Sunday, December 07, 2025

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Kunstexperte Josef Renz baute in Niederösterreich aus alten Bauteilen sein Zentrum für antike Schätze. Antiquitäten sind für ihn Leidenschaft, Verantwortung, aber auch ein Investment in die Zukunft.

Kunstexperte Josef Renz handelt seit über 30 Jahren mit Antiquitäten.


Fährt man beim Antiquitätenzentrum Renz im ruhigen Kreisbachtal südlich von St. Pölten vor, könnte man das Gebäude auf den ersten Blick für einen stattlichen Mostviertler Vierkanthof halten, der sich seit Hunderten von Jahren sacht in die Landschaft schmiegt. Liebhaber von historischem Mobiliar und anderen Schätzen wissen aber, dass sich hinter den weiß gekalkten Mauern auf mehreren Tausend Quadratmetern ein Ausstellungsraum für Antiquitäten verbirgt – in einem Haus, das historisch aussieht und auch aus viel altem Material besteht, dessen Geschichte aber erst vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert begann.

Die Waren im Inneren sind wesentlich älter als das Haus selbst: zerbrechliches Porzellanservice mit dutzenden Teilen liegt elegant angeordnet auf massiven Historismus-Holztischen, unter Kristalllüstern schauen in Prachtroben gewandete Adelige aus ihren vergoldeten Rahmen. Im ersten Stock wetteifern liebevoll restaurierte Bauernmöbel mit Jugendstilkommoden und Biedermeieruhren um die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher, Heiligenfiguren aus der Renaissance harren neben afrikanischen Masken auf ihre Käufer. In Renz’ Restaurationswerkstatt hängen unzählige alte Geigen und andere Instrumente, Wachauer Goldhauben warten im Lager darauf, an ein Auktionshaus verkauft zu werden.

Hausherr Josef Renz ist in der Welt der Antiquitäten kein Unbekannter. Der 59-jährige Wilhelmsburger entdeckte seine Leidenschaft zu antiken Kleinoden am Dachboden des elterlichen Bauernhofs, stöberte unter alten Lampen in verstaubten Kredenzen und freute sich über seine Funde. »Schon damals war ich ein Jäger der verlorenen Schätze.«

Sein Weg zu einem der renommiertesten Antiquitätenexperten Österreichs war durchaus steinig: Schon als Zehnjährigen musste er arbeiten gehen, um seinen Eltern zu helfen, die jüngeren Geschwister zu ernähren. Als Jugendlicher in die Sonderschule gesteckt, ermöglichte ihm ein befreundeter Professor den Übertritt in die Hauptschule, die der junge Josef mit Auszeichnung abschloss. Die Lehre zum Tischler und Restaurator bildete die Grundlage seines professionellen Lebens.

»Ich hatte eine sehr bodenständige Ausbildung in einem kleinen Tischlereibetrieb. Wir haben noch gelernt, wie man Stiegen, Türen oder Fenster händisch herstellt – das lernt man heute nicht mehr.« In dieser Zeit erwachte seine Faszination für traditionelles Handwerk, die bis heute anhält. »Ich habe mir uralte Bücher über alte Werkzeuge gekauft, die speziell für die Körper der Handwerker angefertigt wurden und mit denen man viel schneller und effizienter arbeitet.« Seine Bibliothek umfasst inzwischen über 8.000 Bücher, darunter viel seltene Fachliteratur über Möbel und Restauration. Bände über Bände voll mit überliefertem Fachwissen über Farben, Polituren, Oberflächen oder Vergoldungen – zum Teil sogar noch aus dem 16. und 17. Jahrhundert. »Das sind sehr rare überlieferte Rezepturen, man nirgendwo mehr findet.«

Bis heute restauriert er ausgewählte Stücke selbst. An Kommoden aus der Renaissance oder Tischen mit delikaten Intarsien schätzt Renz nicht nur den historischen Wert, sondern auch die gelungene handwerkliche Umsetzung früherer Jahrhunderte. »Diese Technik geht verloren, die Materialien gehen verloren, das Wissen geht verloren.«

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Bild: Heilige Ruhe: Renz restauriert und verkauft auch alte Sakralstatuen.

Ausflugsziel mit Schwalben­nestern
Mit Mitte 20 übernahm Josef Renz einen Antiquitätenladen in St. Pölten. Damals begann er, historische Fenster, Türen und andere Bauteile zu sammeln. »Die schönsten habe ich immer auf die Seite gelegt, dokumentiert und mir dann ein Modell gemacht, wie mein Antiquitätenzentrum aussehen soll.« Mit zwei Helfern und Holz aus dem eigenen Wald baute er ab 1998 etappenweise sein Traumhaus für antike Schätze. Der Bau im Stil eines Bauernhofs aus dem des frühen 19. Jahrhunderts umfasst mit Lager und Restaurierungswerkstätten inzwischen über 5.000 m2. Renz weiß viel von den historischen Bauteilen zu erzählen: Von magischen und weltlichen Markierungen auf Holzbalken oder von vier Schweizer Buntglasfenstern aus den 1760er Jahren, die er vor den Baggern eines Abbruchhauses rettete, indem er die Bauarbeiter zum Mittagessen einlud.

