Saturday, December 20, 2025

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Bau | Immobilien

Viele Jahre wurde für das Bestbieterprinzip gekämpft. Jetzt schlagen Vergaberechtsexperten und prominente Branchenvertreter Alarm. Denn mit der geplanten Vergaberechtsnovelle droht das Aus durch die Hintertür. Auch Kalmierungsversuche aus dem Justizministerium können die Wogen nicht glätten.

 

Die österreichische Bundesregierung plant für 2026 eine umfassende Novellierung des Bundesvergabegesetzes (BVergG). Die Begutachtungsphase zur geplanten Gesetzesänderung endete am 7. November, am 11. November folgte die Übermittlung der Stellungnahmen ins Justizministerium. Der Gesetzesbeschluss soll zeitnah erfolgen. »Der parlamentarische Prozess ist bereits angelaufen und endet planmäßig durch Beschluss noch in diesem Jahr«, heißt es aus dem Justizministerium. Durch die verpflichtende Miteinbeziehung der Bundesländer ist mit einem Inkrafttreten frühestens am 1. März 2026 zu rechnen.

Wird das Gesetz in der vorliegenden Fassung beschlossen, könnte das weitreichende Konsequenzen für das Bestbieterprinzip haben. De facto könnte das Bestbieterprinzip damit Geschichte sein, ist Vergaberechtsexperte Stephan Heid von Heid und Partner Rechtsanwälte überzeugt. Auch bei vielen Branchenvertretern läuten die Alarmglocken.

Was bisher geschah
Das aktuelle Bundesvergabegesetz sieht bei Bauaufträgen über 1 Mio. Euro zwingend vor, dass dem »technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot« (= »Bestangebot«) zugeschlagen werden muss. Es ist festgelegt, dass dies »anhand von bekannt gegebenen Zuschlagskriterien« zu erfolgen hat. Damit ist laut Heid klar, dass bei hohen Bauauftragswerten neben dem Preis zumindest ein zweites, insbesondere qualitatives, Zuschlagskriterium erforderlich ist.

Im Entwurf der Vergaberechtsnovelle 2026 wird diese Pflicht zum Bestbieter laut Heid aufgegeben. »Anstelle dessen soll ein »horizontaler Bestbieter« ausreichend sein, der nach Wahl des Auftraggebers auch der Billigstbieter sein kann, wenn er nur ökologische, soziale, innovative etc. Mindestvorgaben in der Ausschreibung einhält«, so Heid. Da helfe es auch nicht, dass noch im Ministerialentwurf vorgesehen war, dass bei Bauaufträgen, deren geschätzter Auftragswert mindestens 1,5 Mio. Euro beträgt (…) jedenfalls ökologische Aspekte zu berücksichtigen sind.

»Denn diesem Gebot kann der Auftraggeber wiederum z. B. nur durch Mindestvorgaben in der Leistungsbeschreibung wie etwa »grüne Baustoffe« nachkommen. Also ohne zweites Zuschlagskriterium neben dem Preis«, so Heid. Seine Conclusio: »Wenn die Novelle so kommt, wird es für viele Baufirmen keine Möglichkeit mehr geben, nicht nur mit einem guten Preis, sondern auch mit der besonderen Qualität ihres Angebots im Vergabewettbewerb zu siegen.«

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Bild: »Wenn die Novelle so kommt, wird es für viele Baufirmen keine Möglichkeit mehr geben, nicht nur mit einem guten Preis, sondern auch mit der besonderen Qualität ihres Angebots im Vergabewettbewerb zu siegen«, sagt der führende Vergaberechtsexperte Österreichs, Stephan Heid.

Reaktionen der Branche
Unzufrieden mit dem vorliegenden Entwurf sind auch weite Teile der Bauwirtschaft (siehe unten). So sieht Markus Engerth, Vorstandsmitglied der Strabag, einen »deutlichen Rückschritt im Vergabeprinzip«. Wenn das Bestbieterprinzip aufgegeben wird, gehe die Chance verloren, Qualität und Innovation im Wettbewerb zu fördern. »Ein Verfahren, das sich primär am niedrigsten Preis orientiert, öffnet Tür und Tor für Dumpingangebote, die später über Nachträge und Claims kompensiert werden.« Einen »klaren Rückschritt« sieht auch Hubert Wetschnig, CEO der Habau Group. »Die geplante Abkehr vom Bestbieterprinzip bei Bauaufträgen widerspricht nicht nur der bisherigen Gesetzeslogik, sondern auch der gelebten Ausschreibungspraxis unserer öffentlichen Infrastrukturauftraggeber«, so Wetschnig. Wenn künftig der Zuschlag auch an den Billigstbieter erfolgen kann – allein unter der Bedingung, dass Mindestvorgaben erfüllt werden – drohe eine systematische Entwertung qualitativer Angebotsmerkmale.

