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»Wir vernetzen Unternehmen«
Bild: Editel/Nadja Nemetz

Unternehmen, die ihre Prozesse noch nicht digitalisiert haben, verpassen im Geschäft mit großen Playern Chancen, meint Gerd Marlovits, CEO der EDITEL Austria GmbH, im Interview. Sein Unternehmen sorgt dafür, dass der Datenstrom nicht ins Stocken gerät.

Report: Hat Corona den digitalen Wandel nochmals angetrieben?

Gerd Marlovits: Angefeuert durch die Pandemie – Stichwort Homeoffice – haben einige Unternehmen die eingeschränkte Präsenz im Büro zum Anlass genommen, ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Das ist genau unser Geschäftsfeld: Wir vernetzen Unternehmen. Wir helfen dabei, Papier zu eliminieren und Geschäftsdokumente jeglicher Art elektronisch auszutauschen – und zwar unternehmensübergreifend. Das Akronym EDI steht für »Electronic Data Interchange« und bezeichnet unsere Kerntechnologie, die wir mittlerweile in unterschiedlichsten Facetten zur Anwendung bringen. Das Konzept gibt es seit fast 40 Jahren, es hat sich aber natürlich inzwischen sehr gewandelt. Zu Beginn war das eine elitäre Technologie, die sich nur die großen Akteure am Markt leisten konnten, etwa der Konsumgüterhandel und die Industrie. Alle Dokumente entlang der Wertschöpfungskette werden erfasst. Inzwischen bedienen wir über 20.000 Unternehmen in nahezu allen Sparten – überall dort, wo elektronischer Informationsfluss strukturiert und automatisiert stattfindet. Jährlich werden über 400 Millionen Transaktionen über unser Service abgewickelt.

Report: Welche Vorteile bringt eine Digitalisierung der Supply Chain?

Marlovits:
Es geht nicht nur darum, Papier zu vermeiden, sondern auch Kosten zu sparen. Bei einer Handelskette fallen täglich tausende Bestellungen an, die ins System eingearbeitet, ans Lager weitergeleitet und kommissioniert werden müssen. Dahinter steht ein enormer Personalaufwand. Diese Anforderung gibt es in den meisten Branchen, die Logistikbranche ist das verbindende Glied.

Report: Sind diese Lösungen auch für KMU geeignet?

Marlovits: Für Kleinstunternehmen mit wenigen Lieferpunkten ist das Optimierungspotenzial naturgemäß nicht ganz so groß. Nichtsdestotrotz, mit Fortschreiten der Technologie wurden die Lösungen aber immer leistbarer und nutzerfreundlicher und daher auch für KMU interessant. Die größte Herausforderung ist es, die Prozesse im Unternehmen vorzubereiten. Man braucht saubere Stammdaten, zum Beispiel durchgängig eindeutige Artikelnummern. Diese Hausaufgaben müssen zuvor gemacht werden.

Report: Sind alle Systeme automatisch kompatibel?

Marlovits: Wir vernetzen unterschiedlichste Unternehmen und versuchen, so nah wie möglich an Industriestandards zu sein. Ein kleiner Erdbeerbauer setzt in der Regel nicht SAP ein, wie etwa das Handelsunternehmen, das er beliefert. Hier bedarf es einiger Abstimmung – das ist unser Geschäft. Wir setzen die nötigen Standards für den Datenstrom und strukturieren bzw. »übersetzen« diesen, damit der Fluss von einem System ins andere nicht ins Stocken gerät.

Report: Welche Prozesse werden erfasst?

Marlovits: Im Handel und in der Gastronomie sprechen wir von Order-to-Cash-Prozessen, die von der Bestellung über die Lieferung bis zur Rechnung führen und sich um Wiederbeschaffung von Waren drehen. In der Industrie, beispielsweise im Automobilsektor, geht es um Produktionsprozesse, für die sehr zeitkritisch einzelne Komponenten benötigt werden, die man unmittelbar aus dem Lager oder von Zulieferbetrieben abruft. Die Lieferketten sind hier durchgetaktet.

Report: Wird elektronischer Datenaustausch in der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern bereits vorausgesetzt?

Marlovits: Bei Ausschreibungen ist es oft schon Bedingung. Wenn man in diesem Konzert nicht mitspielt, vergibt man sich sicher Chancen – nicht nur auf internationaler Ebene, sondern durchaus auch in Österreich mit großen Playern. Da geht es u.a. um Rückverfolgbarkeit der Produkte, bei Lebensmitteln etwa bedingt durch strenge gesetzliche Vorschriften. Der physische Warenstrom muss mit dem digitalen Informationsfluss verlinkt werden.

