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"Eine Plattform, die alle Daten erschlägt, würde in Europa nicht funktionieren"

Bilder: iStock, ZAMG/Lusser Bilder: iStock, ZAMG/Lusser

Der österreichische Weg zu einem neuen Daten-Ökosystem für die Wirtschaft. Günther ­Tschabuschnig, IT-Leiter der ZAMG, macht gutes Wetter für die Initiative DIO als sichere ­Heimat für den automatisierten Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg.

Die Menschheit generiert, misst und managt täglich Milliarden neuer Daten: Umweltdaten, Sensordaten, Gesundheitsdaten, Daten aus sozialen Medien und dem Web, um nur einige Bereiche zu nennen. Mit der Initiative »Data Intelligence Offensive (DIO)« soll die Digitalwirtschaft in Österreich nun eine internationale Vorreiterrolle bei der Nutzung von Daten erlangen. DIO baut auf dem Leitprojekt »Data Market Austria« der Republik auf. Das Team um DIO-Vorsitzenden Günther Tschabuschnig soll dies nun weiter treiben und bietet die zentrale Anlaufstelle für die Wirtschaft,  Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Report: Welche Idee steckt hinter DIO? Was wollen Sie erreichen?

Günther Tschabuschnig:
Daten verändern derzeit so gut wie alle Geschäftsmodelle in unserer Wirtschaft und unsere Gesellschaft. Doch viele stehen bei einer Nutzung von Daten, die nicht im eigenen Unternehmen oder im eigenen Umfeld generiert werden, vor verschlossenen Türen. Bestenfalls kommt ein bilateraler Austausch mit komplizierten Verträgen zur Anwendung. Unternehmen wollen generell Daten nicht außer Haus geben und sehen in der Nutzung durch Dritte ein großes Risiko. Wir finden, das hemmt Innovationen. Wir bieten mit einem dezentralen Ansatz eines einfachen, streng kontrollierten, auch beliebig kleinteiligen Teilens von Daten eine neutrale Alternative.

Die Data Intelligence Offensive bringt dazu verschiedenste Marktteilnehmer in einem Ökosystem zusammen – etwa zum Thema Mobilität. Wenn wir es schaffen, dass Organisationen wie ÖAMTC, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Asfinag, ÖBB, Westbahn, Wiener Linien und viele mehr ein einheitliches, umfassendes Bild der heute verfügbaren Datenwelt bekommen, dann können auch Innovation im Mobilitätsbereich entstehen. Wir merken, dass auch die Finanzwirtschaft und Gesundheitsbranche stark an neutralen Daten-Ökosystemen interessiert ist.

Report: Auch Versicherungen und Gesundheitsdienstleister sind bereit, Daten weiterzugeben?

Tschabuschnig: Ja, weil sie verstanden haben: Es ist ein Geben und Nehmen. Wir haben bereits große Marktteilnehmer an Bord der Initiative. Sie wissen, dass ihr Geschäft künftig von der Analyse von Daten abhängig ist. Ein Beispiel dafür wäre die Vergabe von dynamischen Krediten. Die Unterstützung der Finanzierung einer Olivenplantage in Europa etwa ist dann auch von regionalen Klima- und Wetterdaten abhängig. Je mehr Daten in die Kreditvergabe fließen, desto granularer können Risiken und Chancen errechnet werden. Die Fintechs werden auf solche Modelle aufspringen. Oliven und Wetter ist ein einfaches Beispiel von unglaublich vielen Möglichkeiten, die bei dem intelligenten Verschneiden von Daten entstehen.



Bild: "Datengetriebene ­Geschäftsmodelle sind die Zukunft unserer Wirtschaft", ist ­Günther Tschabuschnig, Vorsitzender der Initiative DIO, überzeugt.



Report: In der IT-Branche wurde dazu bereits der Begriff der Plattform-Ökonomie geprägt. Wie ist so etwas aber in einem kleinen Land wie Österreich umsetzbar?

Tschabuschnig: Wir wissen, dass wir keine Großmacht etwa künstlicher Intelligenz oder beim autonomen Fahren werden können – wobei wir natürlich auch exzellente Unternehmen und Inititativen in diesen Bereichen haben. Wo Österreich aber in einem Spitzenfeld sein kann, ist ein Daten-Ökosys­tem, das auf Fairness, Datensicherheit und Zusammenarbeit auf Augenhöhe basiert. Mit dem Thema »Data Economics« sind wir intensiv mit der Europäischen Kommission und vielen anderen in Kontakt. Das Interesse ist enorm. DIO wächst derzeit exponentiell.

Report: Wie kann die technische Umsetzung eines solchen Daten-Ökosystems in etwa aussehen?

