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»Vertrauen ist eine Grundlage für Zusammenarbeit« Featured

Daniel Holzinger ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung colited. Daniel Holzinger ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung colited.

Homeoffice ist die neue Norm – was aber, wenn Unternehmen überhaupt nicht darauf vorbereitet waren? Collaboration- und Arbeitswelt-Experte Daniel Holzinger zu den Themen Organisation und Vertrauen – nicht nur in der Krise.

Report: Der flexible Arbeitsplatz und Homeoffice sind zur Norm geworden. Was sind die Herausforderungen besonders bei Unternehmen, die damit in den vergangenen Jahren noch nicht ausreichend Erfahrung gesammelt hatten? Sind diese in kurzer Zeit überhaupt lösbar?

Daniel Holzinger: Wir begleiten das Thema schon lange und arbeiten selbst ausschließlich aus dem Homeoffice. Die Herausforderung, die wir jetzt sehen, besteht darin, dass die gegenwärtige Situation für Unternehmen kein lang geplantes Projekt war. Alles musste unglaublich schnell gehen. Unternehmen hatten kein Change-Management, wenig Change-Kommunikation und keine phasenweise Einführung.

Viele Mitarbeitende haben im Homeoffice keine optimale Situation vorgefunden. Das beginnt damit, dass kein eigener Schreibtisch vorhanden ist, gar keine Internet- oder keine Breitbandinternetanbindung verfügbar ist. Auch waren in vielen Fällen nicht die richtigen Kommunikationslösungen für Zusammenarbeit vorhanden. Ebenso waren die kulturellen Voraussetzungen nicht gegeben.

Wann lernt der Mensch am besten? Vermutlich dann, wenn es »weh tut« und man etwas tun und verändern muss. Die Menschheit hat immer wieder bewiesen, dass sie auch in kurzer Zeit unglaublich kreativ sein kann. Wir sind imstande, unglaublich viel Energie zu entwickeln, um neue Wege zu finden. Mittlerweile stellen viele Unternehmen fest, dass Homeoffice in vielen Bereichen gar nicht so schlimm ist, in der Regel ganz gut funktioniert und auch viele Vorteile bietet.

Grundsätzlich empfehlen wir Organisationen, genau hineinzuhören: Was sagen die Mitarbeitenden und die Führungskräfte? Wie geht es ihnen in der Situation und wo liegen die Herausforderungen? Das kann man gut mit Umfragen herausfinden und darauf aufbauend zielgerichtete Unterstützung anbieten.

Es gibt natürlich 0815-Empfehlungen für das Arbeiten im Homeoffice. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmen mit solchen pauschalen Standardprogrammen nicht an Führungskräfte und Mitarbeitende herangehen sollten. Besser ist es, maßgeschneiderte Angebote und Lösungen zu entwickeln. Schulungs-Webinare mit erfahrenen Vortragenden bieten sich hier an, die konkrete und relevante Tipps und Hilfestellung für Führungskräfte, aber auch für Mitarbeitende geben.

Report: Haben Unternehmensorganisationen in dieser Situation überhaupt eine Chance auf Erfolg, wenn wenig Vertrauen herrscht – sei es zwischen Führungsebene und Mitarbeitern oder auch zwischen verschiedenen Abteilungen?

Holzinger: Was macht Teams generell erfolgreich? Wir leben in einer arbeitsteiligen Welt. Das heißt, dass wir in sehr vielen Fällen nur im Team erfolgreich sein können. Vertrauen ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Zusammenarbeit – speziell in Krisenzeiten.

Google hat in dem Projekt Aristoteles weltweit 180 Teams untersucht, um herauszufinden, was erfolgreiche Teamarbeit ausmacht. Das Ergebnis: Es ist nicht die Frage, wer zusammenarbeitet, also welche Ausbildung oder welchen Hintergrund einzelne Teammitglieder haben, sondern wie zusammengearbeitet wird. Und das »wie« steht sehr eng im Kontext des Vertrauens. Die Arbeit als Ort, wo Menschen offen über Ideen sprechen können – wo zugehört wird, wo man sich mit Respekt begegnet und es keine versteckten Agenden gibt –, ist sehr motivierend.