Report: Werden bestehende Lösungen stetig adaptiert?

Marlovits: Wir bieten unseren Kunden eine laufende Dienstleistung. Allein für den Rewe-Konzern laufen über unsere Plattformen jährlich zig Millionen Geschäftsdokumente. Jede Sekunde erfolgt eine Transaktion vom Unternehmen zu einem Lieferanten. Wir unterstützen natürlich auch die Partner unserer Kunden, auf diesen digitalen Zug aufzuspringen. Gerade für kleinere Betriebe ist Digitalisierung oft noch Neuland; da ist es gut, wenn sie in der Einführungsphase ein Spezialist an die Hand nimmt. Wir nennen diese Begleitung Onboarding. Bei einem großen Handelsunternehmen betrifft das schon mal tausende Lieferanten. Ein Digitalisierungsgrad von 100 Prozent wäre natürlich ideal, aber das geht klarerweise nicht von heute auf morgen.

Report: Sind neue Technologien ein Thema?

Marlovits: In den letzten zwei Jahren haben wir uns intensiv mit Blockchain auseinandergesetzt, um auszuloten, ob diese Technologie für uns einen Mehrwert bietet. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts mit der Unternehmensberatung EY, LKW Walter und anderen Partnern wurde ein digitaler Frachtbrief, der eCMR, entwickelt. Der Frachtbrief ist ein sehr wichtiges Dokument in der Logistik, insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr. Die Blockchain-Technologie bietet sich hier an, da mehrere Partner beteiligt sind und jeder Vorgang transparent abgebildet wird. Nach einer erfolgreichen Pilotphase haben wir damit eine praxistaugliche Lösung für die Logistikbranche.

Report: Wohin geht die Entwicklung? Ist das papierlose Büro realistisch?

Marlovits: Ja, es braucht jedoch einen Mix an Technologien. EDI ist dabei definitiv ein wichtiger Eckpfeiler. Die Pandemie hat viele Wirtschaftstreibende wachgerüttelt. Wenn man versucht, das Papier zu reduzieren, ist man weniger abhängig von Präsenz.


Das Unternehmen

Die EDITEL-Gruppe betreibt über die Zentrale in Wien Niederlassungen in der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Polen. Die Services sind über Vertriebspartner in 20 Ländern verfügbar und werden weltweit von mehr als 20.000 Unternehmen branchenübergreifend genutzt.

Das Kerngeschäft sind IT-Lösungen auf Basis der Technologie EDI (Electronic Data Interchange), die den Austausch und die weitere Abwicklung von Geschäftsdokumenten in Echtzeit ermöglicht. Das Unternehmen ist auf die Optimierung von Supply-Chain-Prozessen spezialisiert und bietet ein umfassendes Service-Portfolio. Gerd Marlovits übernahm im Jänner 2018 die Geschäftsführung der EDITEL Austria, nachdem er zuvor schon 15 Jahre im Unternehmen tätig war.


Alles auf Schiene

Als einer der größten Logistiker Österreichs wickelt BEXity – die ehemalige ÖBB-Tocher Q Logistics – täglich mehr als 10.000 Warentransporte ab. Der intensive Datenaustausch dahinter liegt in den Händen von EDITEL, die bereits den Wechsel von BEXity unter das Dach der deutschen Mutares-Gruppe im Vorjahr betreute. Die Herausforderung: Es galt, die gesamte IT-Infrastruktur bei laufendem Betrieb und innerhalb eines engen Zeitrahmens aus der ÖBB-Struktur herauszulösen und in eine neue Umgebung zu transferieren. Involviert waren rund 250 Geschäftspartner sowie die gesamte IT-Landschaft samt diverser Schnittstellen, über die unterschiedlichste Prozesse wie etwa Transportaufträge, Frachtbriefe oder Invoicing laufen. Parallel dazu mussten 20 neue Partner angebunden und die jeweiligen Systeme vereinheitlicht werden.

Bemerkenswertes Detail am Rande: Pandemiebedingt kam es zu keinem einzigen persönlichen Treffen zwischen den beteiligten Personen. Sämtliche kaufmännischen und organisatorischen Abstimmungen erfolgten im Rahmen virtueller Meetings.

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