Eine Herausforderung beim Bau des Zentrums war, dass er während des Prozesses immer noch besondere Stücke fand, die er unbedingt einbauen wollte. Platz war jedenfalls genug, wobei es ihm auch wichtig war, dass das Haus nicht zu ausufernd wurde. »Schon als Kind hatte ich immer ein Idealbild eines Bauernhofes, der muss eine zwar eine gewisse Größe haben, aber auch eine gewisse Menschlichkeit, und er darf nicht protzig sein.«

Die einzelnen Räume sollten die richtigen Dimensionen haben, damit Kundinnen und Kunden sich leichter vorstellen konnten, wie die Möbel, Kredenzen oder Lampen in ihrem eigenen Zuhause aussehen könnten. Renz plante Details wie die passende Beleuchtung und musikalische Untermalung, montierte Schwalbennester im Hof »als Glücksbringer« und pflanzte Holunderbüsche um das Haus, denn die seinen auch sehr wichtig für »die Mystik eines Bauernhofs«.

Das 60 Kilometer von Wien entfernte Haus mit einem Teich im Garten, umstanden von Bäumen und Rosenbüschen, war bewusst als Ausflugsziel konzipiert. »Mein Gedanke war, dass Kinder Enten füttern oder eine Runde in der Natur oder spazieren gehen können, während die Eltern Antiquitäten kaufen.« Historische Bausubstanz rettet Renz nach wie vor, in seinem Lager finden sich Bauteile von Jugendstil-Villen von Josef Olbrich und des Hoffmann-Schülers Hans Ofner.

Stammkunden als Schlüssel zum Erfolg
Zwar hat das Antiquitätenzentrum nur samstags und nach Vereinbarung geöffnet, seit seiner Gründung lädt Josef Renz seine Kundinnen und Kunden dreimal pro Jahr zu mehrtägigen Hausmessen ein – zu einer Frühlings- und einer Herbstausstellung, und einer Weihnachtausstellung mit Glühwein und alten Krippen. Diese Sonderevents sind für neue Interessenten gedacht, aber auch für Liebhaberinnen und Liebhaber alter Schätze, mit denen er schon seit Jahrzehnten verbunden ist. »Mir ist es wichtig, dass die Stammkunden der ersten Stunde immer noch zu mir kommen. Stammkunden sind der Schlüssel zum Erfolg eines Kunstshändlers«. Die Sammlungen seiner ersten Käuferinnen und Käufer löst er inzwischen wieder auf, erzählt von verstorbenen Kunden, die im Testament festgeschrieben hatten, er möge für ihre Antiquitäten neue Besitzer finden, die sie zu schätzen wüssten.

Der Kunstschatz-Jäger
Die im Haus ausgestellten Antiquitäten findet Josef Renz nicht nur zufällig bei Räumungen, er sucht auch aktiv nach verschollenen oder verloren geglaubten Kunstwerken, aber auch Gegenständen mit historischer Bedeutung. Vor einiger Zeit rettete er zum Entzücken der Alpin-Historiker Skier von Wintersport-Pionier Mathias Zdarsky. Bei einer Auktion identifizierte sein geschultes Auge einen Schreibtisch, der sich als Eigentum der russischen Zarenfamilie herausstellte und den Nazis 1943 aus Schloss Peterhof gestohlen hatten. »Ich ersteigerte ihn, weil ich fünf Jahre zuvor in der Eremitage war und ein Aquarell mit dem Schreibtisch gesehen hatte. Vor der Auktion flog ich noch einmal in die Eremitage und kontrollierte, ob das tatsächlich dasselbe Stück ist.« Weltweite Schlagzeilen erntete der Wilhelmsburger durch den Fund eines frühen Klimt-Bilds vor einigen Jahren.

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Bild: Im Sommer öffnet sich dieses Zimmer in den Innenhof.

Die Staatsvertrag-Zither von Julius Raab entdeckte er auf einem Dachboden, sogar mitsamt den Notenblättern, auf die Molotow und Chruschtschow Passagen des Staatsvertrags geschrieben hatten. »Die Kunstdetektei ist mein Steckenpferd. Wenn ich etwas höre und es macht Klick, bin auf der Jagd und mache mir Notizen. Zwei Jahre später gibt es vielleicht die nächste Info. Manchmal kann es auch ein kleiner Satz bei einem Telefonat sein, bei dem ich mir denke: du musst dorthin fahren, weil da etwas interessantes sein könnte. Mein fotografisches Gedächtnis ist eigentlich mein Hauptgewinn. Ich sehe ein Bild und merke es mir. In zehn Jahren kann ich dann noch sagen, wo dieses Bild hängt und wie viel es kostet.«

Renz fahndet bewusst nicht nur nach Dingen, die sich verkaufen lassen. Ihn motiviert die Rettung historischen Kulturguts, seine Funde stiftet er immer wieder verschiedenen Institutionen. Neulich kaufte er den Nachlass eines bekannten österreichischen Widerstandkämpfers mit wichtigen zeithistorischen Dokumenten auf, damit er nicht verloren geht. »Das gehört in ein Museum, damit es öffentlich zugänglich wird.«

Dass Stücke sich in sein Gedächtnis einbrennen, liegt auch daran, dass Josef Renz sich für die Besichtigung viel Zeit nimmt. Das hat für ihn mit Respekt für die Antiquitäten zu tun, und für die Handwerker, die sie erschufen. »Manche Stücke haben wirklich Herz und Seele, sind mehr als nur Stück Holz oder ein Stück Gold. Ich liebe das Verwurzelte, die Renaissance zum Beispiel. Das ist Qualität, die Jahrhunderte überdauert. Wenn ein Stück nach 400 Jahren noch immer etwas wert ist, kann man sein Kapital nicht besser anlegen.« Der Schlüssel zum Verständnis von Antiquitäten liegt für Josef Renz im Bewusstsein für die Vergangenheit. »Die Geschichte ist der Spiegel der Verantwortung.« 

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Bild: Aufgereiht: Möbel des neunzehnten Jahrhunderts im ersten Stock des Hauses.

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