Samstag, Dezember 21, 2024

The World after: Die Lehren aus der Corona-Krise



Plötzlich stand die Welt still... In den letzten 12 Monaten ist viel passiert. Wir wechselten und wechseln zwischen Öffnen und Schließen. Unternehmen und Interessensgruppen mit starker Lobby erhalten Vorzüge – die, die keine Lobby haben, fallen gern mal hinten runter. Das Impfen läuft nur schleppend und es passiert das, was zu erwarten war: Beim Impfen ist sich jeder selbst am nächsten – egal ob in Gemeinden, zwischen den Bundesländern oder auf nationale Ebene. Und alle geben anderen die Schuld.

Bisher sieht es nicht danach aus, als ob unsere Gesellschaft, die Wirtschaft und auch die Politik als Ganzes betrachtet irgendwas aus der Pandemie gelernt hätten, obwohl es dringend nötig wäre. Gibt es noch Hoffnung? Ein Brandbrief zum einjährigen „Jubiläum“ von Covid-19.

Veränderungen für die Welt „danach“

Im März 2020 und den Monaten danach wurden Stimmen laut, dass die Krise eine Chance sei und man grundlegende Dinge verändern könne und müsse. Ja, ich hatte diese Hoffnung auch, denn die Pandemie zeigte bestehende Schwächen in unserer weltweiten Gesellschaft auf.

Welche Veränderungen sind also nötig, damit aus dieser Zeit eine bessere Welt hervorgeht? Eine Welt, die in Zukunft mit Krisen, welcher Art auch immer, besser umgehen kann.

Zusammenhalt statt Egoismus

Handeln Menschen primär oder gar ausschließlich in ihrem eigenen Sinne und ignorieren dabei die Belange anderer, mögen sie kurzzeitig einen Vorteil erleben, mittel- bis langfristig wird es ihnen jedoch schaden.

Gerade bei globalen Krisen ist das schwächste Glied einer Gemeinschaft ausschlaggebend für den weltweiten Erfolg bei der Bewältigung der Krise. Der primäre Fokus auf das eigene „Ich“, egal ob persönlich oder nationalistisch getrieben, führt unweigerlich zu Konflikten und erzeugt damit letztlich mehr Probleme.

Wer die eigenen Interessen wirklich wahren möchte, muss diese in die Interessen anderer einbetten.

Globales Denken und Handeln

Die Wirtschaft merkt, wie sehr sie von international verwobenen Kunden-Lieferanten-Beziehungen abhängt. Menschen sind weltweit mobil, wir wissen viel voneinander und wir können in vielfältiger Art und Weise von einer globalisierten Welt profitieren.

Doch die Schattenseiten der Globalisierung sind gravierend, wenn sie soziale Verwerfungen verursacht und Menschen aufgrund schlechterer Arbeitsbedingungen in anderen Ländern ausgebeutet werden. Wenn Umweltstandards missachtet, lokale Lebensräume zerstört werden und die Profitmaximierung zum Dogma gerät, dann verhält sich Globalisierung wie der Besen beim Zauberlehrling von Goethe.

Globalisierung ist die Chance, wenn wir in multikulturellen Gesellschaften voneinander lernen und globale Probleme gemeinsam lösen wollen. Wenn die „Glokal“-Devise "Global denken, lokal handeln" wirklich gelebt wird. Daher müssen wir Strukturen neu denken. Es bedarf für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen Local-For-Local Strategien eingebettet in einem globalen Netzwerk. 

Die Local-For-Local-Ausrichtung hätte nicht nur positive Folgen für die lokale Wirtschaft, sondern würde durch weniger Transport- und Reiseaufwand auch die Ökobilanz erheblich verbessern.

Sinn und Zweck der Wirtschaft

Die Wirtschaft bildet seit jeher die Grundlage dafür, dass wir in einem gewissen Wohlstand leben können. Dieser Wohlstand kommt aber nur bei ganz wenigen auf der Welt an.

