Tuesday, October 14, 2025

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​Digitale Nachhaltigkeit: Vom Kostenfaktor zum Werttreiber


In der digitalen Transformation galten bisher drei Hauptfaktoren: Kosten, Qualität und Geschwindigkeit. Diese Parameter haben darüber bestimmt, wie Unternehmen planen, entwickeln und betreiben. Doch die Realität hat sich verändert. In einer Welt, die von Klimakrise, Ressourcenknappheit geprägt ist, tritt eine vierte Dimension hinzu: Nachhaltigkeit.

Zwei Perspektiven auf Nachhaltigkeit in der IT
Nachhaltigkeit in der digitalen Welt lässt sich in zwei Dimensionen denken:

1. Sustainability in IT
– Hier geht es darum, die eigene IT-Infrastruktur und Softwareentwicklung so ressourcenschonend wie möglich zu gestalten. Das bedeutet zum Beispiel: Rechenzentren nur so stark zu belasten, wie es wirklich nötig ist, Programme schlank und effizient zu entwickeln und Geräte so zu wählen, dass sie langlebig und sparsam arbeiten.

2. Sustainability by IT
– IT wirkt als Hebel für Nachhaltigkeit in anderen Bereichen. Durch intelligente Software lassen sich etwa Lieferketten optimieren, Energieflüsse effizient steuern oder nachhaltige Mobilitätskonzepte entwickeln.

Oft werden diese Aspekte getrennt betrachtet, obwohl sie in der Realität eng miteinander verflochten sind. Die Gestaltung digitaler Systeme bestimmt maßgeblich, wie wirkungsvoll IT eingesetzt werden kann. Wer sich für eine ressourcenschonende Architektur entscheidet, senkt nicht nur die Cloud-Kosten, sondern verbessert zugleich die Nachhaltigkeit nachgelagerter Anwendungen, etwa in Logistik, Gesundheitswesen, Energiewirtschaft und vielen anderen Bereichen.

Vom reaktiven Ansatz zum proaktiven Gestalten
Bisher haben viele Unternehmen Nachhaltigkeit in der IT eher reaktiv verstanden – als Optimierungsschritt oder Effizienzsteigerung. Doch angesichts wachsender regulatorischer Anforderungen und gesellschaftlicher Erwartungen reicht das nicht mehr aus.
Anstatt Nachhaltigkeit nachträglich als „nice to have" hinzuzufügen, braucht es klare Designprinzipien, die von Beginn an in Architektur- und Entwicklungsentscheidungen einfließen. Beispiele dafür sind:

  • Ressourcenplanung am realen Bedarf statt an Maximal-Szenarien orientieren.
  • Auswahl effizienter Algorithmen für besonders häufig genutzte User Flows.
  • Bevorzugung einfacher Architekturen, die weniger Komponenten und Orchestrierung benötigen.
  • Schnittstellen so gestalten, dass unnötige Datenflüsse vermieden werden.

Ein prägnantes Beispiel: In einem Projekt mit starkem Fokus auf künstliche Intelligenz wurden ursprünglich neun Anwendungsfälle geplant. Nach einer kritischen Bewertung blieben drei übrig – die mit dem höchsten Nutzen und dem geringsten Ressourcenverbrauch. Dieses Vorgehen zeigt, dass bewusstes Weglassen – also das Streben nach schlanken, leanen Lösungen – oft die nachhaltigere Entscheidung ist.

Branchenspezifisches Momentum: Signale aus der Praxis
Einige Branchen bewegen sich bereits und das in hohem Tempo. In der Logistik, in der Fertigung und auf großen digitalen Plattformen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Performance. Ressourceneffizienz bedeutet hier oft zugleich Kosteneinsparung, regulatorische Konformität und Markenvertrauen.

Andere Branchen wie Finanzdienstleistungen, Versicherungen oder Rechtswesen befinden sich noch im Umdenken. ESG-Vorgaben und Investoren-Druck zwingen diese Sektoren dazu, über Scope-1-Emissionen aus eigenen Anlagen, Prozessen sowie Scope-2-Emissionen aus eingekaufter Energie hinauszublicken – hin zu den oft unsichtbaren Klimaauswirkungen ihrer digitalen Systeme, etwa durch Betrieb, Datenverarbeitung und Infrastruktur.

In skandinavischen Ländern wiederum verknüpfen energieintensive Branchen wie Fertigung und Logistik digitale Optimierungen bereits direkt mit ihren Klimazielen – etwa indem sie Lieferketten virtuell simulieren oder Transportwege vorausschauend planen, um Emissionen zu senken.
Allen Branchen gemeinsam ist die wachsende Erkenntnis: Digital ist nicht neutral. Die Art und Weise, wie Software entwickelt, betrieben und skaliert wird, hat einen realen Einfluss auf die Umwelt.

