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Bedrohungen für die Energiewende Featured

Längerfristiges Risiko: Der Klimawandel wird sich auf das Wasserdargebot der österreichischen Flüsse auswirken. Foto: Oesterreichs Energie/Christian Fischer Längerfristiges Risiko: Der Klimawandel wird sich auf das Wasserdargebot der österreichischen Flüsse auswirken. Foto: Oesterreichs Energie/Christian Fischer

Im Rahmen des Projekts IBAN untersuchten Fachleute der TU Wien und der Universität Klagenfurt mögliche Risiken für ein künftiges Energiesystem, das insbesondere auf den »Erneuerbaren« beruht. Von Klaus Fischer

Die Erwartungen in die österreichische Energiewende sind hoch: Bis 2040 soll eine klimaneutrale Energieversorgung entstehen, die ebenso zuverlässig wie die bisherige und erheblich effizienter als diese ist. Und die Politik wird nicht müde, die Segnungen der schönen neuen Ener­giewelt zu preisen: Als »echten Meilenstein« etwa bezeichnet Energie- und Klimaministerin Leonore Gewessler das Paket um das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG-Paket), das eine der wichtigsten legistischen Grundlagen der »Wende« ist.

Weniger im Fokus der öffentlichen Kommunikation stehen die potenziellen Schattenseiten der Umgestaltung des Energiesys­tems. Ausführlich befasste sich mit diesen dagegen das Projekt IBAN (Identifikation von möglichen langfristigen Bedrohungen und Angriffen auf ein nachhaltiges österreichisches Energiesystem), das Hans Auer von der Energy Economics Group der Technischen Universität Wien koordinierte und an dem auch die Sozialwissenschaftlerin Nina Hampl von der Universität Klagenfurt mit ihrem Team beteiligt war. Gefördert wurde dieses im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms KIRAS der Bundesregierung. Das Ziel des Projekts bestand darin, mögliche Risiken für ein weitestgehend auf erneuerbaren Energien basierendes Versorgungssystem systematisch aufzuarbeiten. Berücksichtigt wurden dabei sowohl technische und wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Aspekte. Ausgehend davon formulierten Auer, Hampl und ihre Kollegen weitergehende Forschungsfragen. Insbesondere beschäftigten sich die Fachleute mit folgenden Aspekten: Sabotage und Anschläge, Wetter- und Klimaextrema, Rohstoffverknappung, Governanceversagen und Akzeptanzversagen (siehe Kasten unten).

Neue Abhängigkeiten
»Grundsätzlich ist die Energiewende ebenso notwendig wie begrüßenswert«, konstatiert Auer im Gespräch mit Report PLUS: »Aber manche Aspekte werden in den derzeitigen Diskussionen, wenn überhaupt, zu wenig berücksichtigt. Das könnte sich vor allem längerfristig als problematisch erweisen.« Beispielsweise heiße es oft, Österreich gebe alljährlich rund neun Milliarden Euro für den Import fossiler Energieträger aus Ländern aus, deren Demokratieverständnis schwerlich mit dem hiesigen in Einklang zu bringen sei. Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien werde dieses Problem gelöst und die Wertschöpfung ins Inland verlagert. Auer zufolge ist diese Auffassung indessen unhaltbar: Der Import von Rohstoffen für die Energieversorgung werde auch weiterhin erforderlich sein und sich lediglich geografisch verlagern. Auch das aber habe seine problematischen Implikationen: Kobalt beispielsweise werde aus der Demokratischen Republik Kongo eingeführt, wo Kinderarbeit in kleineren Minen gang und gäbe sei. Lithium wiederum stamme nicht zuletzt aus Gebieten in Chile, in denen durch seine Gewinnung der Grundwasserhaushalt und damit die lokale Landwirtschaft beeinträchtigt werden könnte.

Erweiterte Marktwirtschaft
Laut Auer sind Importe und Handelsbeziehungen insgesamt nicht grundsätzlich negativ zu beurteilen. Es gelte allerdings, dafür faire Bedingungen zu schaffen, »wie wir das beim Kaffee ja auch hinbekommen haben«. In Ergänzung zu den internationalen Handelsströmen sollte Österreich beziehungsweise die Europäische Union eine Kreislaufwirtschaft aufbauen, wie dies ohnehin ge­plant ist. So könne ein ökonomisch wie auch ökologisch sinnvolles Wirtschaftsmodell entstehen, von dem letzten Endes alle Beteiligten gut leben könnten.

