Ein Kommentar von Tobias Tretzmüller
Der Quellcode einer Software ist automatisch, also mit dem Entstehen, urheberrechtlich geschützt. Dabei behandelt das Urheberrecht den Quellcode wie ein Stück Literatur. Die zentrale Schutzvoraussetzung für den Schutz von Computerprogrammen ist das Vorhandensein einer eigenen geistigen Schöpfung. Der Urheberrechtschutz greift ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Werkes. Demnach müssen keine weiteren Formalien – wie etwa bei einer Patent- oder Markenanmeldung – eingehalten werden.Auch das Anbringen eines Copyright-Zeichens begründet keinen Urheberrechtschutz.
Kriterien für urheberrechtliches Werk
Die in den Anfängen sehr hohen Erfordernisse an die urheberrechtlich relevante Schöpfungshöhe im Bereich von Computerprogrammen wurde im Laufe der Zeit sukzessive nach unten revidiert. Eine besondere Gestaltungshöhe kann nicht mehr gefordert werden. Vielmehr reicht eine einfache Individualität aus. Allerdings wird etwa gefordert, dass die Software bei der „Konzeption Eigentümlichkeiten aufweist, die nicht als trivial, banal und von der Sachlogik zwingend erscheinen". Die untere Grenze liegt bei einer banalen, trivialen, routinemäßigen Tätigkeit, die noch nicht geschützt ist. Die Voraussetzung des geistigen Gehalts, wonach der menschliche Geist im Werk zum Ausdruck kommen muss, ist bei Computerprogrammen regelmäßig erfüllt, und zwar in Gestalt der Problemlösung. Für die Erfüllung der Anforderungen an die geistige Schöpfungshöhe spricht bei komplexen Programmen eine tatsächliche Vermutung. Ein Mindestmaß an geistiger Leistung wird allerdings weiterhin gefordert. Bei komplexeren Computerprogrammen spricht eine tatsächliche Vermutung für eine hinreichende Individualität der Programmgestaltung. Relevant ist, inwieweit Gestaltungsspielräume bei der Erstellung des Computerprogramms vorhanden waren.In der Entscheidung 4 Ob 45/05d hat der OGH die Kriterien für die erforderliche Schöpfungshöhe grundlegend dargelegt. Schutz besteht demnach dann, wenn die Programme eine gewisse Komplexität aufweisen, was der Fall sei, wenn die gestellte Aufgabe mehrere Lösungen zuließe und der Programmierer genügend gedanklichen Spielraum für die Entwicklung individueller Merkmale habe. Das Gericht hob hervor, dass zwar die Ergebnisse vorgegeben waren, aber Spielräume für die Programmierung bestanden und Kreativität gefordert war. Für die Abgrenzung ist jeweils zu fragen, inwieweit auf der jeweiligen Ebene Gestaltungsspielräume bestehen oder diese durch programmiertechnische Sachzwänge oder Standards eingeschränkt sind.
Faktoren für den Schutz
Als Indizien, die für eine hohe Komplexität und damit urheberrechtlichen Schutz sprechen sind zu nennen:
- Eine Komplexität des erstellten Arbeitsergebnisses
- Die Aufgabe lässt sich auf mehrere Arten lösen
- Der Programmierer hat genügend gedanklichen Spielraum
- Der Programmierer bewegt sich außerhalb von technischen und sachlichen Zwängen
- Die Entwicklung weist individuelle Merkmale auf
- Im Arbeitsergebnis manifestiert sich ein ungewöhnlicher Grad an Erfahrung, Gewandtheit oder Fachkenntnis
- Das Programm wird neu geschaffen
- Es handelt sich um eine individuell geprägte Problemlösung
- Der Programmierer entwickelt einen Großteil der Software selbst und übernimmt nicht bloß verfügbaren Code
- Der rein äußerliche Umfang eines Programmes, also die Programmlänge und Zeilenzahl
Diese Kriterien, welche die Rechtsprechung und Literatur zum Teil zugrunde legen, können allenfalls von indizieller Bedeutung sein. Zu erwähnen ist, dass das vom OGH zumindest als Indiz herangezogene Kriterium der Programmlänge und Zeilenzahl aus informatiktechnischer Sicht nicht wirklich als urheberrechtliches Kriterium geeignet ist. Zeit- und Kostenaufwand sind für die Entwicklung kein urheberrechtliches Kriterium. Auch die objektive Neuheit eines Werkes ist für die urheberrechtliche Qualifikation ohne Relevanz. Ebenso wenig kommt es auf die technische oder wirtschaftliche Qualität eines Computerprogramms an. Aber auch Kriterien wie objektive Neuheit, Umfang des Programms, sein Zweck, Dauer, Schwierigkeit, Effizienz und Funktionalität, Quantität als Umfang des Programms, Aufwand und Kosten der Herstellung begründen nicht die Werkqualität.
Ist eine Idee geschützt?
Damit eine Software einen urheberrechtlichen Schutz genießt, muss sich diese konkret manifestieren. Sie muss damit in eine äußere Erscheinung treten. Die bloße Idee ist damit nicht urheberrechtlich geschützt. Abstrakte Gedanken und Ideen bleiben im Interesse der Allgemeinheit prinzipiell frei und dürfen nicht durch das Urheberrecht monopolisiert werden.
Ebenso wenig sind die abstrakte Problemstellung für ein Programm oder die Leitgedanken für die zu lösenden Problem geschützt. Nur die konkrete Manifestation, Form und der Ausdruck einer Idee, die nach außen hin in Erscheinung tritt, kann urheberrechtlichen Schutz genießen.
Geschützt ist also die exakte Formulierung, nicht aber seine Funktion oder Wirkung. Schreibt jemand einen Quellcode mit anderen Formulierungen oder in einer anderen Programmiersprache, dann ist das keine Verletzung des Urheberrechts, auch wenn die Software dieselbe Funktion ausführt beziehungsweise dieselbe Wirkung erzielt.
Liegt ein urheberrechtlicher Schutz vor, so ist der Programmcode gegenüber eine 1:1-Kopie ebenso geschützt, wie im Falle einer sklavischen Nachschaffung prägender Programmstrukturen und Komponenten und sonstiger wesentlicher inhaltlicher Strukturelemente, die Sammlung, die Auswahl und die Gliederung der Befehle. Damit ist aber auch zu konstatieren, dass es beispielsweise zulässig wäre, wenn ein Zweithersteller nach dem Besuch einer Computermesse oder gar probeweiser Nutzung der Software eine Software schafft, die funktionsidentisch zu einer bereits existierenden Software ist. Eventuell kann jedoch eine unlautere Geschäftspraktik im Sinne des UWG vorliegen.
Praxis-Input
Wenn es darum geht, zu überprüfen, ob eine Software urheberrechtlichen Schutz genießt, ist folgende Frage an den oder die Entwickler*in zielführend: „Hätte das, was ein Code Bestandteil in der Anwendung bewirkt, auch auf anderem Wege programmiert werden können?". Eine Beantwortung mit „Ja" deutetet darauf hin, dass eine Individualität und somit schöpferische Leistung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes vorliegen.
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Der Text ist im März 2022 erschienen unter https://www.digital-recht.at/wann-ist-eine-software-urheberrechtlich-geschuetzt-2/