An der Fähigkeit Trumps, die Vorhaben Steuerreform, Deregulierung und Infrastrukturprojekte zeitnah umzusetzen, werden immer größere Zweifel laut. Vorangekommen ist er damit jedenfalls bisher nicht nennenswert. Aktuell richten sich die Erwartungen auf die Steuerreform. Die Trump-Administration hatte das Thema in den zurückliegenden Tagen wieder aufgewärmt. In dem Zusammenhang setzt man Hoffnungen in den Goldman-Sachs-Abkömmling Gary Cohn, Trumps ökonomischen Chefberater, nachdem dessen Widersacher Bannon abgetreten ist, Trumps oberster strategischer Berater.
Nach dem Ende der Sommerpause des US-Kongresses muss nun Bewegung in diese Pläne kommen. Dabei geht es aber zunächst um etwas anderes, nämlich die Anhebung der Schuldengrenze. In diesem Zusammenhang hat Trump die Finanzierung seiner Mauer zu Mexiko ins Spiel gebracht – angeblich nimmt er sogar einen teilweisen Staatsbankrott inkauf, wenn deren Finanzierung im Rahmen der Anhebung des Schuldendeckels nicht gesichert wird.
Nach der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nach Labor Day (4.9.2017) bleiben dem Kongress zwölf Tage Zeit, die Kuh der Anhebung der Schuldenobergrenze vom Eis zu bringen. Erst dann können Themen wie die Steuerreform oder auch das Infrastrukturprogramm angegangen werden. Damit bietet der saisonal volatile bis schwache September zahlreiche Anlässe für heftige Kursbewegungen.
Der Gründer des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater Associates, Ray Dalio, zählte einmal zu jenen, die geglaubt haben, dass Trumps Vorhaben geeignet seien, das Wachstum der US-Wirtschaft anzukurbeln. In den vergangenen Wochen ist Dalio jedoch auf Distanz gegangen, er zeigt sich über die ökonomische und politische Entwicklung besorgt und fährt die Investitionen seines Fonds zurück. Stattdessen empfiehlt er Gold. Die sich in Bezug auf die politische Lage ergebenden Risiken sind aktuell kaum noch überschaubar, schreibt er.
In diesem Zusammenhang ein Blick auf einen makroökonomischen Indikator, der wie die reinen Stimmungsindikatoren aus der Geschäftswelt zeigt, dass es auch in der US-Industrie einen gewissen Optimismus hinsichtlich der Wirkungen der Trump-Pläne gab: Nachdem seit Mitte 2012 die neuen Aufträge für Kapitalgüter im Jahresvergleich nur noch um die Nulllinie oszillierten und ab Herbst 2014 sogar in den negativen Bereich rutschten, begannen sie zu Jahresbeginn zuzulegen bis auf plus 5,8% im Juni. Offenbar gab es genügend Firmenlenker, die die Trumpschen Vorhaben günstig beurteilten. Im Juli gingen die Aufträge wieder etwas zurück – man darf gespannt sein, wie sich die Investitionsbereitschaft nun weiter entwickelt (Chartquelle). Die Stimmung nach ISM-Index hat sich im Juli ebenfalls leicht abgekühlt.
Nicht nur die Stimmung in den Chefetagen ist auf einem recht hohen Niveau, auch das Verbrauchervertrauen nach Conference Board bewegt sich nahe einem 16-Jahres-Hoch. Auch die Entwicklung der Preise der Industriemetalle unterlegt einen vergleichsweise guten Zustand der Weltwirtschaft, Kupfer bewegt sich auf drei-Jahres-Hoch. Der US-Markit-Flash-PMI zeigt für August einen Anstieg um 1,4 auf 56 Punkte. Dabei zeigt der Teil-Index für die Fertigung leichte Schwäche, der Service-Index legt deutlich zu.
Ein Bullenmarkt stirbt in Euphorie vor einer heraufziehenden Rezession und/oder in übermäßigem Liquiditätsentzug. Euphorie aber sehe ich nicht, nicht in der Bewegung der Aktienkurse, nicht in der Stimmung der Wirtschaft. Was ich sehe, sind überall Anzeichen von Vorsicht und Zurückhaltung – z.B. im Verlauf des IRX, bei den High-Yield-Spreads und im TED-Spread (siehe hier!). Das passt eher zu einer Konsolidierungs- bis begrenzter Korrekturphase – ein scharfer Einbruch nicht ausgeschlossen.
