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Berufsbild Technik - was brauchen Frauen? Nachbericht zum Podium
Fotos: Sela Krobath/Report

Das Berufsbild Technik bleibt meist den Männern vorbehalten. Welche Maßnahmen können Wirtschaft und Gesellschaft ergreifen, um dem entgegenwirken? Und warum ist besonders auch die Zahl der weiblichen Führungskräfte unverändert klein – auch in der Forschung? Das waren die zentralen Fragen beim Report-Podiumsgespräch "Frauen in der Technik".

   

Zum Thema Frauen in der Technik mit dem herrschenden Fachkräftemangel im Hintergrund diskutierten bei einem Podiumsgespräch am 8. Mai VertreterInnen aus der Wirtschaft, Forschung und Politik. Im IBM Client Center in Wien sprachen mit dem Moderatorinnen-Duo Christine Wahlmüller-Schiller und Martin Szelgrad Evrim Bakir, Partnerin bei BearingPoint, Barbara Ondrisek, Co-Gründerin der Initiative Women && Code, Katharina Proske - sie leitet den Bereich Sales Public and Health bei T-Systems -, Dorothea Erharter, Geschäftsführerin des ZIMD Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität, NAbg. Doris Margreiter, SPÖ, Präsidentin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Oberösterreich, IBM-Generaldirektorin Patricia Neumann, NAbg. Therese Niss, ÖVP, Bereichssprecherin für Digitalisierung, Forschung und Innovation, sowie "Quotenmann" Helmut Leopold, Head of Center for Digital Safety & Security beim AIT Austrian Institute of Technology. Partnerinnen des Gesprächs waren AIT, T-Systems, BearingPoint und IBM.

Fazit: Die IT-Branche bietet eine Vielzahl an Chancen, vor allem auch für Frauen. Für eine größere Diversität in Teams mit technischen Berufsbildern ebenso wie auf Führungsebene sollten Unternehmen gezielt Frauen ansprechen und auch Recruiting-Maßnahmen bewusst darauf abstimmen. Ansprechpartnerinnen auch bei Job-Interviews zu haben, würde junge Frauen ermutigen, einen Karriereweg in der Technik einzuschlagen. Wichtig sind neben der Wertschätzung für gemischte Teams und der aktiven Ermutigung von Frauen, Leitungsfunktionen zu übernehmen, auch geeignete flexible Arbeitsumgebungen und -zeiten. "Eine Führungsaufgabe inne zu haben, muss nicht bedeuten, 40 Stunden und mehr im Büro zu sitzen", fordern die Diskutantinnen ein Brechen mit veralteten Rollenvorstellungen. Viele junge Frauen würden mit einem neuen Selbstverständnis in die Arbeitswelt eintreten, das in der Personalpolitik vieler Unternehmen noch Widerhall finden muss. Der Appell an Frauen in der Technik: auch bei Rückschlägen unbeirrt weitermachen!

Die Statements der DiskutantInnen:



Foto: Evrim Bakir ist Partnerin bei BearingPoint

Evrim Bakir, BearingPoint:
Für IT- und Technologie-Themen habe ich mich bereits in meinem BWL-Studium interessiert und dann auch bei Jobs immer IT-nahe Unternehmen ausgewählt. Obwohl ich nicht Informatik studiert habe, bin ich in den Unternehmen unterstützt worden. Warum? Mit meiner emotionalen Intelligenz war ich Brückenbauerin zwischen Technik und Fachbereichen. Schließlich ist es wichtig, die Sprache der Technik zu verstehen und diese anderen verständlich zu übersetzen. Trotzdem habe ich sehr oft auch beobachtet, dass Frauen nicht immer dazu ermutigt werden – im Gegenteil sogar. Auch ich habe das selbst erlebt. Als Frau in der Technik, noch dazu jung und mit Migrationshintergrund, die im Projektmanagement bis zu 30 Jahre ältere Kollegen führt, hat man in Österreich erstaunte Blicke geerntet.

Ich habe mich trotzdem getraut und stets weitergemacht. Bei BearingPoint kann ich heute speziell auch Frauen in Projekten, bis hin zu Positionen und Aufgaben bei unseren Kunden fördern. Sicherlich aber wird man über das Fehlen von Frauen in technischen Berufen gerade in Österreich noch lange sprechen müssen.

