Feedback besitzt viel Kraft, das Denken und Handeln von Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Feedback ist die Quelle für Reflexion. Reflexion ist der Beginn von Entwicklung.
Wir wollten mehr zum Thema Feedbackkultur in Unternehmen wissen und haben uns daher mit Harald Preyer unterhalten.
Harald R. Preyer ist seit 1990 Experte für Feedbacksysteme. Er gründete 1997 das Unternehmen EUCUSA, das er bis 2013 führte. Seither begleitet er unterschiedlichste Organisationen bei der Einführung von Feedback-Systemen zur sinnstiftenden Organisationsentwicklung. Er arbeitet mit unterschiedlichen Feedback-Providern zusammen und kennt den Europäischen Feedback-Markt gut.
Nicole Mayer und Michaela Drascher: Wie führe ich eine wirksame Feedbackkultur in meinem Unternehmen ein?
Harald Preyer: Der größte Feind von Veränderung ist der Erfolg von gestern und heute. Vorgesetzte, die seit Jahrzehnten ohne Feedback und mit Macht und Autorität agiert haben, wollen meist keine moderne Feedbackkultur. Wenn Sie in einer Organisation arbeiten, die seit Jahrzehnten von „Vorgesetzten“ geprägt wurde, dann bemühen Sie sich erst gar nicht um eine aktuelle Feedbackkultur. Die Hierarchie wird stärker sein als Sie. Wechseln Sie den Arbeitgeber.
NM und MD: Das ist eine harte Aussage.
HP: Um die Aussage zu veranschaulichen, kann ich Ihnen drei Beispiele zum Thema Feedback aus realen Unternehmen nennen:
I
„Frau Weiss, Sie wissen, dass ich Sie seit vielen Jahren als meine beste Verkäuferin sehr schätze. Sie bringen jedes Jahr wieder Top-Umsätze und sind ein Vorbild für viele junge MitarbeiterInnen. Und gerade weil ich so schätze, kann ich Ihr Verhalten der Kundin Ivana Nonorava gegenüber nicht akzeptieren. Ich habe das unhöflich und arrogant erlebt. Wie sehen Sie das?“ Sagt der Eigentümer eines führenden Modehauses in der Wiener Innenstadt zu seiner besten Verkäuferin unmittelbar nach Geschäftsschluss im Vieraugengespräch.
II
„Peter, Deine geniale Lösung des Problems bei der Country-Bank gestern war großartig. Mich hat gerade der CEO der Bank angerufen. Sie sind mit uns topzufrieden. Das haben wir Dir zu verdanken. Vielen Dank für Deinen großartigen Einsatz und Dein KnowHow.“ Sagt Michelle, die Head of Costumer Service zu Ihrem Senior Databank-Expert Peter gleich in der Früh beim Morning Meeting vor allen KollegInnen
III
Das Realtime Opinioning in der Pflegedirektion des Krankenhauses liefert heute folgendes Ergebnis:
Abb 1: Realtime Stimmungsbild in einem Wiener Krankenhaus beim wöchentlichen Jour fix aller Mitarbeiterinnen der Pflegedirektion.
Pflegedirektorin Martina nimmt dieses Ergebnis beherzt zum Anlass, Ihre MitarbeiterInnen um detailliertes Feedback zu bitten, damit sie mit dem Team Lösungen für diese bedrohliche Situation finden kann. Die 320 Mitarbeiterinnen wählen ad hoc eine Gruppe von 12 Vertreterinnen, die mit der Pflegedirektorin und ihren beiden Stellvertretern geeignete Maßnahmen vereinbaren sollen, um die Stimmung im Team zu verbessern.
NM und MD: Feedback kann für den Feedback-Nehmer angenehm oder unangenehm sein. Es ist jedenfalls nie neutral und es lässt niemanden kalt. Es spricht immer die Emotion an.
HP: Das stimmt! Feedback ist notwendig für unsere eigene Entwicklung. Wer nicht weiß, wie er beim anderen ankommt, der verkümmert in seiner Emotionalität. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.
NM und MD: Und wie sollte man nun am besten Feedback geben?
