Wednesday, October 15, 2025

Mehrwert für Manager

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Das papierlose Büro ist noch lange nicht Realität. Obwohl digitale Tools Finanzprozesse in Unternehmen effizienter gestalten, werden nach wie vor Rechnungen ausgedruckt und in Ordnern abgeheftet.

Bild: iStock


Sämtliche Daten digitalisiert, vernetzt und stets von überall abrufbar – so sieht die Vision vom papierlosen Büro, geboren in den 1970er Jahren, aus. Trotz bester technischer Voraussetzungen wird sie weiterhin vielfach ein Wunschtraum bleiben. In den meisten Unternehmen stapeln sich noch immer Aktenordner und Papierberge, Lieferscheine und Rechnungen werden mitunter extra ausgedruckt, manuell verbucht und fein säuberlich abgelegt.

Die digitale Transformation stellt Unternehmen nicht nur vor die Herausforderung, neue Technologien zu integrieren, sondern zunächst entsprechende Investitionen zu tätigen und auch ihre Mitarbeitenden darauf vorzubereiten. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen schrecken deshalb noch immer davor zurück, sich von der Zettelwirtschaft zu verabschieden.

»Die digitale Transformation im Rechnungswesen erfordert eine Neuausrichtung der Mitarbeiterkompetenzen. Datenanalyse und Soft Skills wie Flexibilität stehen hier zunehmend im Vordergrund, während traditionelle Kenntnisse an Bedeutung verlieren«, sagt Christian Sikora, Partner der KPMG Austria. In der Studie »Future of Finance« liefert das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Einblicke in den Stand der digitalen Transformation in Unternehmen der DACH-Region. Österreich weist im Vergleich einen höheren Digitalisierungsgrad als die anderen Länder auf, die Anzahl der Projekte ist allerdings rückläufig. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz und die steigenden Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung könnten hier nochmals einen entscheidenden Impuls bringen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Digitale Finanzprozesse reduzieren Übertragungsfehler, sparen Zeit und ermöglichen mehr Übersicht. Elektronische Archivierung und digitale Unterschriften stellen die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicher. Modernes Reporting liefert zudem jederzeit aktuelle Übersichten und valide Entscheidungsgrundlagen.

E-Rechnung ausgedruckt
In einzelnen Bereichen greifen Unternehmen inzwischen auf digitale Lösungen zurück – wenn auch mit Abstrichen. Oftmals findet parallel eine Rückführung von digitalen Prozessen ins analoge Zeitalter statt. Mitarbeiter*innen drucken laut einer Studie von TNS Emnid Unterlagen aus, um sie zu bearbeiten (55 %), zu archivieren (50 %), intern weiterzugeben (36 %), zu lesen (28 %) oder extern weiterzugeben (13 %). In Österreich werden 61 % der elektronisch eingelangten Rechnungen ausgedruckt, bei kleinen Unternehmen liegt dieser Anteil sogar bei rund 85 %.

Abgesehen von dem anfallenden Papiermüll ist das Sortieren, Abheften und Suchen von gedruckten Dokumenten enorm zeitaufwendig. Gerade Finanzprozesse umfassen jedoch weit mehr als die bloße Buchhaltung. Sie reichen von der Budgetplanung über Cashflow-Management und Liquiditätssteuerung bis zum Controlling. Auch für KMU wird es hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit zunehmend wichtiger, diese Prozesse effizient und skalierbar zu gestalten.

Laut einer im Vorjahr veröffentlichten Deloitte-Studie verläuft der digitale Wandel in österreichischen Unternehmen in zwei Geschwindigkeiten: Während zwei Drittel der Unternehmen die Transformation forcieren, setzt ein Drittel keinerlei Projekte dazu um.

Verpflichtung als Impuls
Durch die EU-Initiative »VAT in the Digital Age« (ViDA) könnte sich das in den nächsten Jahren ändern. Sie strebt an, bis 2030 strukturierte elektronische Rechnungen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr einzuführen, wie sie für Lieferanten öffentlicher Stellen bereits seit 2014 vorgeschrieben sind. Deutschland geht diesbezüglich bereits voran: Seit 1. Jänner 2025 müssen alle Unternehmen im B2B-Bereich E-Rechnungen empfangen und verarbeiten können. Eine Übergangsregelung erlaubt kleinen Betrieben noch bis Ende 2027 Papierrechnungen, ab 2028 wird der elektronische Versand für alle verpflichtend.