Wie sollten Unternehmen den Karriereweg von technischen Expertinnen unterstützen?

Bakir: Wir fokussieren unsere Recruiting-Maßnahmen speziell auch auf Frauen und haben in unserem technischen Team in Wien bereits über 50 % Frauenanteil. Kampagnen-Videos werden gezielt von Frauen mit Frauen gemacht, und nicht von männlichen Kollegen. Bei Vorstellungsgesprächen sprechen Bewerberinnen mit Firmenvertreterinnen – eine Jobanwärterin muss nicht drei Männern gegenübersitzen. Und bei Bewerbungen schauen wir uns bewusst immer die Kandidatinnen – so es welche gibt – genauer an.

Unternehmen müssen Frauen bereits vom Startpunkt weg unterstützen – die Zielgruppe sind auch nicht immer nur Österreicherinnen. So sind Bewerberinnen auch Osteuropa im Regelfall sehr gut ausgebildet und auch Fachkräfte aus anderen Regionen sind bei Ausschreibungen stark sichtbar.

Das Interesse vieler junger Frauen an einer Karriere in der Technik ist jedenfalls da. Leider ist aber die Personalpolitik vieler Konzerne veraltet. Man hat immer noch nicht verstanden, dass das Recruiting und auch Schulungs-Portfolio angepasst werden müssen. Ich rate, in der Ansprache von Frauen tatsächlich auch Frauen wirken zu lassen. Für einen nahtlosen Einstieg sollten dann Praktikantinnen möglichst schnell in technischen Bereichen wie etwa Machine Learning geschult werden. IT bedeutet ja auch nicht nur Programmieren. Das Berufsbild Technik wandelt sich ständig weiter.

Unsere Aufgabe als IT-Dienstleister ist, dies bewusst auch bei unseren Kunden zu transportieren. Es ist nicht nur Mut bei den Frauen notwendig, wir brauchen auch die passenden Rahmenbedingungen – im Bildungssystem, in der Kultur unserer Gesellschaft und in den Unternehmen.




Foto: Katharina Proske leitet den Bereich Sales Public and Health bei T-Systems

Katharina Proske, T-Systems: Die IT-Branche bietet eine Vielzahl an Chancen, vor allem auch für Frauen. Wir haben einen enormen IT-Fachkräftemangel in Österreich. Viele Unternehmen schaffen es nicht, offene Stellen nachzubesetzen. Natürlich wollen auch wir als T-Systems den Frauenanteil in technischen Berufen weiter ausbauen. Leider bekommen wir aber gar nicht genügend Bewerbungen, da es die Branche nicht schafft, ausreichend Frauen für dieses Berufsbild zu motivieren.

Das Problem beginnt sicherlich bereits bei der Ausbildung: Beim Bachelor-Studium IT beträgt der Frauenanteil lediglich 26 %. Der Anteil an Absolventinnen der Masterstudien liegt hier überhaupt nur bei 14 %. Vom Doktoratsstudium müssen wir dann gar nicht mehr sprechen. Deshalb müssen wir auch auf andere Ausbildungsformen setzen, die auf die Bedürfnisse von Frauen anders eingehen.

Ich persönlich erlebe die IT-Branche als große Chance. Natürlich gibt es weiterhin unausgesprochene Glaubenssätze und Klischees, die sich gegen Frauen in der Technik richten – aber es gilt, sich darüber hinwegzusetzen. Ich sage mir jedenfalls: Wenn ich kompetent bin, tangiert mich das nicht. Ich glaube auch, dass sich die Frauen mehr zutrauen müssen. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, dass sich Männer bei sechs von zehn erfüllten Stellenanforderungen bewerben. Frauen tun dies erst, wenn sie zehn von zehn erfüllen. Hier muss man auch den Frauen mehr Selbstbewusstsein mit auf den Weg geben und Mut zusprechen.

In meiner Führungsrolle sehe ich die Diversität im Team als einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Meinen Betrag dazu leiste ich, indem ich versuche, die Frauenquote hochzuhalten. Das Thema Diversity betrifft aber auch das Alter der Mitarbeiter und unterschiedliche kulturelle Herkunft. So habe ich bei T-Systems einen Kollegen, der bereits 70 Jahre alt ist, ebenso wie einen Kollegen mit Migrationshintergrund. Ich bin überzeugt, dass nur solche Teams wirklich innovativ und auf Dauer auch produktiv sind.

