Ein Jahr ist eine Ewigkeit – zumindest für Amerikaner. Sie mieten monatsweise und zahlen für die Flexibilität einen heftigen Aufpreis.
Ende vergangenen Jahres wurde der neue Wohnblock der Avalon Gruppe in Princeton, New Jersey, eröffnet. Die 280 Apartments liegen rund einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, mit der Universität und Schulen in Gehweite. Aber die Belebung des frisch errichteten Objekts funktioniert nicht wie bei uns in Österreich, wo Mieter einziehen mit der festen Absicht länger, vielleicht sogar ein Leben lang zu bleiben. Wer bei Avalon den längstmöglichen Mietvertrag unterschreibt, bleibt zwölf Monate. Für eine Dreizimmerwohnung zahlt man 4.234 US-Dollar monatlich. Wer sich nicht so lange binden mag, zahlt einen Aufpreis. Zwei-Monats-Verträge gibt es um 8.249 Dollar. Wer eine halbe Ewigkeit, also ein halbes Jahr, bleibt, legt 7.534 Dollar ab.
»Ich bin hochzufrieden mit der Akzeptanz«, meint Ron Ladell, der Vize-Präsident des Bauträgers. Das Modell – wer kürzer bleibt, zahlt mehr – funktioniert und zeigt: Es ist eine andere Welt und die Information, dass in Wien befristete Mietverträge mit Abschlägen bedacht werden, erntet ungläubiges Kopfschütteln.
Wer weiß schon, was kommt?
Die reinen Miethöhen sind dabei gar nicht ungewöhnlich. Das Durchschnittseinkommen im 30.000 Einwohner zählenden Princeton liegt bei 200.000 Dollar. Damit verschlingt die Miete selbst zu Avalon-Preisen rund 25 Prozent des Haushaltsbudgets, liegt also im Schnitt europäischer Metropolen. Der Zeithorizont zeigt, die USA sind ein anderer Planet. Über ein Jahr hinaus planen wollen viele nicht. Wer weiß schon, wie sich die Jobsituation entwickelt, und wo man dann sein wird? Die Princetonians sind jung, 32 Jahre im Schnitt, sie sind gut ausgebildet und sie verdienen weit über dem Landesschnitt. Die Stadt wächst, dabei ähneln die Mobilitätsmuster jenen des nahegelegenen New York City. Aus der Achteinhalb-Millionen-Metropole sind in den vergangenen fünf Jahren 400.000 Menschen weggezogen, trotzdem ist die Bevölkerung um 365.000 gewachsen. In der Stadt herrscht ein permanentes Kommen und Gehen, und solange mehr kommen als gehen, ist die Dynamik ungebrochen.
Wirtschaftlich haben die kurzen Mietverträge keinen Sinn, wie die vom Furman Center for Real Estate and Urban Policy of New York University zusammengetragenen Daten beweisen. »Es ist schwer zu verstehen, welchen Vorteil Mieter aus dem oftmaligen Übersiedeln ziehen«, meint Max Weselcouch vom Furman Center. Oftmalige Wohnungswechsel sind teuer, trotzdem steigt die Zahl der Stadtnomaden rapide. Junge Amerikaner wollen sich nicht mehr binden, nicht einmal an die eigene Wohnung. »Kurzzeitverträge sind so populär, weil sich die Leute nicht sicher sind, ob ihnen die Wohnung, der Job, die Stadt auf Dauer gefallen werden. Ihre Lebenssituation könnte sich ändern«, meint die Immobilienexpertin Sofia Song. Die Tatsache, dass es eine vorzeitige Beendigung von Mietverträgen praktisch nicht gibt – wer zwölf Monate mietet, zahlt zwölf Monate, auch wenn er früher auszieht –, reduziert das Thema auf die Frage, wie weit in die Zukunft junge Amerikaner zu planen bereit sind. Ein Jahr ist für sie eine Ewigkeit – und wer will sich so lange binden?