Für österreichische Unternehmen bedeutet das, sich lieber früher als zu spät für die Umsetzung zu wappnen. Deutsche Kunden und EU-Partner erwarten bereits jetzt strukturierte Rechnungen, die im Backoffice durch cloudbasierte Buchhaltungs- und Rechnungslösungen unterstützt werden. Diese Finanzsysteme ermöglichen nicht nur rechtssichere E-Rechnungen gemäß EN 16931, sondern automatisieren auch aufwendige und fehleranfällige Arbeitsabläufe. Für Unternehmen, die bisher die Digitalisierung verschlafen haben, ist die gesetzliche Vorgabe ein notwendiges Druckmittel – mit der Chance zur Modernisierung.

 

Entlastende Tools und Lösungen

1. Buchhaltung und Rechnungswesen
- DATEV: Standardlösung für Buchhaltung und Steuererklärung
- sevDesk: cloudbasierte Software für KMU
- Lexware: Kombination aus Buchhaltung, Lohnabrechnung und Warenwirtschaft

2. Reisekosten- und Belegerfassung
- Circula und Expensify: digitale Erfassung und Abrechnung via Smartphone-App
- Moss: nahtlose Abbildung des gesamten Rechnungsprozesses, eigene Firmenkreditkarte möglich

3. Cloud-Lösungen
- Google Drive und SharePoint: zentrale und sichere Ablage von Belegen und Verträgen
- ERP-Systeme (z. B. SAP oder Microsoft Dynamics) integrieren Buchhaltung, Rechnungswesen und weitere Geschäftsbereiche

4. Zahlungsverkehr
- FinAPI und Pleo: verbinden Buchhaltung direkt mit den Bankkonten und verwalten Firmenkreditkarten
- Stripe, Chargify und Braintree: ermöglichen effizientes Management von Abonnements und Zahlungsprozessen

5. Digitale Unterschriften
- DocuSign und Adobe Sign: ersetzen die Unterschriftenmappe und ermöglichen rechtskonforme Vertragsabschlüsse
- A-Trust: qualifizierte elektronische Signatur (QES), die eine sichere und rechtsverbindliche Möglichkeit bietet, Dokumente digital zu unterzeichnen.


Interview: »Wir stehen auf dem Wachstumspedal«

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Das deutsche FinTech Moss wagt den Sprung nach Österreich. Wie Mitgründer Anton Rummel (Bild) das Marktpotenzial einschätzt und warum insbesondere KMU bei der Digitalisierung ihrer Finanzprozesse dringend aufholen müssen, erklärt er im Report(+)-Interview.

Moss hat ein sehr vielfältiges Produktportfolio – von Buchhaltungssoftware bis zu Kreditkarten. Wie würden Sie Ihr Unternehmen einordnen?

Anton Rummel: Wenn ich in einem Satz beschreiben müsste, was Moss eigentlich ist: eine digitale Plattform für Unternehmen, um all ihre Ausgaben zu managen, egal ob via Kreditkarten, Eingangsrechnung oder durch Mitarbeiter*innen ausgelegt. Alle Zahlungen werden digital, in Echtzeit, in voller Transparenz angezeigt und sind auch entsprechend steuerbar.

Welche Services sind damit verbunden?

Rummel: Eines unserer Kernmodule sind Firmenkreditkarten, die Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen als physische oder virtuelle Karten ausstellen können, mit individuell konfigurierbaren Limits. Diese Karten sind Mastercard-Karten. Das zweite Modul umfasst die digitale Bearbeitung von Eingangsrechnungen. Alle relevanten Informationen, z. B. die einzelnen Posten oder die Umsatzsteuer, werden automatisch ausgelesen und der entsprechenden Abteilung zur Verbuchung zugewiesen. 
Das dritte Modul betrifft die Mitarbeiterauslagen und Reisekostenabrechnungen. Unsere Software berechnet automatisch das Kilometergeld und die jeweiligen Tagespauschalen, die den Mitarbeiter*innen für die Dienstreise zustehen. Diese Informationen werden direkt mit gängigen Buchhaltungs- und ERP-Systemen im Unternehmen verbunden. Auch eine Schnittstelle zu HR-Digitallösungen ist möglich, um Informationen automatisch zu synchronisieren, z. B. zur Deaktivierung von Karten bei einem Mitarbeiteraustritt.

Welche Entlastung bringen diese Tools für KMU?

Rummel: Tatsächlich führen viele Unternehmen noch Excel-Listen und lösen diese Aufgaben manuell, mit komplexen Freigabeprozessen. Die Mitarbeiter*innen tragen oftmals Daten auf ein Blatt Papier ein, das anschließend mit den zugehörigen Belegen in der Buchhaltung bearbeitet wird. Eine digitale Lösung spart enorm viel Zeit und reduziert auch die Fehlerquote, die bei einer manuellen Übertragung einfach sehr hoch ist. Über die Live-Übersicht behalten die Unternehmen zudem die Kontrolle und ihre Budgets im Griff.