Mein Appell an Frauen in der Technik ist, auch bei Rückschlägen unbeirrt weiterzumachen. Sicherlich können wir Frauen uns auch noch beim Thema Netzwerken verbessern. Männer sind uns bei der Nutzung von Netzwerken tatsächlich einiges voraus.

Wie sollten Unternehmen den Karriereweg von Technikerinnen unterstützen? Welche Rahmenbedingungen sind dazu nötig?

Proske: Wir benötigen sowohl in Unternehmen als auch in unserer Gesellschaft endlich die Gleichstellung der Frau in der Arbeitswelt. Es muss möglich sein, Familie und Beruf zu vereinen. Das funktioniert nur mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Arbeitsorts. Wir als T-Systems bieten hier alle Möglichkeiten, damit Frauen aber auch Männern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leichter möglich ist.

Der zweite Punkt ist, dass wir unsere Haltung gegenüber Teilzeitkräften ändern müssen: Auch Teilzeitkräfte können in Führungspositionen tätig sein. Ich habe ein zweijähriges Kind, arbeite derzeit 30 Stunden und mache meinen Job genauso gut. Es ist wichtig, dass dies Unternehmen unterstützen und auch so kommunizieren.

Wichtig ist es, von gängigen Glaubenssätzen wegzukommen. Die skandinavischen Länder leben vor, wie das funktionieren kann: Dort ist der Arbeitstag für alle um 17 Uhr zu Ende – vom Management bis zur Reinigungskraft. In Österreich dagegen ist man immer noch der Überzeugung, dass Menschen, die bis spät in die Abendstunden arbeiten, besonders produktiv sind. Auch ist es für skandinavische Unternehmen wie zum Beispiel IKEA normal, dass die HR-Managerin eine Teilzeitkraft ist und mit 25 Stunden dieser Führungsposition nachkommt.




Foto: Patricia Neumann ist Generaldirektorin von IBM Österreich

Was sollten Ihrer Meinung nach Unternehmen generell tun, um Frauen in der Technik zu unterstützen?

Patricia Neumann, IBM: Bei IBM ist seit den Fünfzigerjahren das Thema Frauen in der Technik wesentlich in der Unternehmenskultur verankert – noch vor gesetzlichen Anforderungen. Ich sehe Unternehmen besonders ab einer gewissen Größe in der Verantwortung, auch Frauen zu fördern und dazu das Bewusstsein in den eigenen Teams zu schärfen. Unternehmen sollten dazu auch stark in die Aus- und Weiterbildung investieren. Es gilt, sich konkrete Ziele setzen und das Thema proaktiv zu treiben – auch wenn es nicht immer leichtfällt. Unsere Bemühungen fangen bei der Spitze an, indem wir erfolgreich weibliche Führungskräfte in leitenden Positionen fördern. Wer so agiert, erfüllt dann mögliche Quotenregelungen von selbst. Rollenvorbilder sind auch für mich das zentrale Thema bei dem Berufsbild der Frau in der Technik. Das fängt bereits in der Kindheit an.

Einen Mangel an weiblichen Fachkräften in der IT gibt es seit Jahrzehnten. Hat sich in den Diskussionen dazu überhaupt etwas in den letzten 20 Jahren geändert?

Neumann: Wir haben den Frauenanteil in unserem Unternehmen in diesem Zeitraum weiter steigern können. Auf einer breiteren Basis würde ich aber sagen: Es hat sich zu wenig geändert. Persönlich bin ich überzeugt, dass für einen größeren Sprung und eine nachhaltige Veränderung noch mindestens zwei Generationen nötig sind. Es wird nicht ausreichen, wenn sich heute unsere Töchter fürs Realgymnasium entscheiden. Wir brauchen die tagtägliche Förderung der Gleichstellung in den Berufsbildern in allen Lebensphasen.

Wie ist es Ihnen persönlich auf dem Karriereweg ergangen? Welches Umfeld ist für Frauen auch in Leitungsfunktionen dazu wichtig - und unterscheidet sich das von den Bedürfnissen bei Männern?