Tschabuschnig: Wir werden unterschiedliche Akteure wie Rechenzentrumsbetreiber und IT-Dienstleister involviert sehen. Wichtig ist aber, dass es keinen zentralen Speicherort für Daten oder einen vorrangigen Clouddienstleister geben wird. Das würde der Idee eines Ökosystems mit unabhängigen, freien Teilnehmern widersprechen. Die Schlagworte dazu sind »föderiert und dezentral«: Die Vernetzung steht im Vordergrund und nicht der Besitz. Das kann technisch unterschiedlich umgesetzt werden. Die neue EU-Richtlinie »Public Sector Information (PSI)« ist auf ein solches Konzept ausgerichtet. Daten im öffentlichen Sektor werden künftig nicht mehr zwischen Systemen synchronisiert, sondern sind über Anwendungsschnittstellen, so genannte »Application Programming Interfaces (APIs)« zugänglich. Ähnliches sehen wir bei der Richtline »Inspire«, mit der eine gemeinsame Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft geschaffen werden soll, um vor allem den Herausforderungen von Umwelt und Klima begegnen zu können.

Report: Welchen Unterschied sehen Sie mit DIO zu den kommerziellen Anbietern von Dateninfrastruktur – meist US-Unternehmen der IT-Industrie?

Tschabuschnig: Die Hyperscaler nehmen in erster Linie nur. Das Modell der Plattform, die alles erschlägt, würde in Europa auch gar nicht funktionieren. Wir brauchen vielmehr eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das ist etwas, was man in Österreich auch schon immer gut verstanden hat. Wir betrachten Datenökonomie als multilateralen
Austausch.

Report: Sind denn die Unternehmen bereits so weit, an einer Plattformökonomie anzudocken? Was fehlt hier noch?

Tschabuschnig:
Wir müssen die Awareness für die Veränderung zu einer datenbasierten Wirtschaft forcieren. Viele Unternehmen verfügen bereits über viele Daten, haben aber noch nicht die nötigen Strukturen, nicht die erforderliche Datenqualität und ein Datenmanagement – Stichwort Data Governance. Ist das einmal geschafft, müssen Daten nur noch in ein geeignetes Format zur weiteren Verarbeitung gebracht werden. Erst mit dieser Aufbereitung können Analysen, KI und neue Services aufgesetzt werden.

Die größten Ressourcenfresser heute sind die Standardisierung und das Qualitätsmanagement von Daten. Im Durchschnitt werden 60 % bis 80 % der Arbeit eines Data Scientist für Datenaufbereitung, Qualitätssicherung oder die Programmierung von APIs verwendet. Eine echte Generalisierung und Standardisierung von Daten nicht nur aus der IT, sondern auch aus operativen Systemen von Maschinen etwa, von Sensoren und anderen IoT-Geräten würde Ressourcen freispielen, die man wieder in Innovation und Produktentwicklung stecken könnte.

Report: Es gibt schon Open-Data-Plattformen, die Daten für Services und Geschäftsmodelle zu Verfügung stellen. Was wollen Sie anders machen?

Tschabuschnig: DIO ist nicht Open Data. Diese Daten können natürlich ein Teil des Ökosystems sein, müssen es aber nicht. Unsere Teilnehmer schließen untereinander weiterhin Verträge für den Austausch von Daten, der folglich mit Ressourcen – Geld, gemeinsame Innovation oder anderes – bezahlt wird. Mit »Smart Contracts«, die automatisiert die Ströme in diesem Ökosystem regeln, sind auch kleinste Einheiten der Zusammenarbeit möglich. Ein »Data Sharing« könnte beispielsweise so aussehen: Teilnehmer A hat Fahrzeuge oder Services für die Straße, Teilnehmer B verfügt über Wetterdaten. Über einen Smart Contract wird nun ein Angebot im Ökosystem von B angenommen und festgelegt, dass A einmal täglich auf die Daten aus dem Bereich des regionalen Wetters von B zugreift. Das funktioniert, wenn zwei Faktoren stimmen: Es muss vollständig automatisiert ablaufen und es braucht viele Nutzer. Nur dann können wir einem »data-driven Ecosystem« sprechen. Ich bin überzeugt, dass das die Zukunft unserer Wirtschaft ist.


Plattform DIO

Ziel der »Digital Information Offensive« ist, die Öffentlichkeit und Wirtschaft beim Übergang in die Datenwirtschaft, beim Einsatz und der Optimierung von Technologien, bei der Marktbildung und beim Management von Daten zu unterstützen. Die DIO zielt auf die Forcierung und Förderung von Geschäftsmodellen für den Austausch und die Monetarisierung von Daten nach ethischen und rechtlichen Standards ab. Im Auftrag der Republik Österreich vernetzt DIO Stakeholder der Datenwirtschaft und erarbeitet für den Markt Empfehlungen – basierend auf europäischen Werten wie Datenschutz und Datensouveränität.

Info: www.dataintelligence.at

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