Freitag, November 22, 2024

9 Tipps für agile Vertragsgestaltung bei IT-Projekten



Die wichtigsten Elemente eines agilen Vertrages kompakt dargestellt. Ein Expertenkommentar von Tobias Tretzmüller, der als Rechtsanwalt auf IT-Vertragsrecht, Urheberrecht, Datenschutzrecht, IT-Sicherheit und IT-Litigation spezialisiert ist.

„Wir haben uns komplett verlaufen, kommen aber gut voran“. So würde Alice im Wunderland wohl agiles Projektmanagement beschreiben. Die Arbeitswelt ist zunehmend durch Agilität geprägt. Kaum ein Projekt, das nicht agil und flexibel sein muss. Daraus folgt für den Juristen, dass auch die Verträge dieser Agilität Rechnung tragen müssen. In diesem Artikel werden acht charakterisierende Elemente eines agilen Vertrages bei IT-Projekten beschrieben:

1. Partnerschaftliches Verständnis
Einem agilen Projekt muss ein gemeinsames Eingeständnis vorausgehen. Der Auftraggeber weiß einerseits nämlich zu Beginn oft nicht, wie das Endprodukt konkret aussehen soll. Demnach hat der Auftragnehmer andererseits auch keine Kenntnis darüber, was genau von ihm erwartet wird. Es bedarf daher einem partnerschaftlichen Eingeständnis, um mit dieser Unsicherheit umgehen zu können.

2. Kein verbindliches Pflichtenheft
Zu Beginn des Projektes ist dem Auftraggeber eine vollständige Leistungsbeschreibung gar nicht möglich. Dennoch sollte definiert sein, welches Bedürfnis das Projekt erfüllen soll. Dies jedoch auf weit abstrakterer Ebene als bei einem detaillierten Pflichtenheft.  

3. Keine Festpreise
Nachdem der Auftragsgegenstand zu Projektbeginn nicht genau feststeht, wird kein Auftragnehmer einem Festpreis zustimmen. Daher erfolgt die Leistungsverrechnung der Softwareentwicklung auf der Basis erbrachter Stunden. Um den Auftragnehmer zu einer zügigen Arbeitsweise zu motivieren, sollten Teil- oder Bonus-Zahlungen an die Erreichung der einzelnen Meilensteine gekoppelt sein.

4. Zyklische Wiederholung der klassischen Projektphasen
Im Gegensatz zum klassischen Ansatz („Wasserfallmethode“) wird die Arbeit in kleinere Meilensteine („Sprints“) aufgeteilt. Diese Sprints werden in kurzen Zyklen bearbeitet. Das Produkt verbessert sich daher laufend und wird nicht in getrennten Phasen erstellt.

5. Definition von Rollen
Die Parteien müssen Rollen definieren und mit konkreten Personen besetzen. Klassische Rollen sind dabei der „Product Owner“, der Verantwortliche für die Dokumentation von Änderungen, der „Scrum Master“, das Entwicklungsteam sowie die involvierten Stakeholder. Agiler Projekterfolg ist maßgeblich von der Harmonie des Teams abhängig.

6. Laufende Kommunikation
Kommunikation ist der Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Projekt. Daher sollte das „Wer“, „Wie“, „Wann“ und „Wo“ der Kommunikation vertraglich exakt geregelt sein.

7. Laufende Dokumentation
In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, dass ein agiles Projekt nur einer reduzierten Benutzer- und Entwicklerdokumentation bedarf. Dem ist nur bedingt zuzustimmen. Unverzichtbar ist jedenfalls, dass Änderungen (Change Requests) schriftlich festgehalten werden (Backlog), Ziele und Akzeptanzkriterien beschrieben werden und die Benutzeranwendung dokumentiert wird. Weiters müssen jedenfalls die Abnahmen der einzelnen Meilensteine festgehalten werden.

8. Flexibilität
Agile Verträge leben von Ihrer Flexibilität. Vertragliche Elemente, die eine Flexibilität begünstigen sind: kurze Deeskalationsmechanismen, klare Regelungen bzgl Change Requests und kurze Kündigungsfristen. Damit das Projekt im Falle des Wechsels des Auftragnehmers nicht komplett neu gestartet werden muss, sollte sich der Auftraggeber die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den (Teil-)Werken zusichern lassen. Gerade vor dem Hintergrund einer vorzeitigen Projektbeendigung ist weiters klarzustellen, dass der Auftraggeber jederzeit Zugriff auf den erstellten (und dokumentierten) Quellcode hat.

9. Fazit und Handlungsempfehlung
Verträge dürfen Projekte nicht verkomplizieren. Vielmehr sollen diese wie „Leitplanken“ korrigierend eingreifen, wenn das Vorhaben aus dem Ruder läuft. Agile Projekte benötigen daher flexible Verträge. Ein agiler Vertrag, der auf den hier beschriebenen Charakteristika aufbaut, kann entscheidend zum Projekterfolg beitragen.

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