HP: Feedback ist die bewusste und reflektierte Reaktion auf Wahrnehmungen von Verhalten einzelner Personen oder ganzer Systeme von Menschen – also Gruppen, Abteilungen oder Gemeinschaften an Einzelpersonen oder Teams. Dem entsprechend braucht Feedback geeignete Instrumente und Inszenierungen. Feedback braucht vor allem eine wertschätzende Haltung aller Beteiligten. Feedback zu geben bedeutet, dem anderen eine reflektierte Wahrnehmung für Wachstum und Verbesserung anzubieten. Feedback braucht daher auch immer positive Wahrnehmungen. Sonst wird es zur reinen Kritik, die nur wenige Menschen wohlwollend annehmen können. Feedback annehmen geschieht ohne Rechtfertigung, ohne Verteidigung. Feedback ist immer ein Geschenk und Geschenke weist niemand zurück.
Feedback-Methode
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Inszenierung
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Komplexität
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Wirksamkeit
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Persönliches Gespräch
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Vertraulich sehr persönlich
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Gering hohe soziale Kompetenz erforderlich
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Sehr hoch
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Lob, Feiern, Prämierung
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Großer Rahmen möglichst mit Partner
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Mittel hohe dramaturgische Kompetenz erforderlich
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Sehr hoch
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MAG (standardisiertes jährliches Mitarbeiter-Gespräch)
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Bürokratisch eher belastend wenig Wertschätzung
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Mittel
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Mittel
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Standardisierte Mitarbeiterbefragung / Kundenbefragung
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Möglichst als Vollbefragung Standardfragen
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Mittel
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Gering
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Strategische individuelle Mitarbeiterbefragung / Kundenbefragung
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Orientiert sich an der Unternehmensstrategie individuelle Fragen
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Hoch
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Mittel Hängt stark vom Folgeprozess ab
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Rundum-Feedback (180, 270, 360 Grad)
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Kurze Fragen Feedback-Cockpit notwendig sonst sehr mühsam
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Hoch
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Mittel Hängt von der Reflexion der Ergebnisse ab
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Real Time Customer Feedback (freeware)
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Kunden geben Likes mittels APP
Der Teamleiter erhält sofort Feedback
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Gering
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Hoch
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Real Time Customer Feedback (customized)
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Kunden geben Feedback über namentlich genannte Mitarbeiter, Produkte, Standorte
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Mittel
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Sehr hoch
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Real Time Opinioning
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Teams stimmen per Smartphone über die derzeitige Befindlichkeit ab
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Gering
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Hoch
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Real Time Opinioning im Rahmen von OE-Prozessen
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Die Resultate der Abstimmung werden unmittelbar strategiekonform bearbeitet und umgesetzt
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Mittel
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Sehr hoch
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Abb 2: Feedback-Methoden im Vergleich
NM und MD: Rechnet sich Feedback?
HP: Eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen unterstreicht den Wert von Feedback. Stephan Brockhoff und Klaus Panreck haben im Jahr 2016 16.000 MitarbeiterInnnen von mittelständischen Unternehmen in ganz Europa befragt und kamen zu folgenden interessanten Ergebnissen:
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Wertschätzendes Feedback verdoppelt die Leistung einer Organisation.
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Die Fluktuation sinkt auf ein Viertel.
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Burnout in einem Unternehmen mit wertschätzendem Feedback ist nicht nachweisbar.
NM und MD: Und wie führe ich nun am besten eine wirksame Feedbackkultur in meinem Unternehmen ein?
HP: Wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, das Führungskräfte hat, die wirklich führen, wertschätzen, Verantwortung für Erfolge und Misserfolge übernehmen, dann haben Sie gute Chancen, eine moderne Feedbackkultur einzuführen. Beginnen Sie mit einfachen Methoden. Ermuntern Sie Ihre KollegInnen, Ihnen Feedback zu geben. Fragen Sie nach, wie Ihre Entscheidungen und Ihr Verhalten ankommen. Geben Sie selbst wertschätzendes Feedback.
Achtung: Wertschätzendes Feedback wird immer gerne angenommen. Zu echter Kritik müssen Sie erst eingeladen werden…
Nutzen Sie moderne Formen von Realtime-Customer-Feedback und Realtime-Opinioning. Arbeiten Sie unmittelbar mit den Resultaten. Feedback ist dann erfolgreich, wenn Sie unmittelbar darauf reagieren. Es verblasst sehr schnell und hat eine Halbwertszeit von weniger als 24 Stunden.
Nutzen Sie die Chance, über eine Bewerbung bei einem Excellence Award – in Österreich zum Beispiel beim Staatspreis Unternehmensqualität - eine moderne Feedbackkultur in Ihrer Organisation einzuführen.
NM und MD: Vielen Dank für das Gespräch!