Samstag, Dezember 21, 2024
"Ein Anruf ist manchmal der letzte Berührungspunkt"

Von Employee Net Promoter Score bis zu Social Listening: Im Gespräch mit Gerhard Raffling, VP und Country Manager von Medallia, einem Vorreiter für Lösungen im Bereich Experience Management.

Report: Wie sehr hat Corona die Customer Experience verändert?

Gerhard Raffling:
Corona hat Unternehmen gezwungen, schnellstmöglich auf alternative Vertriebskanäle umzustellen und dadurch die digitale Transformation weiter beschleunigt. Der Point-of-Sale hat sich in Richtung online verschoben und damit auch das Einkaufserlebnis. Unternehmen stehen somit teilweise vor völlig neuen Herausforderungen wie etwa Onlinepräsenz oder einer optimalen Logistikkette und treten gegen für sie neue Mitbewerber an, die bereits seit Jahren diesen Bereich dominieren. Auch die Erwartungshaltung der Konsumenten ändert sich unter diesem Aspekt. Unternehmen sind in dieser neuen Normalität gezwungen, neu zu definieren, was es bedeutet, Kunden zu betreuen und ein gutes Kundenerlebnis zu bieten. Damit beginnt eine neue Art der Kundenbeziehung.

Marken und Unternehmen, denen es gelingt, positive Kundenerlebnisse in der neuen Normalität zu gestalten, werden gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen. Doch wer Loyalität möchte, muss mit seinem wertvollsten Gut, dem Kunden, in Verbindung bleiben, dessen veränderte Bedürfnisse verstehen und rasch mit einem angepassten Service reagieren. Gerade in diesem Umfeld ist die Verbindung von „Customer Experience“ mit „Employee Experience“ besonders wichtig. Denn es besteht eindeutig ein Zusammenhang zwischen verbessertem „Employee Net Promoter Score (NPS)“ und einem höheren „Customer NPS“. Daher sind Engagement und Dialog von entscheidender Bedeutung.

Für die einzelnen Customer Management Teams heißt das: Mitarbeiter schulen, in das Veränderungsmanagement einbeziehen und – mehr als zuvor – den Kunden in den Mittelpunkt eines jeden einzelnen Kontaktaufrufes zu stellen. Als Basis für all diese notwendigen Anpassungen und Veränderungen ist es unabdingbar, Technologien zu nutzen, die es ermöglichen, den Kunden jederzeit richtig zu verstehen. Mitarbeiter können situationsbedingt und in Echtzeit handeln, wenn ihnen ein solides und verständlich aufbereitetes Wissen über Kunden zur Verfügung steht.

Report: Welche Technologien meinen Sie konkret?

Raffling:
Allen voran den Einsatz von modernen Sprachanalyse-Tools bei Telefonaten. Ein Anruf ist manchmal der letzte Berührungspunkt, bevor Frustrationen über eine mangelhafte Dienstleistung oder ein unbefriedigendes Produkt dazu führen, dass sich ein Kunde von einer Marke abwendet. Da Menschen Emotionen und damit für den Customer Service relevante Informationen eher durch Sprechen mitteilen als durch geschriebenen Text, sind Anrufe ein wertvolles Instrument der Kundenbindung. Hier spielt künstliche Intelligenz ihre Stärken aus: Moderne Sprachanalyse-Lösungen nutzen künstliche Intelligenz, um Gesprächs- und Schweigezeit sowie Gefühle unter anderem anhand von Tonhöhe oder Sprachtempo zu analysieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse helfen Mitarbeitern, kundenorientierte Entscheidungen zu treffen und ermöglichen dem Unternehmen eine fundierte Sicht auf den Kunden.

„Social Listening Tools“ sind die zweite wichtige Technologie. Sie kommen zum Einsatz bei Kunden, die ihre Frustration und Meinung zum Ausdruck bringen wollen, ohne eine Reaktion der Marke zu suchen.  Oder bei solchen, die sich wohler fühlen, wenn sie mit einer Marke über Social Media in Kontakt treten. Mit diesen Kunden – oft handelt es sich auch um potenzielle Neukunden – intelligent in Interaktion zu treten, ist bedeutend. Social Listening-Instrumente können genutzt werden, um Feedback zu verfolgen, Kundenwahrnehmungen zu verstehen, systemische Probleme zu identifizieren und auch, um Konkurrenzanalyse zu betreiben. Die Erkenntnisse, die aus Social Listening gewonnen werden, können sowohl die Customer Experience als auch die Online-Reputation des Unternehmens verbessern.

Auch Video-Analyse leistet einen wichtigen Beitrag, um die Customer Experience zu verbessern, denn die Popularität dieses Kanals steigt rapide an, vor allem bei der jüngeren Zielgruppe. Das kommt wenig überraschend: Zum einen sind Wartezeiten am Telefon und der Zeitaufwand, um eine Beschwerde schriftlich zu verfassen, für viele schon Grund genug, um Alternativen zu nutzen. Während vor einem Jahr kaum jemand daran gedacht hätte, Freunde und Familie per Video anzurufen, ist dies jetzt selbstverständlich geworden. Genauso nahe liegt es, ein 30-Sekunden-Video über eine Website-, eine Contact-Center- oder eine Zustellungserfahrung aufzunehmen.

Kundenfeedback-Videos liefern schon heute eine solide Datenbasis, um umsatzwirksame Entscheidungen treffen zu können. Sechsmal mehr Informationen können so erfasst werden als bei einer einfachen Textantwort. Inzwischen kann die Videoanalyse nicht nur transkribieren, sondern auch Ausdrücke, Handlungen und Emotionen interpretieren. Die Technologie ermöglicht die Objekterkennung. Kurzum – die Wahrnehmungsparamater entsprechen denen der realen menschlichen Interaktion. Durch die Humanisierung des Feedback-Prozesses generieren Unternehmen mehr Kundendaten mit qualitativ besseren Einblicken und eröffnen zudem Kunden einen zusätzlichen und zeitgemäßen Feedbackkanal.

Report: Sie sehen also die Pandemie als gute Gelegenheit um den Einsatz von bahnbrechenden Technologien für ein positives Kundenerlebnis voranzutreiben?

Raffling: Studien zeigen, dass 32 % aller Kunden, die eine einzige negative Erfahrung mit einem Produkt gemacht haben, der Marke den Rücken kehren und das unabhängig wie stark die Marke ist. Lediglich acht Prozent der Konsumenten sind der Meinung, dass Unternehmen in herausragender Weise Erwartungen im Umgang mit Kunden erfüllen. Statische Umfragen und das Einholen einfacher Feedbacks einzelner Abteilungen hat viele Limitierungen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind.  Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen über alle Informationskanäle hinweg Daten sammeln - um ein ganzheitliches Bild der Kunden zu erhalten, diese Informationen richtig analysieren und interpretieren und danach unmittelbar handeln. Besonders das Handeln in Echtzeit ist ein zentraler Aspekt, der immer stärker in den Vordergrund rückt. Nur dann wird es auch gelingen den Net Promotor Score zu erhöhen, mit Hilfe von Kundenfeedbacks Kosten zu senken und den Umsatz positiv zu beeinflussen. Es ist also absolut die richtige Zeit, um in Experience Management zu investieren, Silos aufzubrechen und die gesamten Prozesse neu auszurichten, um datengestützten Innovationen den Weg zu ebnen.

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