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Harte Fakten

Führungskräfte, die ihr Unternehmen erfolgreich führen wollen, sollten neben "hard facts" wie Zahlen, Daten und Fakten, die "soft facts" nicht vernachlässigen. Führungskräfte, die ihr Unternehmen erfolgreich führen wollen, sollten neben "hard facts" wie Zahlen, Daten und Fakten, die "soft facts" nicht vernachlässigen.

Top-Manager lieben »harte« Zahlen, Daten und Fakten. Ungern befassen sie sich hingegen mit den Denk- und Verhaltensmustern, die ihre Organisation prägen. Dabei sind die harten Fakten wie Umsatz und Ertrag meist das Resultat der vermeintlich »weichen Erfolgsfaktoren«.

Von Bernhard Kuntz

Die meisten Top-Manager sehen sich selbst als logisch und analytisch denkenden Menschen, als rationalen Planer. Deshalb messen sie beim Treffen von Entscheidungen »harten« Zahlen, Daten und Fakten eine hohe Bedeutung bei. »Eher ungern beschäftigen sie sich hingegen mit den ›weichen‹ Erfolgsfaktoren wie der Mitarbeiterkommunikation und -motivation oder der Zusammenarbeit und Führungskultur in ihrer Organisation«, berichtet Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, aus seinem Beratungsalltag. Mit diesem »Sozialkram« wollen Top-Manager meist nichts zu tun haben – auch weil ihre Leistung an harten Zahlen gemessen wird wie Umsatz, Ertrag oder dem Börsenkurs. Deshalb liegt ihr Fokus fast automatisch auf diesen harten Daten.

Dabei übersehen Top-Manager laut Kraus jedoch oft, dass sich die sogenannten »hard facts« nur bedingt als Instrument zum Steuern des Erfolgs von Unternehmen eignen. Denn in den Zahlen spiegeln sich primär die (Miss-)Erfolge der Vergangenheit wider. »Aus ihnen lässt sich zwar oft ableiten, dass ein Handlungsbedarf besteht, aber meist nicht, was getan werden sollte, um beispielsweise den Ertrag oder die Innovationskraft eines Unternehmens zu steigern.«Kraus erläutert dies an einem Beispiel. Angenommen ein Unternehmen erzielt zu geringe Umsätze. Dann lässt sich über eine Zahlen-Daten-Fakten-Analyse zwar ermitteln, dass die Vertriebsmitarbeiter beispielsweise nur zehn Kundenbesuche pro Woche machen; des Weiteren, dass sie bei ihnen nur zwei Abschlüsse erzielen und deren Volumen im Schnitt zu niedrig ist. Nicht beantwortet ist damit aber die Frage: Was ist die Ursache hierfür und wie kann folglich der Umsatz gesteigert werden?

Die »Mängel« können zahlreiche Gründe haben, wie Anja Henke, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Carpe Viam, erklärt. »Die Verkäufer können demotiviert oder ungenügend geschult sein. Sie können auch überlastet sein.« Doch damit nicht genug: Alle genannten Ursachen können ihrerseits wiederum viele Ursachen haben.

>> Aus »soft facts« werden »hard facts« <<

Der »fehlende Biss« der Verkäufer kann seine Ursache darin haben, dass diese sich nicht mit den Produkten des Unternehmens identifizieren. Oder darin, dass sie sich eher als »Berater« denn als »Verkäufer« verstehen. Oder darin, dass sie frustriert sind, weil sie von ihren Vorgesetzten kaum Anerkennung erfahren. Oder darin, dass sie überfordert sind, weil ihnen der Innendienst zu wenig Support gewährt. Daraus folgt laut Julia Voss, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Voss+Partner: »Wer solche ›hard facts‹ wie den Umsatz oder Ertrag positiv beeinflussen möchte, muss sich in der Regel mit den ›soft facts‹ befassen. Denn wenn diese nicht stimmen, dann können auch die gewünschten ›hard facts‹, wie eine Umsatzrendite von 15 Prozent zu erzielen, nicht erreicht werden.«

Das ist vielen Top-Managern nicht ausreichend bewusst – »unter anderem, weil sie häufig ein eher mechanistisches Weltbild haben«, beklagt die Wiener Managementberaterin Sabine Prohaska. Deshalb unterschätzen sie oft, welche Potenziale, aber auch Gefahren beispielsweise in der Unternehmenskultur stecken. Prohaska ist felsenfest überzeugt: »Eine hoch motivierte Mannschaft kann scheinbar Unmögliches erreichen.«  Und eine demotivierte Belegschaft? »Sie kann ein Unternehmen ruinieren.«

>> Schwachstelle Strategieumsetzung <<

Die Münchener Strategieberaterin Daniela Kudernatsch stellt im Kontakt mit Unternehmen immer wieder fest: Sie haben eine zukunftsweisende und -fähige Strategie. Doch im Betriebsalltag gelingt es ihnen nicht, diese umzusetzen. Oft fragen sich die Verantwortlichen dann: Was sind die Ursachen? Haben wir die Ziele zu hoch gesteckt? Oder haben wir die falsche Mannschaft? Oder identifizieren sich die Mitarbeiter zu wenig mit den Zielen des Unternehmens? Solche Fragen stellen sich die Verantwortlichen zu Recht. »Denn nur wenn die Faktoren bekannt sind, die den Erfolg oder Misserfolg fördern, können sie gezielt beeinflusst werden.«

Von Ferdinand Piëch, dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, wird kolportiert: Er zog sich nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender einen Blaumann an und arbeitete mehrere Tage am Fließband mit. Das tat er nicht, um zu lernen, wie man in ein Auto den Motor einbaut. Nein, er wollte die (Arbeits-)Einstellung der Mitarbeiter kennen lernen. Denn hieraus konnte er Rückschlüsse ziehen: Wo sollte das Management den Hebel ansetzen, um die Kultur des Unternehmens wie gewünscht zu beeinflussen?