Neumann: Mein persönlicher Karriereweg hat in den letzten 25 Jahren innerhalb bei IBM stattgefunden, aber jeder Weg ist anders und daher schwer vergleichbar. Es gab aber einige Elemente, die aus meiner Sicht diesen Weg musterhaft geprägt haben. Zunächst ist es das eigene Wollen, das selbstbewusste Entscheiden, das aktive Annehmen von Herausforderungen. Man sollte sich tiefgehend damit auseinandersetzen, wohin man in seiner Karriere will. Dann haben mir mein Netzwerk und Mentoren sehr geholfen, ebenso wie auch ich zur Mentorin für andere wurde. Trotzdem sollten die eigenen Fähigkeiten und das eigene Können wichtiger sein, um letztlich auch ohne Netzwerk beruflich erfolgreich zu sein. Wir sollten vielleicht nicht immer alles kopieren, was andere besser können – und uns vielmehr auf unsere eigenen Stärken konzentrieren. Das dritte Element in diesem Muster sind dann die Rahmenbedingungen im Unternehmen. IBM macht es mit flexiblen Arbeitszeiten und mobilem Arbeiten für Frauen ebenso wie für Männer in jedem Lebensabschnitt möglich, genauso gut zu arbeiten.




Foto: Helmut Leopold, Head of Center for Digital Safety & Security, AIT Austrian Institute of Technology

Helmut Leopold, AIT: Leider hat die Technik seit Jahrzehnten ein Problem, weibliche Fachkräfte anzusprechen und zu bekommen. Mit seit Jahren bewusst gesetzten Maßnahmen haben wir heute eine Forscherinnen-Quote von 18 % in den IT-relevanten Bereichen. Für unsere Branche ist das schon relativ viel. Wir sehen es als unsere Aufgabe, relativ komplexe Technik für Anwendungen in der Praxis umzusetzen. Aber Technologie steht erst am Anfang weitreichender Entwicklungen, die sich noch niemand wirklich vorstellen kann. Besonderes Know-how im Bereich künstliche Intelligenz im Produktionsbereich, wie künstliche Intelligenz auch getestet wird – „explainable AI“ –, oder Cybersicherheit für hochsichere Produktionsanlagen – in all diesen Bereichen hat das AIT höchst kompetente Frauen, um diese Themen international führend zu bearbeiten. Wir überantworten Mitarbeiterinnen dann auch internationale Spitzenprojekte und bekommen so automatisch die besten Köpfe am Arbeitsmarkt, egal ob weiblich oder männlich.

Für mich ist das kein Quotenthema. Aus der Not des Fachkräftemangels heraus müssen Unternehmen Beschäftigte mit Kompetenzen und Expertise finden. Dazu ist die Internationalisierung ein wichtiger Grundpfeiler, um auch kurzfristig zu exzellenten Mitarbeiterinnen zu kommen.

Innovation ist etwas, das in Teamarbeit passiert. Hier sind Diversifikation und unterschiedlichste Betrachtungsweisen in jeder Art und Weise unabdingbar. Frauen haben mit unterschiedlichen Sichtweisen und Expertisen Auswirkungen auf die Gruppendynamik und helfen so die Innovationskraft von Unternehmen zu heben. Vielfalt zu leben, sollte generell eine Säule unserer Gesellschaft sein.

Wichtig ist für uns aber auch, neue Bilder unserer Berufsgruppe zu erzeugen. IT bedeutet nicht, im Keller zu sitzen und alleine Software zu entwickeln. Eine meiner Mitarbeiterinnen, eine junge Frau, hat aktuell ein Projektmanagement über drei Jahre, 20 Länder mit 30 verschiedenen Partnern – Unis, KMU und Großindustrie – inne. Die Arbeit in Projekten besteht zu 90 % darin, mit Menschen zu kommunizieren und diese zu organisieren. Es sind eindeutig Managementjobs, was von Frauen oft nicht so gesehen wird.

Persönlich bin ich überzeugt, dass Männer zu einem gewissen Teil auch Angst davor haben, sich in technischen Berufen mit Frauen messen zu müssen. Ich stehe vor einem Rätsel, warum Frauen nicht besser Netzwerke nutzen. Männer tun das ja automatisch. Dass eine Frau aufzeigt, wenn jemand „Chef“ werden soll, passiert ebenso selten. Kein Mann würde hier dreimal überlegen. Das ist sicherlich eine kulturelle Aufgabe, die bereits im Elternhaus und im Kindergarten beginnt.