KI als zweischneidiges Schwert in der Transformation
Kaum eine Technologie birgt so viel Potenzial für Nachhaltigkeit wie künstliche Intelligenz und kaum eine ist gleichzeitig mit so hohen ökologischen Kosten verbunden.

Große KI-Modelle können im Training so viel Energie verbrauchen wie mehrere hundert Haushalte pro Jahr. Der unverantwortliche Einsatz von KI könnte damit genau das untergraben, was eigentlich gefördert werden soll.

Die Lösung liegt in Präzision. Jede KI-Implementierung sollte durch eine doppelte Linse betrachtet werden:
  • Ist sie für die Lösung unverzichtbar?
  • Übersteigen die Effizienzgewinne die Kosten ihres Einsatzes?

In vielen Fällen genügen bereits einfache Modelle. Wo Künstliche Intelligenz tatsächlich gebraucht wird, kommt es darauf an, diese gezielt und bewusst einzusetzen. Das bedarf einer klaren Abwägung von Nutzen und Ressourcenverbrauch, nur so kann KI zum Katalysator für nachhaltige Transformation werden.

Sustainability Debt: Die neue Bürde der Skalierung
Wir alle kennen den Begriff der Technical Debt – die Kosten, die entstehen, wenn kurzfristige oder unüberlegte Entscheidungen später nachträglich korrigiert werden müssen.

Die Sustainability Debt ist ihr ökologisches Pendant. Sie entsteht durch übermäßige Funktionalität, ineffiziente Abfragen, redundante Schnittstellen oder überdimensionierte Infrastrukturen. Was heute schnell gebaut wird, kann morgen teuer werden. Ökologisch wie ökonomisch.

Die beste Gegenstrategie? Frühes Handeln. Nachhaltigkeit muss von Anfang an eingeplant werden, nicht erst am Ende überprüft. Wie bei Sicherheit gilt auch hier: proaktive Architektur statt reaktivem Flickwerk.

Eco-Digital Engineering als neues Paradigma
Eco-Digital Engineering ist ein Ansatz, bei dem ökologische Verantwortung integraler Bestandteil jeder digitalen Entscheidung ist: von der Architektur über die Entwicklung bis hin zum Betrieb.

In der Praxis zeigt sich dieser Ansatz besonders, wenn Nachhaltigkeit messbar wird. Sobald sichtbar ist, welche Anwendungen oder Prozesse überdurchschnittlich viele Ressourcen benötigen, können Teams gezielt dort ansetzen. Entwickler:innen berücksichtigen dann nicht nur Kosten und Geschwindigkeit, sondern auch den CO₂-Fußabdruck und priorisieren entsprechend neu. Product Owner wiederum wägen den Wert einzelner Funktionen auch gegen deren Ressourcenintensität ab – ganze Roadmaps können sich so verschieben.

Die neue Logik des Fortschritts
Es wird Zeit, dass wir Projekte und Geschäftsmodelle nicht mehr allein entlang von Effizienz und Ertrag bewerten, sondern uns ebenso die entscheidende Frage stellen: „Was wird es verbrauchen – und ist es das wert?"

Innovation muss dafür nicht gebremst werden. Entscheidend ist, neu zu definieren, was wir unter Fortschritt verstehen. Nachhaltigkeit wird dabei zum Prüfstein, an dem Geschwindigkeit und Kreativität ihre Zukunftsfähigkeit beweisen. Unternehmen, die Nachhaltigkeit auf diese Weise verankern, profitieren doppelt: ökologisch durch geringere Emissionen und ökonomisch durch niedrigere Energiekosten, resilientere Systeme und bessere Compliance-Fähigkeit.



Über den Autor

Thomas Steirer ist CTO bei Nagarro. Er hat zahlreiche Automatisierungsframeworks und Lösungen für verschiedene Branchen und Technologien entwickelt und unterstützt Kunden bei der Implementierung skalierbarer und nachhaltiger Lösungen. Seine Leidenschaft brennt für den Einsatz von künstlicher Intelligenz und deren Nutzung, um Testautomatisierung noch effizienter zu gestalten - dieses Wissen teilt er auch an Hochschulen in Österreich. In seiner Freizeit ist er Tech-Junkie, Tüftler und begeisterter Gameboy-Musiker.

Bilder: AdobeStock, Nagarro

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