Dies liefe letzten Endes darauf hinaus, das vorherrschende Marktwirtschaftsmodell zu erweitern und weiterzuentwickeln – im Sinne einer ökosozialen Marktwirtschaft, wie sie in Österreich seit Jahrzehnten diskutiert, bis dato jedoch nur in Ansätzen realisiert wurde. Zwar sei dies mit Kosten verbunden, etwa im Sinne der geplanten CO2-Bepreisung. Aber wer neue, klimaneutrale Technologien einführen wolle, werde nicht darum herumkommen, klimaschädliche Technologien angemessen zu belasten. Länder wie Schweden hätten dergleichen bereits vor rund drei Jahrzehnten eingeführt, ohne die dortigen – teils durchaus energieintensiven – Industriezweige in den Ruin zu treiben. »Grundsätzlich muss die Energiewende markt-, anreiz- und wettbewerbsbasiert sein. Aber die Spielregeln des Marktes hat die Politik festzulegen. Und sie muss ihre Lenkungsinstrumente eben nutzen«, betont Auer.

Das bedeute auch, auf den sozialen Ausgleich zu achten. Begüterte müssten finanziell stärker in die Pflicht genommen werden, um sozial weniger Begünstigten die Teilnahme an der Energiewende zu ermöglichen. Bringe die Politik den hierfür notwendigen Mut nicht auf, seien Probleme mit der Akzeptanz der Energiewende durch die Bevölkerung nicht auszuschließen.

Keine Fortsetzung
Im Sinne der Minimierung langfristiger Herausforderungen empfiehlt Auer, aufbauend auf IBAN die Energiewende durch entsprechende umfassend ausgerichtete wissenschaftliche Forschungsprogramme zu begleiten. Dies könne dazu beitragen, unerwünschten Entwicklungen rechtzeitig gegenzusteuern und unnötige Kosten zu vermeiden – nicht nur in ökonomischer, sondern auch in ökologischer und in sozialer Hinsicht, wie es das Konzept der Nachhaltigkeit bekanntlich festlegt.  Zwar nehme die Bundesregierung, insbesondere das Klima- und Energieminis­terium, die Energiewende durchaus ernst: »Dinge wie das EAG-Paket gehen sicher in die richtige Richtung. Da werden Nägel mit Köpfen gemacht.« Zu hoffen sei auch, dass kontinuierlich weitere Schritte erfolgen. Allerdings habe die derzeitige Klima- und Energiepolitik einen Schwachpunkt: Sie sehe keine die Energiewende begleitende energie- und klimapolitische Grundlagenforschung auf international anerkanntem Niveau vor. »Nach IBAN geht es damit vorerst nicht weiter«, bedauert Auer.

Info: Die Abschlussdokumentation zum Projekt IBAN ist verfügbar unter www.iban.energy


Die wichtigsten Risiken für ein nachhaltiges Energiesystem

1. Sabotage und Anschläge:
Gemeint sind damit Terroranschläge ebenso wie Cyber- und Hackerangriffe, die mit der Digitalisierung des Energiesystems zunehmen. Der steigende Kostendruck kann dazu führen, Sicherheitsmaßnahmen zu verringern und Attacken zu erleichtern.

2. Wetter- und Klimaextreme:
Darunter fallen kurzfristige Auswirkungen von Hitze- und Kältewellen ebenso wie langfristige Änderungen im Wasserdargebot für die Stromerzeugung, aber auch die Freisetzung von CO2 und Methan »durch auftauende Permafrostböden«.

3. Rohstoffverknappung:
Das betrifft nicht zuletzt die Verfügbarkeit mineralischer Rohstoffe und Metalle, die für die Herstellung von Anlagen zur Produktion und Speicherung von Strom auf Basis erneuerbarer Energien benötigt werden, wie Kobalt für Permanentmagneten und Lithium für Batterien.

4. Governance-Versagen:
Dieser Begriff beschreibt nicht zuletzt inkonsistente Klima- und Energiepolitiken sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene, aber auch geopolitische Verwerfungen und Unsicherheiten.

5. Akzeptanzversagen:
Hierunter wird verstanden, dass größere Teile der Bevölkerung eine skeptische bzw. ablehnende Haltung gegenüber der Energiewende einnehmen – etwa, weil sie sich mit inakzeptablen Kosten oder Auswirkungen von Technologien konfrontiert sehen.

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