Auch hilft es nicht besonders, in der Schule Mädchen mathematische Fähigkeiten abzusprechen, was leider immer noch passiert. Dadurch gehen uns viele Frauen mit technischen und mathematischen Fähigkeiten verloren. Wenn man Angst vor Mathematik erzeugt und viele nach der Matura erleichtert sind, damit nie wieder in Berührung kommen zu müssen – da läuft doch etwas grundlegend falsch! Wenn wir weiterhin nur 14 % Absolventinnen in technischen Studien haben, wird der Fachkräftemangel nie aufgelöst werden. Wir brauchen die mathematischen und technischen Fähigkeiten und Kompetenzen der Frauen wie einen Bissen Brot! Das sollte unsere Gesellschaft endlich erkennen.




Foto: Barbara Ondrisek ist Co-Gründerin der Initiative "Women && Code"

Barbara Ondrisek, Women && Code: Ein technischer Beruf war immer das Natürlichste auf der Welt, ich wurde bereits in meinem Elternhaus dazu ermutigt. Nach der Matura habe ich zuerst Physik studiert und bin dann zur Informatik gewechselt, habe darin auch promoviert und neben dem Studium immer in der Softwareentwicklung gearbeitet. Diskriminierung im Studium habe ich als Frau nie erlebt.

In meinen 18 Jahren Berufserfahrung als Softwareentwicklerin wurde mir aber immer wieder klar: Wir haben viel zu wenige Kolleginnen. Um das zu ändern, habe ich gemeinsam mit Eva Lettner vergangenes Jahr „Women && Code“ gegründet.

Was wollen Sie mit Women && Code leisten?

Ondrisek: Mit der Initiative wollen wir Frauen auch ohne Vorerfahrung Programmieren praxisnah beibringen. Wir wollen durch die Darstellung von positiven Rollenvorbildern mit dem Nerd-Klischee brechen und zeigen, dass Programmieren auch weiblich sein kann. Ich erlebe oft: Wenn ich als Frau davon erzähle, dass ich programmiere, reagieren manche so, als hätte ich Superkräfte. Wir wollen vermitteln, dass diese Fähigkeiten durchaus erlernbar sind.

Die IT bietet viele kreative Jobs, auch leitende Funktionen etwa der Scrum-Master, und verändert sich auch immer mehr in Richtung Software- und Systemarchitektur. Bei Women and Code unterrichten Frauen ausschließlich Frauen, um auch mögliche unbewusste Vorurteile von männlichen Trainern von vornherein zu vermeiden. Wir wissen aus gemischten Seminaren, dass dort meistens die Männer zuerst aufzeigen, fragen und diskutieren. Diese Gruppendynamik können wir bei uns ausschließen. Ein strenger Code of Conduct verhindert Diskriminierungen in jeder Form.

Wir merken, dass wir manchmal mit gängigen Rollenvorstellungen kämpfen müssen. Wir räumen bei Women and Code auf, was zuvor falsch gemacht worden ist. Sexismus beginnt bei der Erziehung und bereits im Babyalter. Studien zufolge macht es einen Riesenunterschied, ob ein Kind hellblau oder rosa angezogen ist. Entsprechend impulsiv oder sanft spreche ich mit ihm, gebe ihm eher Bausteine oder eine Puppe. Sexismus steckt in uns allen. Indem wir uns dessen bewusst werden, können wir etwas dagegen tun.

Beim Thema Diversity geht es nicht nur darum, Frauen anzusprechen, sondern grundsätzlich Teams mit Personen aus verschiedenen Hintergründen zusammenstellen zu können, um Aufgaben bestmöglich aus verschiedenen Perspektiven zu lösen.




Foto: NAbg. Therese Niss, ÖVP, ist Bereichssprecherin für Digitalisierung, Forschung und Innovation

Hat die Wirtschaft aus Ihrer Sicht ein Problem, zu wenige Frauen in technische Berufe zu bekommen?