»Das gefährdet die Bauqualität, schwächt Innovationsanreize und erhöht das Risiko von Nachträgen und Bauverzögerungen«, so der Habau-Chef. Und auch für den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, geht der vorliegende Entwurf »in die falsche Richtung«. Statt Qualität, regionale Wertschöpfung und faire Arbeitsbedingungen zu stärken, würde der Entwurf den Weg zurück zum reinen Billigstbieter freimachen. »Das steht komplett im Widerspruch zu allem, was die Bauwirtschaft als Konjunkturmotor der gesamten Wirtschaft jetzt braucht«, so Muchitsch. Wenn der Preis plötzlich wieder allein ausschlaggebend sein kann, würden heimische Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil verlieren. »Qualität, Fachkräfte, Ausbildung, sichere Arbeitsplätze und saubere Produktionsbedingungen wären im Vergabeverfahren kaum mehr etwas wert«, kritisiert der oberste Bau-Gewerkschafter.

Peter Krammer, CEO Swietelsky und Obmann des Fachverbands der Bauindustrie der WKO, hingegen kann dem Entwurf auch positive Aspekte abgewinnen. »Positiv hervorzuheben ist die Anhebung des Schwellenwerts auf 1,5 Mio. Euro, ab dem ökologische Aspekte verpflichtend zu berücksichtigen sind.« Das ist keineswegs ein Schritt zu weniger Nachhaltigkeit, sondern vor allem ein Beitrag zur Vereinfachung der Vergabeverfahren. Zudem gibt er zu bedenken, dass die Qualität eines Vergabeverfahrens nicht allein von gesetzlichen Vorgaben abhängt, sondern maßgeblich von der Haltung des öffentlichen Auftraggebers. »Wer kooperativ, strategisch und zukunftsorientiert agiert, wird auch unter den neuen Rahmenbedingungen ein echtes Bestbieterverfahren durchführen«, so Krammer.

Ganz ähnlich der Standpunkt von Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. »Ich erwarte, dass sich an der bisherigen Praxis wenig ändern wird. Diejenigen Auftraggeber, die den Wert echter Qualitätskriterien kennen, werden diese auch weiterhin einsetzen.« Zumindest bei der Asfinag stößt Strauss damit auf offene Ohren. »Wir vergeben bereits seit sehr vielen Jahren, auch schon vor dem BVergG 2018, unsere Bauleistungen in der Regel nach dem Bestbieterprinzip«, erklärt der Geschäftsführer der Asfinag Baumanagement GmbH, Andreas Fromm. Dies will die Asfinag, die Qualität der Bauwerke und deren Herstellung erhöhen und Anreize für Weiterentwicklungen wie etwa im Bereich der Digitalisierung, der ökologischen Nachhaltigkeit oder der Arbeitssicherheit bei größtmöglichem Wettbewerb schaffen. Zudem sollen damit Innovationen der Baufirmen, Stichwort Alternativangebote, zugelassen und gefördert werden. »Für uns als Auftraggeber wird diese Änderung des BVergG, sofern sie so verabschiedet wird, an der Vergabe der Bauleistungen nach dem Bestbieterprinzip im Wesentlichen nichts ändern«, so Fromm.

Stellungnahme des Ministeriums
Fakt ist, dass der Entwurf für die handelnden Personen komplett überraschend kam. Nichts deutete auf diese gesetzliche Kehrtwende hin. Eine – in solchen Fällen durchaus übliche – breite Kommunikation mit und Konsultation durch die Branche fand nicht statt. Im Justizministerium versucht man zu kalmieren. »Grundsatz bleibt das Bestbieterprinzip, das Billigstbieterprinzip kann nur in Ausnahmefällen angewendet werden.«

In Paragraph 91Absatz 4 des Bundesvergabegesetzes in zukünftiger Fassung heißt es: »In den Ausschreibungsunterlagen ist anzugeben, ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden soll. Der Zuschlag ist grundsätzlich dem aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen, das aufgrund des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses entweder anhand eines Kostenmodells oder anhand von bekannt gegebenen Zuschlagskriterien zu ermitteln ist. Ein Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis ist nur zulässig, sofern es sich um eindeutig und vollständig beschriebene Leistungen handelt.« Damit wird laut Justizministerium dem Zuschlag an das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot, an den sogenannten Bestbieter, ganz grundsätzlich der Vorrang eingeräumt.

