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KI treibt die Wirtschaft an

Unternehmen müssen immer größere Datenmengen verarbeiten. Künstliche Intelligenz und Machine Learning können dabei helfen. Um tatsächlich einen Mehrwert zu erzielen, braucht es aber eine fundierte Strategie und Expertenwissen.


Die Bezeichnung »Artificial Intelligence« existiert bereits seit 1956 und ebenso lang beschäftigt sich die Forschung mit der Technologie dahinter. Doch erst seit etwa zehn Jahren ist der Begriff in aller Munde. Das Datenvolumen steigt weltweit rasant. So manches Unternehmen steht vor der wachsenden Herausforderung, relevante Daten zu filtern und zu strukturieren, um sie nutzen zu können. Wer Geschäftsprozesse auf diese Weise optimiert und beschleunigt, spart Ressourcen und hebt die Kundenzufriedenheit.

Ein echter Wettbewerbsvorteil entsteht, wenn die Daten nicht nur automatisiert verarbeitet, sondern auch zu Analysezwecken ausgewertet werden und in Managemententscheidungen einfließen oder sogar neue Geschäftsmodelle begründen. »Vom autonomen Fahren bis zur medizinischen Diagnose, von der Unterstützung bei Kundenanfragen bis zur Qualitätskontrolle in der Produktion: Die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz ziehen sich durch alle Branchen. Wer erkannt hat, wie wichtig KI heute schon ist und insbesondere künftig sein wird, sollte jetzt investieren«, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

KI ist keineswegs nur ein Spielzeug für Großbetriebe. Es gibt bereits Open-Source-Lösungen, die auch für mittelständische Unternehmen sinnvoll, leistbar und vor allem rasch umsetzbar sind. Dennoch stehen viele Unternehmen den neuen Technologien noch recht ratlos gegenüber.

Im Rahmen der Befragung für den »Digitalisierungsmonitor 2020« gaben 68 Prozent der Manager*innen an, nicht zu wissen, wie sie sich dem Thema KI nähern sollen. »Irgendwas mit KI« machen zu wollen, reicht als Ansatz sicher nicht aus. Es braucht ein klares Konzept und eine fundierte Strategie. Auf die Expertise von externen Spezialist*innen zu vertrauen, ist sicher kein Fehler, zumal die wenigsten Unternehmen über einen eigenen Data Scientist verfügen.



Qualität statt Menge

Obwohl der große Hype um KI & Co deutlich abgeflacht ist, verzeichnet die Branche starken Zulauf. Statt allgemeinen Anfragen der Unternehmen á la »Was ist mit KI möglich?« dominieren nunmehr konkrete Zielsetzungen: »Was können wir umsetzen, wie profitieren wir davon?« KI soll kein Selbstzweck sein – so viel ist den meisten klar. »Es bringen die besten Ideen nichts, wenn es dann nicht weiter in die Umsetzung geht«, erklärt Doris Lippert, Consulting Lead bei Microsoft Österreich.

Entscheidend für den Output ist eine hochwertige Datenbasis, aber nicht unbedingt eine große Datenmenge. Die Technologien sind inzwischen so weit entwickelt, dass auch Use-Cases mit wenigen hundert Datensätzen gute Ergebnisse liefern. Expert*innen gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel aller Daten in Unternehmen fehlerhaft sind – durch die schlechte Datenqualität gehen acht bis zwölf Prozent des operativen Gewinns verloren.

Sehr respektable Ergebnisse liefern die Dokumentenverarbeitungen mittels Machine Learning bzw. Deep Learning, die auf Algorithmen basierend Texte und Datenmuster erkennen können. Alle eingehenden physischen und elektronischen Postsendungen werden erfasst und klassifiziert. Rechnungen und Bestellungen oder sonstige Formulare können somit schneller abgewickelt werden.

Auch die digitale Sprachverarbeitung bekam in den letzten Jahren einen Schub. Assistenten und Chatbots agieren inzwischen deutlich versierter und umgänglicher. Mit dem »Debater« präsentierte IBM 2019 die erste Generation von Conversational AI, die mit Menschen über komplexe Themen diskutieren kann. In Kombination mit der Auswertung von Bild-,Video- und unstrukturierten Daten tun sich auch für IoT in der Industrie neue Anwendungsbereiche auf.

