Ein Testlauf sollen demnächst die Grenzbehörden von Kanada und den Niederlanden machen. Bezeichnenderweise wurde das Vorhaben nicht durch die beteiligten Regierungen angekündigt, sondern durch das Weltwirtschaftsforum. Entweder wollen die Regierungen dazu nichts sagen oder sie haben nichts zu sagen.
Das Pilotprojekt betrifft nicht zufällig das Reisen. An den Grenzen ist man sowieso an Kontrollen gewöhnt, man kommt ohne Einhaltung entsprechender Vorschriften und Zwänge nicht weiter. Gleichzeitig ist die anfallende Datenmenge groß genug für eine automatisierte Mustererkennung bei den von den Reisenden selbst erhobenen und mitgebrachten Daten.
Häring schreibt: „Konzerne wie Hilton, Visa und Google engagieren sich nicht aus reinem weltbürgerlichem Pflichtgefühl, um für die Polizeibehörden auf eigene Kosten ein solches System auszuarbeiten.“ Ist das System erst einmal implementiert, erhalten die Datenkraken unaufhaltbar von lästigen Datenschutzverordnungen zuverlässig weiter alle Daten.
Der Grenzübertritt ist aber nur die erste Phase in einem umfassenden Plan der Preisgabe aller persönlichen Daten an die Großkonzerne. So wird im Implementierungsplan das große Potential des Konzepts über das Reisen hinaus hervorgehoben. Hat sich die Selbstüberwachung an der Grenze durchgesetzt, sollen die Bürger ihre gesammelten Daten ebenso „freiwillig“ auch für alltägliche Anwendungen in Interaktion mit Unternehmen und Behörden hergeben. Gesundheit, Bildung und Erziehung, Bankwesen, humanitäre Hilfe und Wahlen werden als Beispiele genannt. Eine möglichst breite Anwendung soll schon ab 2020 erfolgen.
In diesem Zusammenhang wird es plausibel, warum die deutsche Bundesregierung mittlerweile vom „Dateneigentum“ als Ersatz für Datenschutz und Privatsphäre redet. Häring schreibt: „Die Datenkrakenlobby hat sogar es geschafft, den Begriff im Koalitionsvertrag von Union und SPD zu verankern: Wir sollen selbst für unsere Daten verantwortlich sein und sie freiwillig-gezwungenermaßen den marktmächtigen Konzernen und den Behörden geben, wann immer diese danach fragen. Das soll alltäglich werden und wird die vollständigen Aktivitätsprofile von allen ermöglichen, die im Bericht des Weltwirtschaftsforums als Lohn der Anstrengung verheißen werden.“
Mit dem Ende des Bretton Woods Systems begann die schleichende Entmachtung der Nationalstaaten, dem Kapital wurde überall auf der Welt nach und nach Tür und Tor geöffnet und so der Grundstein für die bisherige Globalisierung gelegt. Jetzt, rund 50 Jahre später, folgt der nächste Schritt. Und der zielt einerseits darauf, aus den privaten Daten der Bürger möglichst viel unternehmerischen Profit zu schlagen und andererseits auf deren umfassende Kontrolle. Globalisierung 4.0.
Anmerkung:
Und wenn Sie jetzt sagen, ich habe doch nichts zu verbergen, so sollten Sie dann konsequenterweise auch ihre Haus- und Wohnungstür offen stehen lassen (am besten auch gleich die WC-Tür). Und Sie sollten bedenken, dass in einem anderen Rechtssystem andere Normen Einzug halten in Bezug auf das, was Sie früher mal nicht zu verbergen hatten.