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Energielieferantin – neu gedacht

Foto: Gemeinsam mit rund 100 Bewohnerinnen und Bewohnern im »Viertel Zwei« testet Wien Energie seit 2018 innovative Konzepte rund um Energie, Wohnen und Mobilität. Die BewohnerInnen erzeugen ihre Energie selbst mit einer PV-Anlage, teilen den Sonnenstrom mit Nachbarn, speichern ihn im Quartierspeicher, verkaufen nicht verbrauchte Kilowattstunden an der Strombörse oder geben die Energie für Stromtankstellen im Grätzl frei. Foto: Gemeinsam mit rund 100 Bewohnerinnen und Bewohnern im »Viertel Zwei« testet Wien Energie seit 2018 innovative Konzepte rund um Energie, Wohnen und Mobilität. Die BewohnerInnen erzeugen ihre Energie selbst mit einer PV-Anlage, teilen den Sonnenstrom mit Nachbarn, speichern ihn im Quartierspeicher, verkaufen nicht verbrauchte Kilowattstunden an der Strombörse oder geben die Energie für Stromtankstellen im Grätzl frei.

Mit Energiegemeinschaften werden Teile der ­Bevölkerung zum Prosumer – ein wesentlicher Schritt für die Energiewende.

Weltweit ist die Mehrzahl der Stromkonzerne laut einer Studie der Oxford University nicht bereit, sich strategisch von fossil-atomar zu verabschieden. Nur 10 % entwickeln die Kapazitäten in erneuerbare Energien schneller als ihre gas- oder kohlebefeuerten Kapazitäten. Österreich mag sich davon abheben, aber auch hier braucht es privates Engagement, um eine dezentrale Energieversorgung und eine geänderte Energiewelt hin zu einem Zusammenrücken der Sektoren Strom, Mobilität, Hoch- sowie Niedertemperaturwärme sicherzustellen. Die Lösung lautet Energiegemeinschaften.

Laut einer Studie der niederländischen CE Delft könnten bis zum Jahr 2050 83 % der europäischen Haushalte durch flexibles Lastmanagement, Speicherung oder Produktion eine aktive Rolle im Energiebereich spielen. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das ab 2021 in Österreich gelten wird und Mitte September in Begutachtung ging, ermöglicht es in der Breite, ab dem kommenden Jahr erneuerbare Energie zu erzeugen, zu speichern, zu verbrauchen und zu verkaufen. Bislang sind Energiegemeinschaften lediglich als Testprojekte erlaubt.

Ab Jänner 2021 sind zwei Modelle von Energiegemeinschaften möglich, die als eigenständige Rechtskörper im Energiesektor agieren: Für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften schließen sich mehrere Akteure zusammen – Haushalte, Unternehmer, Organisationen oder Vereine – und nutzen die von ihnen selbst regional produzierte erneuerbare Energie, etwa von einer gemeinsam finanzierten PV-Anlage am Gebäudedach eines Teilnehmers. BürgerInnen-Energiegemeinschaften können ohne räumliche Begrenzung umgesetzt werden: Mehrere NutzerInnen schließen sich zu einer rechnerischen Gemeinschaft zusammen und beteiligen sich an einer Erzeugungsanlage.

In einer ersten Reaktion begrüßt der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich die Mitte September präsentierte Vorlage. »Nur wenn die rechtlichen Grundlagen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sehr weit reichen, werden sie auch die erwarteten positiven Effekte bringen, nämlich hohe Akzeptanz für Erneuerbare und Effizienzsteigerungen durch eine umfassende Verschränkung von Produktion und Verbrauch«, so EEÖ-Geschäftsführerin Martina Prechtl-Grundnig. Einen rechtlichen Rahmen wird auch die Überarbeitung des ElWOG bieten. EU-Länder wie Slowenien, Portugal und Griechenland haben diesen bereits oder sie sind in der Umsetzungsphase weit fortgeschritten, zum Beispiel Belgien, Spanien und Luxemburg.

Motor Energiegemeinschaft

»Energiegemeinschaften sind ein logischer Schritt in der Energiewende, die Einbindung der Bevölkerung ein wesentlicher Bestandteil«, betont Prechtl-Grundnig. Bürger sind nicht nur Konsumenten, sondern fungieren als aktive Teilhaber am Energiesystem. Österreich hat aufgrund der in vielen Regionen bereits vorhandenen dezentralen Energieversorgungsstrukturen eine gute Ausgangsposition für die erfolgreiche Etablierung von Energiegemeinschaften. Hauptzweck der Gemeinschaften darf nicht die Erwirtschaftung finanzieller Gewinne sein, Energiegemeinschaften bilden den Motor für ein neues Energiesystem, erreichen eine höhere Akzeptanz der Bevölkerung für den Ausbau erneuerbarer Energie, begleiten Initiierung und Umsetzung sowie den Betrieb von Projekten, mobilisieren privates Kapital für die Energiewende und optimieren das energiewirtschaftliche Gesamtsystem.

Eine Grundlage für Bürgerenergiegemeinschaften könnten bestehende Energiegenossenschaften bilden, die bereits jetzt Handelsplattformen für erneuerbaren Strom anbieten. Diese Struktur ist in den Niederlanden, Belgien und Deutschland bereits stark verbreitet. Bei der Tagung »Energiegemeinschaften – wohin geht die Reise?« von E-Control berichtete Moritz Robers von der Deutschen Energie-Agentur von 840 Energiegemeinschaften mit 200.000 Mitgliedern und Investitionen in der Höhe von 2,7 Milliarden Euro Stand Ende 2019.

Die Bundesregierung hat Förderinstrumente als Unterstützung angekündigt, unter anderem durch reduzierte Netztarife – im Ortsnetz sollen diese um 40 bis 60 % niedriger sein als üblich – sowie eine Energieabgaben-Befreiung.


Die wesentlichen Vorteile von Energiegemeinschaften

- Schaffung von Akzeptanz durch aktive Beteiligung der Bevölkerung
- Mobilisierung von privatem Kapital
- Wirtschaftliche Stärkung des ländlichen Raums
- Optimierung des energiewirtschaftlichen Gesamtsystems, indem Strom erzeugt wird, wo er benötigt wird – Sektorkopplung
- Flexibilitätspotenziale der Mitglieder können aktiv genutzt werden
- Durch Dezentralität entsteht Robustheit gegenüber Störungen


Hackathon

Am 4. und 5. November 2020 findet im Palais Berg in Wien der »Green Future Hackathon« des Green Energy Lab statt. Ziel ist die Entwicklung, erste Umsetzung und das Erreichen der Projektreife neuer oder wesentlich verbesserter Produkte, Dienstleistungen, Methoden, Systeme und Prozesse der regenerativen Energietechnik. Das vom KLI.EN geförderte Projekt wird im Rahmen der FTI-Initiative »Vorzeigeregion Energie« durchgeführt. Anmeldeschluss ist 15. Oktober 2020.

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