>>  Die Weichen auf Erfolg stellen <<

Untersuchungen zeigen laut Georg Kraus immer wieder, dass es drei zentrale Treiber gibt, wenn es um das Entwickeln der Unternehmenskultur geht. Erstens: das Verhalten der Führungskräfte. »Denn sie prägen durch ihre Entscheidungs- und Verhaltensmuster das Tagesgeschäft.« Zweitens: die firmeninterne Kommunikation. »Denn nur wenn die Mitarbeiter verstehen, welche Ziele das Unternehmen warum erreichen möchte, können sie ihr Verhalten hieran orientieren.« Und drittens: die Möglichkeiten zur Selbstorganisation. »Denn nur wenn die Mitarbeiter Handlungsspielräume haben, können sie sich aktiv einbringen und die Unternehmenskultur mitgestalten.« Hierzu sind die Mitarbeiter bereit – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Auch dies zeigen zahlreiche Untersuchungen. Sie belegen nicht nur, dass die Mitarbeiter häufig mit der Kultur ihres Unternehmens unzufrieden sind, sondern auch, dass sie gerne daran mitwirken würden, diese zu verändern.
Vor diesem Hintergrund empfehlen Anja Henke und Georg Kraus den Top-Manager von Unternehmen, sich auch aktiv mit der Unternehmenskultur zu befassen und deren Istzustand zu analysieren. Im zweiten Schritt sollten sie sich dann nochmals vor Augen führen: Welche Ziele wollen wir als Organisation mittel- und langfristig erreichen? Etwa die Umsatzrendite steigern oder die Innovationsführerschaft anstreben? Danach können sie sich fragen: Inwieweit weicht der Ist-Zustand von unseren Zielvorstellungen ab? Und: Welche Faktoren stehen dem Erreichen der Unternehmensziele im Weg? Dann wird laut Georg Kraus schnell klar, »wo der Hebel angesetzt werden sollte, um die Kultur des Unternehmens so zu entwickeln, dass auch künftig die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht werden und nötige Marktanpassungen erfolgen«.

>> Führungskräfte brauchen neues Selbstverständnis <<

Viele Top-Manager neigen aufgrund ihres mechanistischen Weltbilds zu Aktionismus, wenn sie ein Defizit in der Kultur ihres Unternehmens registrieren, warnt Sabine Prohaska. Das heißt, sie führen irgendwelche Tools oder Managementmethoden in ihrer Organisation ein, die andere Unternehmen erfolgreich nutzen. Zum Beispiel die Balanced Scorecard. Oder Lean Management. Oder KVP. Oder regelmäßige Mitarbeiterbefragungen. Sie überlegen sich aber nicht ausreichend, wie sie die diese Tools zum Laufen bringen. Das wäre jedoch nötig, weil neben den Geschäftsfeldern der Unternehmen auch deren Struktur und Kultur verschieden sind. Deshalb bringt es laut Daniela Kudernatsch wenig, »die Erfolgsrezepte anderer Unternehmen zu kopieren«. Jedes Unternehmen, so ihr Credo, »muss seine eigenen Routinen, also Denk- und Verhaltensmuster entwickeln, wie es seine Performance steigert und herausfordernde Ziele erreicht«. Dafür müssen die Führungskräfte ein neues Selbstverständnis entwickeln. Statt sich primär mit den harten Fakten sowie Verwaltungsaufgaben zu befassen, müssen sie sich – getreu der Maxime »›Go and see‹ statt ›meet and mail‹« intensiv mit den Mitarbeitern und den wertschöpfenden Prozessen beschäftigen. Außerdem müssen sie es als eine ihrer Kernaufgaben begreifen, Veränderungsprozesse – das heißt Lernprozesse – in ihrer Organisation anzustoßen und zu begleiten. Denn nur wenn ein Unternehmen lernt, kann es sich verbessern.

 

TIPP: Die Unternehmenskultur entwickeln

Beim Planen der Entwicklung der Kultur von Unternehmen empfiehlt sich folgender Drei-Schritt:

1. Analyse der Istsituation. Fragen, die sich das Top-Management unter anderem stellen sollte:
Welche Kommunikations-, Kooperations- und Entscheidungsmuster prägen heute das Miteinander in unserer Organisation?
Welche Vorstellungen existieren in ihr, wie Veränderungen funktionieren?
Welche Denk- und Verhaltensmuster zeigen unsere Mitarbeiter heute?
Welche Werte leben wir als Führungskräfte ihnen vor?
Wie werden die Mitarbeiter motiviert? Was demotiviert sie?
Welche Denk- und Verhaltenstabus gibt es in unserer Organisation? Und:
Welche Faktoren fördern oder verhindern ein individuelles und kollektives Lernen?

2. Analyse der Soll-Ist-Abweichung. Fragen, die sich das Top-Management unter anderem stellen sollte:
Welche Ziele wollen wir als Organisation mittel- und langfristig erreichen?
Inwieweit weicht der Istzustand von unseren Zielvorstellungen ab?

3. Definieren der Handlungsfelder. Fragen, die sich das Top-Management unter anderem stellen sollte:
Welche Faktoren stehen dem Erreichen der Unternehmensziele im Weg?
Wo können/sollten wir den Hebel ansetzen, um die Kultur des Unternehmens so zu entwickeln, dass wir die Ziele erreichen? Und:
Wie erzeugen wir die nötige »Veränderungsenergie« in unserer Organisation (also bei den Mitarbeitern)?
Dr. Georg Kraus, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de)

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