Wenn sich Apparate der EU verselbstständigen und das »Big Picture« nicht mehr sehen, ist die Folge eine No-Win-Situation – wie die Frage nach dem Umgang mit rezyklierten Gesteinskörnungen zeigt.
Die sogenannte Überbürokratisierung scheint ganz offensichtlich immer in Mode zu sein, zuletzt gefühltermaßen besonders. Über dieselbe lässt sich immer echauffieren, genauso wie über das Wetter oder die Jugend, oder die Konzerne – wer auch immer damit genau gemeint ist. Jedenfalls lassen sich hervorragend Diskussionen aller Art dazu führen. Das bringt der Sache naturgemäß wenig, aber ist für viele ein Ventil und Ausdruck der eigenen Ohnmacht. Um die Diskussion zu versachlichen, sei jedoch ein Beispiele der jüngsten Zeit angeführt, das wohl zurecht Öl ins Feuer des Lamentos gießt.
Nicht an einem Strang
Konkret geht es um die letzten Ambitionen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Diese hat in ihrem Positionspapier zu Recyclingmaterial Ende 2023 festgehalten, dass rezyklierte Gesteinskörnungen unabhängig ihres Ursprungs unter das Chemikalienregime fallen müssen. Ausgenommen sind Abfälle an sich, also Gesteinskörnungen, die das Abfallende aufgrund von Grenzwerten beispielsweise nicht erreichen. Die vielen Einsprüche, dass die Anwendung rezyklierter Gesteinskörnungen im Bauwesen vor allem durch deren geometrische und mechanische Eigenschaften definiert wird und die Chemie des Einzelkorns für den Verwendungszweck irrelevant sei, lässt man nicht gelten. Ebenso wenig den Hinweis, dass bei nicht erreichen des Abfallendes das Abfallregime greife. Das Einzelkorn sei maßgebend, nicht die gesamte Mischung, heißt es aus Helsinki. Dass man es oftmals mit Theoretikern beim Gegenüber zu tun hat, kommt vor, dass man aber rationalen Argumenten und den Hinweis auf die Praxis – die Sieblinie ist wohl eines der wichtigsten Kriterien im Bauwesen – nicht zugänglich ist, scheint neu zu sein. Es kommt daher zur skurrilen Situation, dass die Kreislaufwirtschaftsinitiative der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission zwar den vermehrten Einsatz von rezykliertem Material fordert. Eine andere unabhängige europäische Einrichtung namens ECHA hingegen nach Jahrzehnten plötzlich zu dem Schluss kommt, dass man bei rezyklierten Gesteinskörnungen dem Chemikalienrecht unterliege. Wer also bereits einmal verwendete Gesteinskörnungen aus dem Straßen- oder Hochbau aufbereitet und wiederverwendet, hat das Pech im Abfallregime zu bleiben oder falls doch ein Abfallende erreichbar ist, das Pech, dass man unter das Chemikalienrecht fällt. Eine No-Win-Situation für den sekundären Rohstoffstrom, der diesen zusätzlich verteuert.
Entwicklungsbremse
Ganz offensichtlich scheinen sich Apparate von Zeit zu Zeit zu verselbstständigen und dabei das große Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Denn wie soll ein derartiger Zugang die vermehrte Anwendung von Recycling unterstützen? Untergräbt man nicht schlichtweg auch die Intentionen des Green Deal und des Kreislaufwirtschaftspakets? Dass derartige Entwicklungen auch für Verdruss sorgen, liegt auf der Hand und behindert einmal mehr die Weiterentwicklung.n