Die Fed hätte vor vier oder fünf Jahren beginnen müssen, die Leitzinsen nach oben zu schrauben – statt sich um eine stabile wirtschaftliche Basis zu kümmern, hat sie es vorgezogen, die Finanzindustrie zu alimentieren und Blasen zu züchten. Jetzt ist es angesichts der Reife des gegenwärtigen Konjunkturzyklus zu spät für eine wirkliche Straffung der Geldpolitik. Das Geldmengenaggregat „Money Zero Maturity“, ein Maß für die Versorgung mit liquidien Mitteln, sinkt zwar von seinem jüngsten Hoch bei 7% jährlichem Zuwachs im Juni 2016 aus beständig ab auf jetzt 4,6%, das liegt aber immer noch deutlich über dem nominalen BIP-Wachstum. Auch wenn sich der Wert seit April unter seinem längerfristigen Trend entwickelt, bleibt die Versorgung mit liquiden Mitteln damit expansiv. (Immer wieder auch bemerkenswert, das historische Tief in der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, einem Maß für wirtschaftliche Aktivität.)
Für die EZB gilt Ähnliches. Die großen Akteure an den Finanzmärkten haben ihrem Präsidenten Draghi am Freitag einen Warnschuss verpasst und den Euro gegen Dollar auf über 1,19 getrieben. Will heißen: Lass Dein QE-Programm im wesentlichen unangetastet, sonst geht der Euro durch die Decke. Gut, das ist jetzt etwas platt. Aber die EZB muss damit rechnen, dass bei einer übermäßigen Straffung ihrer Geldpolitik immer mehr Carry-Tade-Kredite in Euro zurückgeführt werden. Das treibt den Euro weiter hoch, führt zu weiterer Kreditauflösung und tangiert darüber hinaus übergangsweise die Wettbewerbssituation der Exportwirtschaft insbesondere in Deutschland. Die Wirtschaft in Kern-Europa ist zwar etwas angelaufen, bewegt sich aber nicht in so stabilen Bahnen, dass sich die EZB eine weitere, deutliche Stärkung des Euro leisten kann, ohne zu riskieren, dass das Kartenhaus gleich wieder zusammenfällt.
Keiner in den Zentralbanken will sich später dem Vorwurf aussetzen, man hätte die Konjunktur abgewürgt – also werden die Liquiditätsschleusen, wenn überhaupt, nur sehr, sehr langsam ein wenig verengt. Wie gesagt, damit hätte man schon vor Jahren beginnen müssen…
Also bleibt die Versorgung der Finanzindustrie mit Liquidität auf recht hohem Niveau. Von dieser Seite droht damit kein schnelles Ende des Bullenmarktes.
Die Entwicklung der Kredite zeigen kein euphorisches Überschäumen der Wirtschaft – im Gegenteil. Ende 2015 lag das jährliche Wachstum der Bankkredite bei 8,3%, aktuell werden lediglich 3,5% erreicht. Bildet man die Differenz der jährlichen Veränderungen des oben erwähnten Geldmengenaggregats und der Bankkredite und stellt das Ergebnis dem BIP-Wachstum gegenüber, so scheint ebenfalls noch kein kritischer Punkt erreicht (bezogen auf die Verhältnisse im seit den frühen 1980er Jahren aktiven Kreditzyklus). Weder explodieren die Bankkredite, noch kommt es zu einer ausgeprägten Liquiditätspräferenz, noch entwickelt sich das BIP im Verhältnis dazu zu schwach (Chartquelle)
Ist dieses Mal alles anders und die großen Akteure an den Finanzmärkten schleichen sich schon sehr früh langsam und dauerhaft davon? Sicher neigen sie aktuell dazu, Liquidität zu parken, aber ohne klare Anzeichen einer bevorstehenden Rezession halte ich einen strategischen Ausstieg für unwahrscheinlich. Eher geschieht zuvor das Gegenteil – in einer ausgeprägten Welle von gigantischen Firmen-Übernahmen mit entsprechenden starken Kursbewegungen wird versucht, das „letzte“ billige Geld nutzen, um sich für einen Abschwung gerüstet zu fühlen (siehe auch hier: Ein letztes Hurra zum Ende des Bullenmarktes.)
Die gegenwärtige Phase der Zweifel an Trump passt „perfekt“ zu der laufenden Konsolidierung bei den Aktienkursen. Die sind in einer solchen Phase anfällig für alle möglichen äußeren Einflüsse, was nichts anderes bedeutet, als dass mit erhöhter Volatilität gerechnet werden muss. Bei diesen „äußeren Einflüssen“ spielt der Schuldendeckel kurzfristig eine große Rolle. Dann folgt die Steuerreform, das mittelfristig bedeutendere Thema.