Therese Niss, ÖVP: Ja, natürlich brauchen wir mehr Frauen in der Technik – ebenso wie mehr Männer. Das Potenzial, das noch wesentlich stärker gehoben werden muss, sind aber sicherlich weibliche Fachkräfte. Für Arbeitgeber und junge Frauen bietet die Technik eine Win-Win-Situation: Der Fachkräftemangel ist generell immens – wir sprechen sogar von bis zu 10.000 fehlenden Fachkräften –, die Verdienstmöglichkeiten sind gut und eine Karriere im technischen Bereich gilt als relativ sicher. Das müssen wir alle den jungen Frauen noch besser erklären können und allgemein das Bewusstsein dafür stärken. Wir müssen technische Rollenbilder sicherlich in der vollen Breite diskutieren, auch mit Pädagogen und insbesondere mit den Eltern, die ebenfalls die Berufswahl ihrer Töchter beeinflussen.

Welche Maßnahmen setzt die Politik in Richtung Frauenförderung bei technischen Berufen?

Niss: Je früher man Mädchen erreicht, desto eher können diese auch für technische Berufe begeistert werden. Das beginnt im Kindergarten, deshalb ist zuletzt auch vereinbart worden, einen Schwerpunkt unter anderem in der Elementarpädagogik zu setzen. In meiner früheren Rolle als Vorsitzende der Jungen Industrie wurde gemeinsam mit dem Technischen Museum das Workshop-Programm „Technik kinderleicht!“ für Kindergarten-Pädagoginnen entwickelt. Die Resonanz war hervorragend. Die Pädagoginnen waren dankbar, praktische Leitfäden für technische Themen zu erhalten, um dieses Wissen mit Freude Kindern vermitteln zu können. So kann die Neugierde auf Wissenschaft und Technik geweckt werden. Nun sollen die Lehrpläne in den Schulen überarbeitet werden, um unter anderem die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu stärken. Abgesehen von einem neuen Mindset in Österreich für die Vereinbarkeit für Frauen von Beruf und Familie und dem Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten brauchen wir auch rechtliche Änderungen wie etwa eine neue Au-pair-Regelung.
Unternehmen sollten Frauen nun bewusst stärken – nicht nur auf Technikebene, sondern auch bei Leitungsfunktionen.




Foto: NAbg. Doris Margreiter, SPÖ, ist Präsidentin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Oberösterreich

Warum bekommen wir in Österreich zu wenige Frauen in technische Berufe? Welche Maßnahmen sollten dazu gesetzt werden?

Doris Margreiter, SPÖ: Ich bin ebenfalls der Überzeugung, dass vor allem die Stereotypen, die wir alle in uns stecken haben, aufgelöst werden müssen. Mein persönliches Beispiel: Zwei meiner Töchter sind in technischen Berufen tätig. Beim Vorstellungsgespräch meiner Jüngeren für eine Ausbildung in der Kunststofftechnik gab es Bedenken, weil sie zum Gespräch geschminkt erschienen war – das würde nicht zu diesem Beruf passen und sie sei deswegen möglichweise nicht geeignet. Man hat es trotzdem mit ihr versucht und vergangene Woche hat sie bei einer Lehrlingsprüfung mit der Bestnote abgeschnitten, was nun auch ihre männlichen Kollegen im Unternehmen stolz macht.

Als Unternehmensvertreterin der Sozialdemokratie in Oberösterreich habe ich bei Nachbesetzungen in den Fachgruppen bewusst auch Frauen angesprochen. Im Gegensatz zu Männern wollen Frauen tatsächlich aktiv  angesprochen werden, die Männer wiederum melden sich eher von selbst. Damit ist es uns in kürzester Zeit gelungen, sehr viel mehr Frauen in die Gruppen zu bekommen. In meinem Funktionärskreis beträgt der Anteil nun rund 50 %. Und wenn so etwas einmal losgetreten ist, sind es vor allem auch jüngere Frauen, die automatisch in diese Bereiche stoßen.

Wir in der Politik sollten natürlich hier geeignete Rahmenbedingungen schaffen, indem wir auch engagierte Unternehmen vor den Vorhang holen und unterstützen. Eine der Möglichkeiten ist das bewusste Formulieren von Stellenausschreibungen, um besonders auch junge Frauen für eine Karriere und Mädchen für eine technische Berufsausbildung anzusprechen.

