Menu
A+ A A-

S&P 500 im Fake-Bärenmarkt?

Der S&P 500 notiert per Wochenschluss rund 30% über seinem Tief vom 23. März, sowie ungefähr 15% unter seinem Allzeithoch vom 19. Februar. Wurden die Kurse in der Vorwoche noch durch Erwartungen weiterer staatlicher Anreize und Geldvermehrung der Fed getrieben, so waren es in der zurückliegenden Woche Hoffnungen auf ein baldiges Ende des wirtschaftlichen Stillstands und auf mögliche Medikamente gegen das COVID-19 Virus.

Wenn man überlegt, was erforderlich ist, damit sich die Augen der Akteure an den Finanzmärkten wieder stärker in die weitere Zukunft ausrichten, so dürften folgende Punkte ausschlaggebend sein.

  • Die Corona-Pandemie tendiert zur Topp-Bildung. Ich werte die Lage täglich aus und stelle die Ergebnisse hier ein. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich selbst in den USA das Verhältnis der Neuinfektionen von heute zu denen von gestern unter eins einpendelt. Da entgegen dem Narrativ z.B. des RKI in Deutschland beileibe nicht jede Neuinfektion auch eine (schwere) Erkrankung bedeutet, ist schon ein Verhältnis von eins ein gutes Zeichen. Schaut man auf das Geschehen im „Reagenzglas“ der „Diamond Princess“, ein früher Fall mit noch wenig Erfahrung, (siehe hier!), so bedeutet ein Neuinfizierter in etwa ein neuer halber Kranke (abgesehen davon infizierte sich nur ein Fünftel an Bord).
    [Wenn Sie mich fragen, wie ich über die Corona-Gefahr denke, … siehe unten!]
  • Die Zahl der Neuinfektionen in China geht auf nahe Null zurück. Sie liegt aktuell bei 66 neuen Infektionen. Mitte Februar betrug die Zahl der aktiven Fälle knapp 60.000.
  • Es muss ein medikamentöser Hoffnungsträger her. Das war (mit Zweifeln) bisher das Malariamittel Chloroquin (Novartis, Mylan, Teva, früher Bayer mit Resochin), in China auch das Grippemittel Avigan/Favipiravir (Fujifilm). In den USA wird momentan Remdesivir hoch gehandelt. Dieses Virostatikum wurde im Zuge des Ausbruchs des Ebola-Virus (2014/15) von Gilead Sciences entwickelt. Gilead hat auch als erstes Unternehmen ein Medikament gegen das HIV-Virus auf den Markt gebracht, außerdem stellt es Medikamente gegen Herpes-Viren her. Erste klinische Ergebnisse mit Remdesivir sind vielversprechend, eine wissenschaftliche Studie soll Ende April vorliegen.
  • Die OPEC+ hat sich auf eine signifikante Drosselung der Fördermengen geeinigt. Dadurch dürfte sich bei Öl Brent ein Boden in der Gegend von 30 Dollar herausbilden, bei WTI wohl eher oberhalb von 25 Dollar. Niedrige Ölpreise können ein ausgesprochen wirksames Konjunkturprogram sein (Chartquelle – auf dieser Web-Seite auch lesenswertes zu E-Fuels + Power-To-Liquid)
  • Die wichtigsten Notenbanken der Welt haben Anleihekaufprogramme aufgenommen, bzw. enorm aufgestockt und weitere Zinssenkungen vorgenommen.
  • IWF und Weltbank greifen Entwicklungsländern unter die Arme.
  • Die Staaten auf der Welt legen umfangreiche Konjunkturprogramme auf.
  • In China beleben sich die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder. Das Land war das erste, das den Lockdown einführte, es ist auch das erste, das die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder angefahren hat. Das BIP des ersten Quartals 2020 kommt auf minus 6,8% im Jahresvergleich, im Vergleich zum Vorquartal betrug die Schrumpfung fast zehn Prozent. China wird wohl auch weiterhin als Frühindikator angesehen (Chartquelle).

Die genannten Bedingungen sind mittlerweile mehr oder weniger gegeben. Selbst ohne Wundermedikament dürfte die Ausbreitung der Pandemie weiter an Dynamik verlieren.

Zwei Fragen bleiben:
Werden die getroffenen Maßnahmen reichen, insbesondere werden sie reichen, um möglichen weiteren Stress im Kreditsystem aufzufangen? Hierbei ist u.a. der Zusammenhang mit Öl wichtig – rund 20% der Junk-Bonds in den USA stammen aus dem Öl-Sektor (Fracking).

Und: Wird schnell genügend kaufkräftige Nachfrage zurückkommen, um den konjunkturellen Einbruch zügig aufzufangen? Selbst wenn dies gegeben ist (also etwa die Verbraucherstimmung schnell wieder besser wird) – Infrastruktur und Produktionsmittel sind (anders als etwa bei einer Naturkatastrophe oder einem Krieg) noch intakt, und so ist der Nachholeffekt eben auch beschränkt darauf, dass die Konsumenten schnell wieder zu alter Form auflaufen.

Ein niedriger Ölpreis unterstützt die kaufkräftige Nachfrage der Verbraucher und wirkt gesamtwirtschaftlich expansiv, vorausgesetzt der Verbraucher will seiner vornehmsten Aufgabe, dem Konsum, auch wieder wie früher nachkommen. Gleichzeitig erhöht ein anemischer Ölpreis aber das Risiko im Kreditsektor (s.o.).

