollen.
Die Analysten sehen klare Hinweise, dass sich in den nächsten 10 Jahren das Zusammenspiel unter Anwendern, Technologie sowie der IT-Organisation deutlich verändern wird. Drei wesentliche Kräfte werden danach die Dringlichkeit von Geschwindigkeit und Flexibilität erhöhen, den Status Quo einer heutigen IT-Organisation zum Einsturz bringen und das neue Modell manifestieren:
- Technologien, die zunehmend einfacher am freien Markt beziehbar sind
- Technikerfahrene Abteilungsleiter und ihre Mitarbeiter, die in der Lage sind, benötigte Lösungen selbst zu bewerten, zu beschaffen und zu betreiben
- Umwälzende Veränderungen in Wirtschaft und Umwelt
Die Analysten bei Forrester folgern daraus, dass sich Organisationen neu orientieren müssen, um den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden. Sie empfehlen, die Rolle der IT-Organisation neu zu definieren. Eine Rolle in der sie zunehmend mehr koordiniert, führt und überwacht anstatt jede neue Anwendung selbst schultern zu wollen und damit womöglich zu verhindern.
Wege der Transition
Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Veränderungen stellt sich die Frage, wie eine Organisation damit umgehen kann. Wie kann sie die Vorteile von geschäftseigenen Technologien nutzen, ohne jene Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, die zweifelsohne unvermeidbar sind, wenn die Organisation traditionellen Strukturen und Mechanismen folgt?
Forrester hat sich auch mit dieser Fragestellung beschäftigt. Das Analystenhaus erwartet, dass die einer klassischen Denkweise verhafteten Manager zwei naheliegende Konzepte ins Auge fassen werden, um die Koexistenz von Informations- und Geschäftstechnologie in den Griff zu bekommen. Zum einen der Ansatz einer „Industrialisierung der Geschäftstechnologie“, um sie wie gewohnt vollumfänglich kontrollieren zu können. Zum anderen die Strategie, dass „Fachabteilungen ihre eigenen Technologien selbständig implementieren und betreiben“, also quasi eine „eigene IT“ begründen. Gewissermaßen also zwei Extreme, aus Sicht der IT-Organisation salopp gesagt entweder „ich mache das wie gewohnt auf meine Weise“ oder „kümmere dich doch selbst um das, was ihr da wollt“.
Beide Ansätze seien nach Forrester kritisch zu bewerten. Eine Industrialisierung der geschäftseigenen Technologien erhalte das klassische Dilemma aufrecht, dass Fachabteilungen mehr benötigen, als die zentrale IT bereitstellen kann, wogegen eine „Fachbereichs-IT“ zu erhöhten Kosten und einer Zersplitterung der Technologielandschaft sowie der Geschäftsprozesse führt.
Zur erfolgreichen Adaption geschäftseigener Technologien schlägt Forrester dagegen vor, althergebrachte Strategien zu überarbeiten und neue Verfahren zu implementieren, die Fachabteilungen in die Lage versetzen, die von ihnen benötigten Lösungen selbstständig auszuwählen, erfolgreich in Betrieb zu bringen und nachhaltig selbst zu steuern. Die IT Organisation ist nicht mehr wie früher derjenige, „dem die Technologie gehört“, sondern vielmehr eine Beratungsorganisation, die aufklärt, ausbildet, unterstützt, integriert und schließlich aber auch und vor allem fortlaufend über die Einhaltung jener Regeln wacht, die eine Gesamtorganisation benötigt, um Geschäftsprozesse transparent, beherrschbar und wirtschaftlich zu betreiben.
Abgesehen von allen Aktivitäten zur Bereitstellung der „großen Systeme“ – die zweifelsohne in der IT bestens aufgehoben sind – sollte sich das Selbstverständnis einer IT Organisation von dem eines „Technologiewächters“ hin zu dem eines „Technologieführers“ wandeln. Anders als früher „fährt die IT das Auto nicht mehr nur selbst, sondern zeigt auch anderen, wie sie Autofahren können“, so die verständliche Analogie, die Forrester ins Spiel bringt.