Wir müssen uns mehr bewusst machen, welchen Sinn und Zweck die Wirtschaft und die darin agierenden Unternehmen im Kontext einer besseren Gesellschaft haben.

Der Ansatz, dauerhaftes Wachstum als Grundlage der Wirtschaft zu sehen, ist sinnlos und dient nur der Befriedigung des Egos einiger narzisstischer Manager. Wachstum kann punktuell in gewissen Regionen und unter gewissen Umständen hilfreich sein. Aber insbesondere in unseren gesättigten, industrialisierten Gesellschaften mutiert es oft zum Selbstzweck. Hier ist Wachstum nur als Veränderungsprozess förderlich, wenn vorhandene Umstände verbessert werden, etwa beim Umweltschutz.

Marktwirtschaft – Das Ende des neoliberalen Dogmas

Als 1990 der Ostblock zusammenbrach, glaubte man, der Kapitalismus hat über den Sozialismus gesiegt, denn der Sozialismus funktioniert nicht. In der Tat ist der Sozialismus gescheitert. Dass der Kapitalismus dagegen funktioniert, ist ein Trugschluss und auch das wird in der aktuellen Krisensituation erneut sichtbar.

Der freie Markt, der alles über Angebot und Nachfrage regle, ist eine Utopie. Noch schlimmer – er ist eine Art der Anarchie. Der Stärkere gewinnt, alle anderen haben das Nachsehen. Die aktuelle Krisensituation zeigte dieses Dilemma deutlich, wenn es um den Bedarf von Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel aber auch um die Beschaffung und Verteilung von Impfstoff geht.

Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Dies ist nicht nur in Bankenkrise sichtbar geworden, sondern passiert in vielen anderen Branchen. So machen die Hersteller von alkoholischen Getränken jedes Jahr große Gewinne, die Folgen von Alkoholismus hingegen trägt die Gesellschaft. Man muss die Frage stellen, ob es möglich sein darf, mit allem in jeder Art und Weise Gewinne zu machen. Der Glaube an den sich selbst regelnden Markt ist reines Wunschdenken und fällt in den Bereich der Ideologie neoliberaler Denker, die den Bezug zur Realität verloren haben.

Wenn der Markt alles selbst regelt, kommt Egomanie und Gier raus.

Wir brauchen eine Marktwirtschaft, die Grenzen zieht, innerhalb derer sich alle in ihrem Handeln frei bewegen können. Diese Grenzen sind notwendig, damit der gesellschaftliche Frieden gewahrt bleibt und alle Menschen weltweit die gleichen grundlegenden Chancen haben und die Einen nicht gegen die Anderen ausgespielt werden.

Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, es gab schon mal das Konzept der „sozialen Marktwirtschaft“. Eine verantwortungsvolle Politik, die die Unternehmen und das ominöse Wesen namens „Markt“ reguliert, um ein umweltfreundliches und soziales Verhalten zu lenken. Zudem darf es in Bereichen der Grundbedürfnisse nicht möglich sein, Profite zu erwirtschaften. Solche Einrichtungen gehören in den Besitz der öffentlichen Hand und müssen dabei natürlich kostendeckend sein. Videotipp: https://youtu.be/B59eunEkGXE

Zum Gelingen sind Grenzen und Spielregeln essentiell. Dazu wird es nötig sein, auch Verbote und Anreizsysteme zu installieren. Das hat nichts mit Diktatur zu tun. Demokratie und Pluralismus bedeutet keineswegs, dass man immer bekommt, was man will.

Rollen und Bedeutungen von Nationalstaaten

Als einzelner Staat können wir nicht viel bewegen. Österreich hat etwas weniger Einwohner als die Stadt New York. Wie wollen wir in einer globalisierten Welt alleine bestehen?

Wir müssen diesen Planeten als ein Gesamtsystem verstehen, in dem wir alle voneinander abhängen und einander brauchen.