Ein »digitaler Sachbearbeiter« soll ab nächstem Jahr bei der Uniqa-Versicherung die menschlichen Kolleg*innen entlasten und den Bearbeitungsprozess beschleunigen. Von der Schadensmeldung bis zur Auszahlung in 24 Stunden – dieses ambitionierte Ziel will das Unternehmen mit einem KI-Tool des Start-ups Omnius schaffen. Geht in Österreich buchstäblich »die Welt unter«, wie während der schweren Unwetter im Sommer 2019, herrscht bei den Versicherungen Hochbetrieb. »An einem Wochenende gingen 19.000 Fälle bei uns ein«, erinnert sich Wolf Gerlach, COO bei Uniqa. Rund 340.000 Schäden an Autos und Häusern, u.a. durch umgestürzte Bäume oder Überflutungen, wurden gemeldet, eine Milliarde Euro an Versicherte ausbezahlt.



Sofie Quidenus-Wahlforss, Omnius: »Man muss als Entwickler*in auch schauen, was der Markt braucht.«


Derzeit läuft die Implementierung des mitlernenden Tools, das von fünf Österreicher*innen in Berlin gegründet wurde. In der Anfangsphase werden den Berater*innen noch einzelne Fälle zugespielt, die händisch freigegeben werden müssen. Schon bald soll die künstliche Intelligenz Routinefälle selbstständig abwickeln – den Mitarbeiter*innen bleibt somit mehr Zeit für Beratungsgespräche. »Wer einen Schaden hat, will schnelle Hilfe«, sagt Omnius-Chefin Sofie Quidenus-Wahlforss. »Lange auf eine Entscheidung der Versicherung zu warten, ist zermürbend.«


Vorteil für Pioniere

Auch renommierte IT-Player wie BearingPoint Austria setzen auf externen Input. Die Technologieberatung arbeitet gemeinsam mit der Grazer KI-Schmiede Leftshift One an einer automatisierten Hightech-Lösung für Support-Prozesse. Eine eigene Lösung namens »AIOS« (Artifical Intelligence Operation System) soll in erster Linie IT-Mitarbeiter*innen entlasten, die viel Zeit für »kleine« Probleme wie vergessene Passwörter, fehlende Zugriffsberechtigungen oder die Einrichtung einer neuen Software aufwenden.

»Der sogenannte IT-Helpdesk, der sich dieser Probleme annimmt, ist ein großer, kaum refinanzierbarer Kostenblock in vielen Unternehmen – und das obwohl etwa ein Drittel aller Anfragen wiederkehrend sind«, sagt Patrick Ratheiser, CEO von Left­shift One. AIOS erkennt die Inhalte, beispielsweise in Mail-Anfragen, und leitet die nötigen Maßnahmen ein – etwa indem es dem User die fehlenden Zugriffsrechte auf Dateien erteilt. Fehlen Angaben, werden sie vom System erfragt.


Damit geht die KI-Lösung weit über die Automatisierung von Geschäftsprozessen hinaus. Die Grazer sprechen deshalb von »Hyperautomation«, mit der auch unstrukturierte Daten erfasst werden können. BearingPoint-Geschäftsführer Markus Seme sieht großes Potenzial: »Ausnahmslos in allen Branchen, wo es IT-Support gibt, kann dieses System zu Effizienz- und Produktivitätssteigerung beitragen.«



Markus Seme, BearingPoint Austria: »Hyperautomation kann in allen Branchen mit IT-Support zu Effizienz- und Produktivitätssteigerung beitragen.«

Machine Learning und KI-Features beziehen indessen bereits in CRM-Lösungen wie »Sugar« ein. Die Software verknüpft historische Daten im Unternehmen mit Statistiken und Markttrends und errechnet daraus Chancen für einen künftigen Vertriebserfolg. »Das sind die ersten Schritte von KI-Systemen in Business-Software«, sagt Michael Ruzek, Geschäftsführer von LOGIN Software. »Eine KI kann sehr wohl neue Schlüsse aus Datenmaterial ziehen, die vielleicht im Tagesgeschäft untergehen würden, und gibt auch entsprechende Empfehlungen. Das ist der große Unterschied zu den Analysen, die man bisher hatte.«



Michael Ruzek, LOGIN Software: »Wie bei der Digitalisierung wird es auch bei der KI unterschiedliche Geschwindigkeiten der Unternehmen geben.«

Obwohl die derzeit zur Verfügung stehenden Lösungen noch nicht völlig ausgereift sind, verschaffen sie Unternehmen, die sich jetzt schon damit beschäftigen, einen Vorteil. Ruzek zieht einen Vergleich zur Digitalisierung: »Es wird auch bei der KI unterschiedliche Geschwindigkeiten der Unternehmen geben. Ich bin überzeugt, dass ein frühes Sammeln von Erfahrung später fast nicht mehr aufzuholen ist.«

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