Tuesday, October 14, 2025

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Software als Motor: Warum digitale Souveränität über die Zukunft der Automobilbranche entscheidet


Die Zukunft der Mobilität wird nicht mehr im Windkanal entschieden, sondern im Code-Repository. Fahrzeuge sind heute mehr als meisterhafte Maschinen: Sie sind hochleistungsfähige, vernetzte Computer auf Rädern, verpackt in einer Hardware-Hülle. Die entscheidende Frage ist daher längst nicht mehr ob, sondern wer diese tektonische Verschiebung am schnellsten, zuverlässigsten und mit der radikalsten Kundenorientierung meistert. Um zu überleben und zu führen, müssen Hersteller ihre gesamte organisationale DNA neu ausrichten und Softwarekompetenz als strategischen Kern begreifen.

Vom statischen Produkt zum lernenden System

Früher endete die Beziehung zum Fahrzeug mit dem Kauf. Heute beginnt sie dort erst richtig. Drahtlose Software-Updates, datenbasierte Optimierungen und flexibel zubuchbare Funktionen sorgen dafür, dass sich das Auto kontinuierlich verbessert und an die individuellen Bedürfnisse seiner Nutzer anpasst.

Die Geschwindigkeit dieser neuen Welt wird von Akteuren wie Nio, XPeng oder Li bestimmt, die demonstrieren, wie Software die Innovationszyklen von Jahren auf Wochen verkürzt. Anstatt auf die nächste Modellgeneration zu warten, erhalten Kunden neue, oft begeisternde Funktionen per Over-the-Air-Update (OTA). Ein anschauliches Beispiel ist Nios KI-Assistent NOMI, der durch regelmäßige Updates nicht nur intelligenter wird, sondern auch saisonale Animationen und neue Interaktionsmöglichkeiten lernt.

XPengs automatisierter Valet-Parking-Assistent wächst kontinuierlich durch neue Szenarien und eine verbesserte Performance. Diese Fähigkeit, das Produkt im Feld permanent aufzuwerten, schafft eine völlig neue Form der Kundenbindung und Markendifferenzierung. Auch europäische Hersteller wie VW mit seiner Software-Einheit CARIAD oder Mercedes-Benz mit dem Betriebssystem MB.OS investieren massiv, um in diesem Rennen die Hoheit über das digitale Kundenerlebnis zu behalten.

Wie Hersteller den Übergang zur kontinuierlichen Softwareentwicklung meistern

Der Übergang zur kontinuierlichen Softwareentwicklung ist jedoch kein reines Technologieprojekt, sondern eine Bewährungsprobe für die gesamte Organisation. Hersteller müssen vor allem vier zentrale Themen meistern:

1. Update-Fähigkeit als industrielle Kernkompetenz: Die Fähigkeit, Hunderte von Software-Varianten über diverse Fahrzeuglinien und Märkte hinweg sicher, nachvollziehbar und zuverlässig auszurollen, ist eine immense Herausforderung. Es geht nicht nur darum, eine neue App auszurollen, sondern darum, sicherheitskritische Systeme im Feld zu aktualisieren, ohne die Homologation – also die behördliche Zulassung – zu gefährden.

2. Die Organisation neu erfinden
: Starre, funktionale Silos (Antrieb, Fahrwerk, Infotainment) sind der Tod jeder agilen Entwicklung. Der Wandel erfordert eine Organisation in cross-funktionalen Produkt-Teams, die Ende-zu-Ende für eine bestimmte Kundenfunktion verantwortlich sind – von der ersten Codezeile bis zum Betrieb im Fahrzeug.

3. Souveränität durch Sicherheit: Mit der Vernetzung explodiert die Angriffsfläche. Cybersecurity ist keine Option, sondern die Grundlage für Kundenvertrauen und die Zulassungsfähigkeit digitaler Dienste. Sie muss als "Security by Design" von Beginn an in jeder Komponente und jedem Prozess verankert sein.

4. Führung als Katalysator: Die digitale Transformation scheitert nicht an den Ingenieuren, sondern an einer Führung, die an alten Strukturen festhält. Es braucht eine Führungskultur, die Silos aktiv aufbricht, datenbasierte Entscheidungen erzwingt und eine agile Zusammenarbeit vorlebt, die auch intelligentes Scheitern als Lernprozess akzeptiert.

Technik trifft Business - Kundenerlebnisse neu definieren

Die eigentliche Revolution entsteht, wenn Technologie und Geschäftsmodell nahtlos ineinandergreifen, um ein überlegenes Kundenerlebnis zu schaffen.

Ein praktisches Beispiel: der 'intelligente Scheinwerfer' als digitales Service:

- Die Basis-Technologie: Ein modernes Fahrzeug ist mit Matrix-LED-Scheinwerfern, Kamera- und Radarsensoren ausgestattet.

- Der digitale Service: Für eine Urlaubsfahrt in den Alpen bucht der Kunde per App für 15 Euro das Feature „adaptives Kurven- und Berglicht Pro". Via OTA-Update wird eine neue Software-Version aufgespielt, die die Scheinwerfersteuerung mit den Navigationsdaten und den Sensoren für Steigung und Kurvenradius verknüpft. Das Licht leuchtet Serpentinen proaktiv aus, bevor der Fahrer überhaupt lenkt.

- Der Mehrwert: Der Kunde erlebt einen direkten, spürbaren Sicherheits- und Komfortgewinn. Der Hersteller generiert zusätzliche, margenstarke Umsätze und sammelt wertvolle Nutzungsdaten, um den Service weiter zu verbessern.

Ein solches Angebot ist nur möglich, wenn Systemarchitekt:innen, Software-Entwickler:innen, UX-Designer:innen und Vertriebsprofis in einem integrierten Team zusammenarbeiten. Entscheidungen über Features, Preise und Nutzererlebnisse werden gemeinsam getroffen. Und Kund:innen? Die werden durch ihre Nutzung direkt Teil der Weiterentwicklung.

Auf der Überholspur des Mobilitätswandels

Die Automobilindustrie steht an einem Wendepunkt. Erfolg wird nicht mehr allein an mechanischer Exzellenz gemessen, sondern an der Fähigkeit, Software als strategischen Kern zu beherrschen und digitale Souveränität zu erlangen. Wer diesen Weg konsequent geht, innovative Kundenerlebnisse schafft und seine Organisation dafür radikal umbaut, wird die Zukunft der Mobilität gestalten. Alle anderen riskieren, im Rückspiegel zu verschwinden.

Über den Autor
Noah Dampmann ist Head of Software-Defined-Vehicle bei Nagarro. In seiner Rolle begleitet er weltweit OEMs und Zulieferer bei der Transformation hin zu softwaredefinierten Fahrzeugarchitekturen und der Integration neuer digitaler Geschäftsmodelle. 

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