Lizenzmanagement im Wandel
Im Angesicht dieses fortschreitenden Wandels muss sich auch das Lizenzmanagement neu orientieren. Die Zeiten, in denen die IT-Organisation vollständige Hoheit über alle Software hatte, die von den Anwendern genutzt werden, sind vorbei. Stattdessen wird es in Zukunft immer mehr darum gehen, Fachabteilungen bei der Beschaffung von geschäftseigenen Technologien in Bezug auf vertragliche Aspekte zu beraten und zu unterstützen. Damit einher geht auch die Sicherstellung von Abläufen, um Vertragskonformität (Compliance) sowie Kostenkontrolle einer eingeführten Technologie sicher zu stellen.
Geschäftseigene Technologien werden von den Anwendern quasi selbst verwaltet. Mithin sind sie es auch, die für die Einhaltung vertraglicher Regelungen primär verantwortlich sind. Das zentrale Lizenzmanagement übernimmt insoweit eine koordinierende und kontrollierende Instanz, die über interne Audits gewährleistet, dass dieser Verpflichtung auch nachgekommen wird. In gewisser Weise ist diese Rollenverteilung mit dem betrieblichen Controlling vergleichbar, das den Fachabteilungen abgestimmte Budgets zuordnet und die Einhaltung dieser finanziellen Spielräume regelmäßig überprüft und den Kostenstellenleitern bei Fragen oder kritischen Situationen hilfreich zur Seite steht.
Fraglos erfordert ein derart verändertes Rollenverständnis nicht nur entsprechend abgestimmte Prozesse, sondern auch angemessen gestaltete Werkzeuge, mit denen diese übergreifende Zusammenarbeit effizient, nachvollziehbar und effektiv abgewickelt werden kann. Die Bilanzierung erworbener und verwendeter Nutzungsrechte sowie die Überwachung und Steuerung dazugehöriger Verträge wird zu einer Aufgabenstellung, die sich durch das gesamte Unternehmen zieht. Die Verflechtung zwischen den dezentralen Technologieeigentümern in den Fachabteilungen sowie den zentralen Technologieeigentümern der IT-Organisation, welche auch für die regelmäßige Überwachung von License Compliance und Corporate Governance verantwortlich zeichnet, begründet die Notwendigkeit einer gemeinsam genutzten Steuerungsplattform.
Workspace Management
Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Zeiten, als Technologie nur von der IT-Organisation bereitgestellt wurde und folgerichtig nur sie für die Verwaltung und Steuerung entsprechender Bestände und Abläufe verantwortlich war, ist der Umstand, dass nun im Grunde die gesamte Organisation gemeinschaftliche Verantwortung für eingesetzte Technologien übernimmt. IT-Managementsysteme müssen damit konsequenterweise als Unternehmenslösung verstanden werden und nicht mehr nur als IT-Spezialanwendung.
Eine solche gemeinschaftliche Technologie-Management-Plattform vernetzt alle Technologieprovider – egal ob in der Fach- oder der IT-Organisation und verzahnt sie mit den jeweiligen Anwendern. Sie sollte aus diesem Grund alle wesentlichen Funktionen zur Sicherstellung und Steuerung der Arbeitsplatzproduktivität unterstützen („Workspace Management“).
Dazu zählen insbesondere die Automation technischer Abläufe für physikalische, mobile und virtuelle Arbeitsmittel, der Service Desk, das Change Management, das Service Request Management, das Asset Management sowie das Vertrags- und Lizenzmanagement. Die Plattform hält organisatorische Stammdaten sowie Bestands- und Bewegungsdaten der in Betrieb befindlichen Systeme vor und stellt diese für zentrales Reporting bereit. Ein gesamtheitliches „Workspace Management“ ist Voraussetzung dafür, dass Effizienz, Transparenz, Effektivität und Kostenkontrolle sichergestellt werden – trotz einer deutlich erhöhten Komplexität, die aus der Konvergenz von industrialisierter IT und geschäftseigener IT resultiert.
Über den Autor
Torsten Boch, Senior Product Manager bei Matrix42
Torsten Boch ist seit 2006 Produktmanager bei Matrix42 im Bereich „Compliance“ mit den Schwerpunkten License, Asset und Contract Management. Davor war er 15 Jahre als Entwickler, Berater und Projektleiter bei verschiedenen Unternehmen für die Gestaltung und den Einsatz von Standardsoftware verantwortlich. Er ist Diplom Betriebswirt mit einer Spezialisierung auf Steuer- und Handelsrecht sowie Bilanzierung und Buchführung.