Vertrauen muss man sich wie ein Konto vorstellen, wo es tagtäglich Einzahlungen und Abhebungen gibt. Die Abhebungen sind in der Regel, also wenn das Vertrauen missbraucht wird, höher als die laufenden Einzahlungen. Jeder Mensch führt so ein Vertrauenskonto. In diesem Zusammenhang finde ich Steven M. R. Covey, Sohn des 2012 verstorbenen Bestsellerautors Steven Covey, inspirierend. Er hat das Buch »Speed of Trust« oder »Geschwindigkeit durch Vertrauen« geschrieben. Der Titel ist hier eigentlich schon Programm, denn wenn wir in einer Organisation eine Vertrauenskultur haben, dann geht vieles schneller. Zusätzlich spart das Unternehmen Kosten und Mitarbeitende sind zufriedener. Das Thema Geschwindigkeit ist in einer sich rasch verändernden Welt enorm wichtig. Wenn ich jedes Wort, das ich in einem Teammeeting einbringe, drei Mal überlegen, abwägen muss, bevor ich es ausspreche, dann ist das ein Anzeichen dafür, dass keine Vertrauenskultur besteht.

Report: Lässt sich Vertrauen in einer Organisation auch gezielt entwickeln? Was mache ich mit einer Führungskraft, die ihren Mitarbeitern nicht vertraut? Lässt sich das ändern?

Holzinger: Eine echte Vertrauenskultur aufzubauen, geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit. Steven M. R. Covey bietet hier mit 13 Vertrauensregeln wertvolle Unterstützung. Ein paar Themen herausgegriffen: Ehrlich zu sein, ist die erste Regel und sicherlich die Basis. Dann geht es immer auch darum, gegenseitige Erwartungshaltungen zu klären. Was braucht jemand von mir? Was brauche ich oder erwarte ich von meinem Gegenüber? In der Praxis reden wir Menschen oft aneinander vorbei.

Auch die Schaffung von Transparenz sowie besprochene Ergebnisse tatsächlich zu liefern, sind wichtige Regeln. Als Führungskraft muss ich mich darauf verlassen können, dass Aufgaben erledigt werden.

Report: Was wird von den Konferenz- und Collaboration-Lösungen nach der Krise bleiben? Erwarten Sie, dass Prozesse in Unternehmen auf Dauer verändert werden?

Holzinger: Wir werden die Möglichkeiten von Collaboration-Tools auch nach der Krise sehr zu schätzen wissen und werden Lösungen weiterhin einsetzen. Wir werden auch alte Gewohnheiten kritisch hinterfragen. Zum Beispiel, ob ich täglich eine Stunde aufwenden muss, um ins Büro und wieder zurück nach Hause zu fahren. Oder ob ich für einen Workshop nach Berlin fliege. Expansive Unternehmen werden sich die Frage stellen, ob mehr Platz im Büro überhaupt notwendig ist? Wenn ich privat umziehe, könnte ich mir die Frage stellen, ob ich ein eigenes Büro oder einen ruhigen Arbeitsplatz einplane. Die Frage des Wohnortes wird vielleicht auch stärker von einer Breitbandinternetanbindung abhängen. Studien zufolge haben 2018 lediglich zehn Prozent aus dem Homeoffice gearbeitet. Dieser Wert wird nach der Krise wesentlich höher sein.


Zur Person
Daniel Holzinger ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung colited. Er begleitet Unternehmen und Organisationen auf der Reise zu neuen Arbeitswelten mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation und Zusammenarbeit. Daniel Holzinger blickt auf rund 25 Jahre Erfahrung in der Beratungs- und Informationstechnologie-Branche zurück.  www.colited.com


Das Buch
Autor Stephen M. R. Covey und »Speed of Trust«: www.speedoftrust.com

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