Vergaberechts-Experte Stephan Heid sieht das anders bzw. weiß er, wie juristische Hintertürchen genutzt werden können, wenn sie nur einen kleinen Spalt geöffnet werden. »Die ›Ausnahme‹ war vor der ›Bestbieter-Novelle 2016‹ de facto die Regel und sie wird es auch jetzt wieder werden.« Der weitaus überwiegende Teil aller Bauausschreibungen von Bund, Ländern und Gemeinden erfolgt seit jeher mit einem sogenannten »konstruktiven Leistungsverzeichnis«, also der AG-seitigen Vorgabe von vielen detaillierten Leistungspositionen, die vom Bieter mit (Einheits-)Preisen auszupreisen sind. »Das ist dann die angesprochene »eindeutig und vollständig beschriebene Leistung«, die es künftig erlauben wird, auch bei Projekten mit einem Auftragswert von über 1 Mio. Euro den Preis wieder mit 100 % zu gewichten.« Seine düstere Prognose: »Wir werden zukünftig in weit über 50 % der Bauausschreibungen den Preis wieder zu 100 % gewichtet sehen.«

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Bild: »Für uns als Auftraggeber wird die Novelle, sofern sie so verabschiedet wird, an der Vergabe der Bauleistungen nach dem Bestbieterprinzip im Wesentlichen nichts ändern«, kann Geschäftsführer Andreas Fromm zumindest für die Asfinag Entwarnung geben.


Die Stellungnahmen der Branche zur geplanten Vergaberechtsnovelle (alphabetisch)


Markus Engerth, Unternehmensbereichsleitung Österreich & Vorstandsmitglied Strabag

»Der aktuelle Entwurf stellt einen deutlichen Rückschritt im Vergabeprinzip dar. Wenn das Bestbieterprinzip aufgegeben wird, verlieren wir die Chance, Qualität und Innovation im Wettbewerb zu fördern. Gerade jetzt wäre Value Engineering entscheidend, um nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu sichern – doch dieser Aspekt kommt im Entwurf viel zu kurz.«


Peter Krammer, CEO Swietelsky und Obmann des Fachverbands der Bauindustrie der WKO

»Die Qualität eines Vergabeverfahrens hängt nicht allein von gesetzlichen Vorgaben ab, sondern maßgeblich von der Haltung des öffentlichen Auftraggebers. Wer kooperativ, strategisch und zukunftsorientiert agiert, wird auch unter den neuen Rahmenbedingungen ein echtes Bestbieterverfahren durchführen. Wer hingegen in traditionellen Mustern verharrt und qualitative Aspekte wie Ökologie, Erfahrung oder Innovationskraft nur formal berücksichtigt, wird dies auch künftig tun – unabhängig davon, wie scharf oder weich die gesetzlichen Vorgaben formuliert sind.«


Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz

»Der vorliegende Entwurf geht leider in die falsche Richtung. Statt Qualität, regionale Wertschöpfung und faire Arbeitsbedingungen zu stärken, würde er den Weg zurück zum reinen Billigstbieter freimachen. Genau das steht im Widerspruch zu allem, was die Bauwirtschaft als Konjunkturmotor der gesamten Wirtschaft jetzt braucht. Wenn Preis plötzlich wieder allein ausschlaggebend sein kann, verlieren heimische Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil: Qualität, Fachkräfte, Ausbildung, sichere Arbeitsplätze und saubere Produktionsbedingungen wären im Vergabeverfahren kaum mehr etwas wert.«


Karl-Heinz Strauss, CEO Porr

»Der neue Entwurf zum Vergabegesetz sieht vor, dass der Auftraggeber alternativ auch andere Aspekte anstelle qualitativer Zuschlagskriterien festlegen kann. Dennoch ist zu erwarten, dass sich an der bisherigen Praxis wenig ändern wird. Diejenigen Auftraggeber, die den Wert echter Qualitätskriterien kennen, werden diese auch weiterhin einsetzen.«


Hubert Wetschnig, CEO Habau Group

»Der aktuelle Entwurf zur BVergG-Novelle 2026 stellt aus meiner Sicht einen klaren Rückschritt dar. Die geplante Abkehr vom Bestbieterprinzip bei Bauaufträgen widerspricht nicht nur der bisherigen Gesetzeslogik, sondern auch der gelebten Ausschreibungspraxis unserer öffentlichen Infrastrukturauftraggeber. Wenn künftig der Zuschlag auch an den Billigstbieter erfolgen kann – allein unter der Bedingung, dass Mindestvorgaben erfüllt werden –, droht eine systematische Entwertung qualitativer Angebotsmerkmale. Das gefährdet die Bauqualität, schwächt Innovationsanreize und erhöht das Risiko von Nachträgen und Bauverzögerungen.«

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