Für die chinesische Seite gilt: Je schneller hier die Wirtschaft wieder anläuft, je mehr wird dies als Zeichen für eine Erholung der Weltwirtschaft wahrgenommen. Als umso geringer dürfte auch das Risiko angesehen werden, dass China als der größte ausländische Eigner von US-Staatsschulden zu übermäßigen Verkäufen derselben tendiert.

Auf Sicht einiger Monate (hier fällt einem natürlich für die USA der November ein, wenn Präsidentschaftswahlen sind) wird die amtierende Trump-Administration alles tun, um die Wirtschaft, bzw. v.a. die Konsumentenseite, anzuheizen.

Also wurde und wird an den Finanzmärkten erst einmal das V-förmige Erholungsszenario gespielt.

Längerfristig dürfte es allerdings trübe aussehen. Zurück bleibt nämlich eine Wirtschaft mit einer sehr stark gestiegenen Verschuldung, was auf die ohnehin schon lauen Wachstumskräfte drückt, sowie eine in der Realwirtschaft deutlich angestiegene Geldmenge, die inflationär wirken dürfte. Das im Unterschied zur Zeit vor „Corona“, da blieb die im Zuge der Bekämpfung der Folgen der Finanzkrise geschaffene Geldflut weitgehend im Finanzsektor und heizte lediglich dort die Preise an. Für die Entwicklung der Aktienkurse dürfte die Aussicht auf Inflation in der Realwirtschaft gepaart mit Geldflut im Finanzsektor dennoch nicht die schlechteste Ausgangsbasis sein – zumindest so lange die Inflationsillusion wirkt.

Wenn man also jetzt zu der Überzeugung gekommen ist, das Schlimmste, sprich der Boden, liegt hinter uns, dann bedeutet das auch, dass die Phase „Buy the rumors“ weitgehend durchlaufen ist. Bei der Frage nach dem Einsatz des folgenden „Sell the news“ ist auch von Bedeutung, wie es um die dynamischen Aspekte in der Charttechnik bestellt ist. Geht es weiter zügig hoch oder wollen die frühen Vögel erst einmal Kasse machen (Chartquelle)?

Im Kursverlauf des S&P 500 hat sich ein Aufwärtskeil herausgebildet. Dessen Spitze reicht Anfang der kommenden Woche an das 62er Retracement des jüngsten Absturzes bei rund 2950 heran (zugleich das Hoch aus April 2019). Die Implikation dieser Formation ist bärisch zu werten, sie eröffnet ein Abwärtspotenzial von gut 370 Punkten. Damit ergäbe sich als Ziel einer solchen Bewegung grob der Bereich um 2575. Hier liegt das 62er Retracement des Aufwärtsimpulses von Ende Dezember 2018 bis Ende April 2019, sowie der Boden nach dem Absturz von Ende Januar 2018.

Ich erwarte in den nächsten Tagen eher Gewinnmitnahmen. Würde das rechnerische Kursziel der Keilformation tatsächlich erreicht, spräche das nicht unbedingt für bullische Stärke. Konstruktiver wäre es in diesem Sinne, wenn darüber zumindest das 38er Retracement des jüngsten Absturzes bei 2650 respektiert würde.

Für aufkommende Kursschwäche spricht außerdem: Der Index ist am zurückliegenden Freitag mit einem Gap-up von der Unterseite der beschriebenen Keilformation weg gehüpft. Man kann diese Kurslücke als „Erschöpfungs-Gap“ ansehen. Der S&P 500 notiert damit jetzt auch wieder über seiner EMA50. In aller Regel kommt es in einer solchen Situation zu Tempoverlust und zumindest Re-Tests von oben, hierbei ist aktuell die Untergrenze des Keils wichtig. Die Situation im VIX, dem Angstmesser an Wallstreet, ist hinsichtlich seiner EMA50 ähnlich.

Sollte der S&P 500 wieder Erwarten meinem „Fahrplan“ nicht folgen: Etwas oberhalb der Spitze der beschriebenen Keilformation liegt die EMA200, die als Indiz für die längerfristige Entwicklung gilt. Sie ist noch leicht abwärts gerichtet. Sollte sie klar überwunden werden und aufwärts drehen, spricht „eigentlich“ nicht mehr viel dagegen, dass zügig der Bereich um 3100 ins Visier genommen wird.

Unabhängig von kurzfristigen Ausblicken dürften die übergeordneten Bedingungen für Aktien-Bullen zunächst günstiger sein als für die Bären. Damit könnte sich neben der spätestens mit Trump etablierten Klasse der Fake-News eine ganz neue Fake-Klasse etablieren, die des Fake-Bären-Marktes.



Anmerkung:
Wenn Sie mich fragen, wie ich über die Corona-Gefahr denke, … so finden Sie in Blog der TimePatternAnalysis etliche Artikel, die zeigen, dass hier kein größeres Risiko vorliegt als das, was von einem Influenza-Virus und einer mittelschweren Grippewelle ausgeht. Insofern sind die ergriffenen Maßnahmen völlig überzogen, sie sind darauf ausgerichtet, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Dabei soll sie sich auch an die massive Einschränkung ihrer demokratischen Grundrechte gewöhnen. Außerdem stellen diese Maßnahmen einen weiteren Schritt in der Umverteilung von Einkommen und Wohlstand dar – „die Finanzindustrie braucht frisches Geld, die Realwirtschaft braucht ein Konjunkturprogramm“.

 

Qualität 2030 - Wohin wird die Reise gehen?
Am falschen Ende gespart

By accepting you will be accessing a service provided by a third-party external to https://archiv.report.at/