Brauchen wir eine Quotenregelung bei leitenden Funktionen in Unternehmen?

Margreiter: Nachdem sich hier in Österreich zu wenig von selbst ändert, brauchen wir die Quote, um Frauen in Führungspositionen sichtbar zu machen. Selbstverständlich sollte weiterhin der oder die Beste den Job bekommen. Eine Quotenregelung ist aber zumindest ein erster Schritt in Unternehmen, sich ganz bewusst mit geeigneten Kandidatinnen zu befassen. In anderen Ländern funktioniert das sehr gut und wird auch gar nicht mehr in Frage gestellt. Denn von einem Mix in der Führung profitieren alle. So ist nachgewiesen, dass Frauen auch für die Unternehmenskultur sehr wichtig sind.




Foto: Dorothea Erharter ist Geschäftsführerin des ZIMD Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität

Dorothea Erharter, ZIMD: Das ZIMD Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität begeistert mit Robotik-Workshops in Schulen Mädchen für Technik. Das Bauen und Steuern von Robotern ist ein einfacher Einstieg ins Programmieren. Auch schwierige Aufgaben wie die Navigation durch ein Labyrinth werden experimentell gelöst. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich damit Mädchen anschließend offen auch für technische Berufsbilder interessieren.

Warum ist es wichtig, dass Frauen in technische Berufe kommen?

Erharter: Wir leben in einer ziemlich komplexen Zeit, in der Technologien in einem zunehmenden Ausmaß das Leben auf unserem Planeten bestimmen. Aufkommende Themen wie erste gentechnisch manipulierte Babys in China oder künstliche Intelligenz werfen auch ethische Fragen auf. Für diese Herausforderungen brauchen wir einfach alle verfügbaren hellen Köpfe – Frauen ebenso wie Männer. Es ist ausreichend belegt, dass Diversität eine unabdingbare Voraussetzung für Innovation ist. Trotzdem wird Forschung weltweit noch von weißen Männern mittleren Alters geprägt. Das Problem: Wir Menschen schließen automatisch von uns selbst auf andere – das beschreibt auch der Begriff „I-Methodology“. Damit können homogen zusammengesetzte Forschungsteams eher nur bedingt innovativ sein.

Wichtig in Unternehmen sind ein gutes Diversitäts-Management und die bewusste Arbeit mit Teams, um dort für eine gegenseitige Wertschätzung zu sorgen. Auch ich meine, dass Stereotypen prinzipiell hinterfragt werden müssen. Vielfach werden Frauen auch besonders positive Fähigkeiten etwa zu Kommunikation oder zu sozialen Dingen zugesprochen – aber Vorsicht: Auch Positiv-Diskriminierung ist Diskriminierung.

Auch wenn beim Fachkräftemangel oft generell von MINT-Fächern gesprochen wird: Den Fachkräftemangel gibt es in der Informatik und Mechatronik. In Bereichen wie Biologie, Chemie oder Physik haben wir keinen Mangel, was sich auch an den höheren Einstiegsgehältern bei Informatik und Mechatronik ablesen lässt.

Welche Empfehlung haben Sie für die Bildungspolitik in Österreich?

Erharter: Wir brauchen dringend ein allgemeines Fach Technologieentwicklung mit Technikfolgenabschätzung und mit dem Bauen und Erfinden von Technik – von der Volksschule bis zur Matura. Von LehrerInnen zu erwarten, dass sie fächerübergreifend arbeiten, funktioniert im Schulalltag nicht. Das Fach müsste auch ethische Themen, Programmieren, Design Thinking und mehr umfassen, und diese Themen sollten wirklich zusammengefasst werden.




Foto: Christine Wahlmüller-Schiller ist Wissenschaftlerin und Technologie-Journalistin

Moderatorin Christine Wahlmüller-Schiller:
Fakt ist, Frauen sind unverzichtbar – auch in der IT-Branche. Trotzdem verwundert mich immer wieder die Ignoranz, die Frauen in der IT-Branche auch noch im Jahr 2019 entgegengebracht wird. IT besteht auch nicht nur aus Programmieren, sondern bietet vielseitige und kreative Jobs. Zudem ist technisches Wissen heute in allen Berufen und Unternehmensbereichen essenziell.

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