Tuesday, October 14, 2025

Mehrwert für Manager

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Mit 44,05 Euro pro Stunde liegen die Arbeitskosten in Österreich deutlich über dem EU-Schnitt von 33,50 Euro. Im verarbeitenden Gewerbe betragen die Stundenkosten sogar 49,40 Euro – nach einem Anstieg um 8,6 % im Jahr 2024. Ökonomen mahnen zu mehr Zurückhaltung bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen. Die Industrie fordert eine Senkung der Lohnnebenkosten. Können niedrigere Einkommen tatsächlich zur Sanierung des Budgets beitragen? Und welche gesamtwirtschaftlichen Folgen hätte eine Nulllohnrunde? Report(+) hat drei Experten um ihre Einschätzung gebeten.

1. Sind die Lohnkosten in Österreich zu hoch?

"Österreich hat wegen der kräftigen Lohnkostensteigerungen – allein 2024 waren es 7,3 % gegenüber 4,3 % in der Eurozone – massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Die Kosten je Arbeitsstunde sind höher als in Deutschland und Frankreich, und stark über dem Niveau des CEE-Raums. Für die Industrie und zur Sicherung der Arbeitsplätze ist es entscheidend, die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen. Ich erwarte mir, dass sich die Sozialpartner durch maßvolle Lohnabschlüsse als Standortpartner erweisen."

Portrait Austria Email AG

Martin Hagleitner, CEO der Austria Email AG und Groupe Atlantic, Konzerngeschäftsführer für die DACH-Region und ausgewählte CEE-Märkte

 

"Nein. Ein Vergleich von Lohnkosten pro Stunde ist außerdem nur in Kombination mit der Wertschöpfung, die in dieser Arbeitsstunde erwirtschaftet wird, sinnvoll. Und da wir eine hohe Wertschöpfung generieren, können wir uns auch höhere Löhne leisten. Ja, Österreich ist kein Niedriglohnland – aber das ist gut so. Denn nur ausreichend hohe Löhne sichern eine hohe inländische Konsumnachfrage. Diese ist mindestens so wichtig wie die ausländische, die unsere starke Exportwirtschaft antreibt."

Mattias Muckenhuber, Ökonom, Volkswirtschaftliches Referat des ÖGB

 

"Österreich hat im internationalen Vergleich relativ hohe Lohnkosten, sehr hoch sind allerdings auch die Lohnnebenkosten, wie z. B. Sozialversicherung, Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag zum FLAF. Die durchschnittlichen Arbeitskosten in Österreich liegen selbst innerhalb der EU deutlich über dem Durchschnitt (siehe auch Arbeitskostenstudie der TPA Gruppe: www.tpa-group.at/publikationen/arbeitskostenstudie-2024); im internationalen Vergleich außerhalb der EU ist dieses Ergebnis noch deutlicher. Für Unternehmen bedeuten höhere Lohnkosten höhere Fixkosten. In manchen Bereichen kann das zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigeren Lohnkosten führen (Outsourcing, Offshoring), was ja seit vielen Jahren faktisch schon passiert.

Wolfgang Höfle, Steuerberater und Sozialversicherungs­experte, TPA Group

2. Wie wirkt sich ein Lohnabschluss unter der Inflationsrate auf den Konsum aus?

"Hier geht es nicht um Interessen der Wirtschaft, sondern um notwendige Maßnahmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und des Wohlstands der Bevölkerung! Es muss allen bewusst sein: Wir haben uns aus vielen Märkten herauskatapultiert. »Made in Austria« können oder wollen sich viele Konsument*innen nicht mehr leisten. Dabei sind die Ersparnisse der Haushalte, und somit die Kaufkraft, deutlich gestiegen. Daran zeigt sich: Schwacher Konsum hat vor allem mit dem Fehlen von Vertrauen und Perspektiven zu tun."

Martin Hagleitner


"Der Konsum der Haushalte ist der inländische Motor des Wirtschaftswachstums. Werden die Preise stark erhöht, aber die Löhne halten nicht Schritt, können die Österreicher*innen weniger Güter und Dienstleistungen kaufen. Die Unternehmen haben dadurch weniger Anreize in ihre Produktionskapazitäten zu investieren – mit negativen Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung. Auch das Budget ist betroffen: Eine Nulllohnrunde hätte das Defizit 2024  – aufgrund niedrigerer Lohn- und Mehrwertsteuereinnahmen – um 1,65 Mrd. Euro erhöht."

Mattias_Muckenhuber_c_Ingo_Pertramer.jpg

Mattias Muckenhuber

 

"Wenn die Löhne weniger stark steigen als die Preise, können sich Haushalte weniger leisten. Konsument*innen reduzieren Ausgaben oder verschieben Anschaffungen. Manche Haushalte sparen mehr aus Vorsicht, wenn sie zukünftige Belastungen erwarten. Die schwächere Nachfrage belastet die Unternehmen in betroffenen Branchen. Der private Konsum ist ein wichtiger Wachstumstreiber. Sinkende Reallöhne können daher das Wirtschaftswachstum dämpfen – und damit auch Steuereinnahmen und Investitionen. Ein Lohnabschluss unter der Inflationsrate führt daher tendenziell zu realem Kaufkraftverlust bzw. rückläufigem Konsumverhalten."

Wolfgang Höfle

 

3. Sind die Personalkosten ein entscheidender Faktor bei der Standortwahl?

"Vor allem bei personalintensiven Tätigkeiten ist der Faktor Arbeit wesentlich für die Standortwahl. Die Attraktivität von Österreich hat zuletzt stark gelitten. Ein moderater Lohnabschluss ist mitentscheidend für den Turnaround. Zudem braucht es ein umfassendes Paket mit Reformen des Arbeits- und Sozialrechts sowie einer Entlastung der Arbeitskosten durch eine Senkung der Lohnnebenkosten. Im Staatsbudget kann dies durch Investitionsbelebung mehr als kompensiert werden."

Martin Hagleitner


"Personalkosten sind ein Faktor, aber nicht der entscheidende. Viel zu oft wird »Wettbewerbsfähigkeit steigern« mit »Löhne runter« gleichgesetzt. Doch Wettbewerbsfähigkeit ist viel mehr als die preisliche Komponente, für die übrigens die Höhe der Gewinne auch relevant ist. Faire Löhne sind zentral, um in Zeiten von Fachkräftemangel gut ausgebildete Mitarbeiter*innen anzuwerben und zu halten – denn diese sind das Rückgrat der österreichischen Unternehmen und haben durch ihre Fähigkeiten Österreichs Industrie zu ihrem Exportboom verholfen."

Mattias Muckenhuber


"Die Personalkosten haben einen direkten Einfluss auf das Unternehmensergebnis. In arbeitsintensiven Branchen machen Personalkosten einen großen Teil der Gesamtkosten aus. Geringere Löhne oder Lohnnebenkosten können die Kostenstruktur erheblich verbessern. Unternehmen im internationalen Wettbewerb achten auf Kostenunterschiede zwischen Standorten. Die Personalkosten sind bei der Standortentscheidung allerdings nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Es gibt auch andere Standortfaktoren wie z. B. Verfügbarkeit und Qualifikation von Arbeitskräften, höhere Produktivität der Arbeitskräfte, Verkehrsanbindung, Infrastruktur, Rechtssicherheit, Steuerpolitik, Investitionsanreize und vieles mehr."

Wolfgang Hšfle, Steuerberater und Sozialversicherungsexperte

Wolfgang Höfle

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