Welche Vorteile ergeben sich aus einem ganzheitlichen Ausgabenmanagement? Viele Unternehmen verfügen ja bereits über Lösungen in verschiedenen Bereichen.

Rummel: Oft handelt es sich nur um Einzellösungen, z. B. für das Erfassen von Eingangsrechnungen, und die Unternehmen stehen am Monatsende vor der Herausforderung, die Daten unterschiedlicher Systeme zusammenzuführen. Moss verbindet alle Bereiche in einem einzigen System. Das bedarf keines großen internen IT-Aufwands. Es ist im Prinzip ein Plug-and-Play-System – nach der Abklärung mit unseren Produktberatern kann man also gleich loslegen.

Sie haben vor Kurzem ihr Portfolio auf den österreichischen Markt ausgerollt. Wie schätzen Sie das Potenzial in Österreich ein?

Rummel: Wir sahen die Nachfrage schon bisher bei unseren deutschen Kunden mit österreichischer Präsenz. Das war für uns ein deutliches Signal, unsere Kapazitäten auf den österreichischen Markt in Österreich zu richten. Strukturell ähnelt die Unternehmenslandschaft in Österreich der deutschen. Es gibt viele wachstumsorientierte KMU, die auch international vernetzt sind. Wir schätzen daher das Potenzial sehr groß ein. Unser Team ist auch mit den länderspezifischen Produktanforderungen, zum Beispiel den relativ komplexen Regelungen rund um Reisekostenabrechnungen, gut vertraut. Ich denke, dass der österreichische Markt für uns einer der am schnellsten wachsenden wird.

Wo stehen österreichische Unternehmen in puncto Digitalisierung?

Rummel: Verglichen mit anderen Ländern, etwa Großbritannien, besteht in Österreich und Deutschland noch recht großer Nachholbedarf. Vor allem Klein- und Mittelunternehmen sind in der Finanzabteilung nicht wirklich digital aufgestellt. Da gehen E-Mails hin und her, teilweise sogar Faxe; auch Papierbelege und Excel-Listen gehören noch zum Alltag. Laut einer Studie der Statistik Austria haben 41 % der Unternehmen in Österreich noch signifikanten Digitalisierungsbedarf. Ich würde sagen, dass auch der andere Teil noch nicht perfekt aufgestellt ist, wenn man den Reifegrad mit anderen Ländern vergleicht.

In den Jahren 2022 und 2023 hat Moss einen Personalabbau vorgenommen. Befindet sich das Unternehmen nun wieder auf einem Wachstumspfad?

Rummel: Wie viele europäische und global tätige Tech-Unternehmen sind wir 2021 und 2022 zu schnell gewachsen und mussten daher – mit Blick auf nachhaltiges, effizientes Wachstum – Personal abbauen. Das Blatt hat sich seitdem für die Branche signifikant gewendet. Wir haben aus früheren Fehlern gelernt und sind aus dieser Zeit gestärkt hervorgegangen. Jetzt stehen wir wieder auf dem Wachstumspedal, agieren aber wesentlich durchdachter und effizienter.

Wie steht es aktuell um die Fintech-Branche?

Rummel: Ich bin überzeugt, dass sich die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Ausgaben und Umsätze managen, in den nächsten fünf bis zehn Jahren fundamental digitalisieren wird. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz ist hier noch einmal ein Kick zu erwarten. Wir nutzen diese Technologien bereits beim Auslesen von Informationen. Im Austausch mit Kunden beschäftigen wir uns mit potenziellen nächsten Features, wie man interne Prozesse noch intelligenter automatisieren kann.


Das Unternehmen

Das FinTech mit Hauptsitz in Berlin wurde von Ante Spittler, Anton Rummel, Ferdinand Meyer und Stephan Haslebacher 2019 gegründet und ging Mitte 2020 mit einer Firmenkreditkarte in Deutschland an den Markt. Moss bietet eine Plattform für ganzheitliches Ausgabenmanagement, das die digitale Erfassung und Freigabe von Rechnungen, die Abrechnung von Mitarbeiterauslagen und ein zuverlässiges Liquiditätsmanagement umfasst. Das Unternehmen sammelte über Finanzierungsrunden mehr als 130 Millionen Euro; zu den Investoren zählen Tiger Global, Valar Ventures, A-Star, Cherry Ventures und GFC. Moss verzeichnete 2023 rund 30 Millionen Euro Umsatz und betreut inzwischen 6.000 Kunden. Rund 300 Mitarbeiter*innen sind in Büros in Berlin, Amsterdam, London, Warschau und Tallinn beschäftigt. Auch in Wien ist eine Niederlassung geplant.

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