Lösungsansätze

Aus all diesen Punkten ergibt sich ein riesiges Potential. Viele Ideen sind nicht neu, denn beispielsweise gibt es seit 2016 die „Sustainable Policy Guideline“ der UNO. Diese Leitlinie beinhaltet verschiedene Aspekte zum verantwortungsvollen Verhalten im Bereich Ökonomie, Soziales und Umwelt. Dazu wurden 17 Oberziele („SDG = Sustainable Development Goals“) formuliert, welche in 169 Unterziele unterteilt sind.

Der Vorteil im Kontext der „Sustainable Policy Guideline“ ist die vorhandene Akzeptanz, da diese Leitlinie von allen UN-Mitgliedsländern bereits ratifiziert wurde. Leider ist die SPG nicht rechtlich verbindlich.

Selbst bei der UN zeigt sich, dass ohne klare Regeln, die bei Nichtbeachtung auch negative Konsequenzen nach sich ziehen, nichts oder nur zu wenig passiert. Bisher ist die Annäherung an die 17 Ziele nämlich mangelhaft. Wir müssen uns als Gesellschaft leider eingestehen, dass die Menschheit von sich heraus nur selten in der Lage ist, vernünftig, langfristig sowie anständig zu handeln.

Daher sehe ich diese Krise als eine große Chance zu zeigen, dass die Spezies Mensch doch intelligent ist.

Sollte der Ansatz der globalen Verbesserung zu groß gedacht sein, hält uns niemand davon ab, dies für Europa zunächst in einem kleinen Rahmen zu tun. Die Unternehmen dürfen nicht ausgespart werden, denn hier wird die Verantwortung gerne an die Politik oder die Kunden weiter delegiert. Daher haben wir in unserem kleinen Unternehmen die Einhaltung der SDGs bereits evaluiert und gehen mit gutem Beispiel voran.

Blick in die Zukunft

Die Corona-Pandemie ist eine im Gesamtbild betrachtet „kleine“ Krise, obwohl sie massiv in unser aller Leben weltweit – und in ärmeren Ländern besonders stark – eingegriffen hat. Es gibt aber noch weit bedrohlichere Szenarien, wie die menschgemachte Klimakrise. Das Problem ist nur, dass die Auswirkungen abstrakter und zeitlich länger sind. Somit sind viele Menschen nicht mehr in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen, zu verstehen oder gar diese für ihr eigenes Handeln zu übersetzen. Wir können daher in dieser Pandemie sehr gut die Dinge üben und lernen, die im Kontext der Klimakatastrophe erst noch auf uns zukommen.

Auch der Ausbruch der Pandemie selbst ist ein Ergebnis des menschlichen Eingriffs in die Natur. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Erreger, die wir nicht kennen und die wir auch nie kennen wollen. Aber dadurch, dass Menschen in ökologische Nischen eingreifen, in denen sie nichts zu suchen haben, machen wir es Viren und anderen Erregern leicht.

Der Mensch zerstört mitnichten den Planeten Erde, er zerstört seine eigene ökologische Nische. Dieser Planet wird immer stärker sein und hat auch in der eigenen Geschichte ganz andere Bedrohungen erlebt. Für die Natur ist es ein Leichtes, auch den Menschen als Fehlexperiment der Evolution auszulöschen. Der Planet Erde hat dafür sowohl die Kraft als auch genug Zeit. Es liegt einzig und allein an uns selbst, ob wir die Gefahr erkennen und ernst nehmen.

Gegen ein Virus gibt es eine Impfung – gegen die Klimakrise nicht. Mit der Natur kann man nicht verhandeln und dieser Planet wird immer stärker sein.

Wir sehnen uns nach der „alten Normalität“. Das ist verständlich und auch menschlich. Aber wir sollten nicht alles zum alten Zustand zurückdrehen. Wenn wir wirklich nur das gleiche weiter machen wie vor der Pandemie, haben wir tatsächlich nichts gelernt. Das können wir doch besser oder finden Sie nicht?

Bild: NASA

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