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»Wir müssen unabhängiger von Ausschreibungen werden«

Foto: »Ich habe auch nicht gewusst, ob es geht. Ich habe aber auch nicht gewusst, dass es nicht geht. Deshalb haben wir es probiert.« Als Hubert Rhomberg vor rund zehn Jahren seine Vision von 100 Meter hohen Holzhäusern skizzierte, traf er vor allem auf Skepsis und Ablehnung. Foto: »Ich habe auch nicht gewusst, ob es geht. Ich habe aber auch nicht gewusst, dass es nicht geht. Deshalb haben wir es probiert.« Als Hubert Rhomberg vor rund zehn Jahren seine Vision von 100 Meter hohen Holzhäusern skizzierte, traf er vor allem auf Skepsis und Ablehnung.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Hubert Rhomberg, CEO der Rhomberg Gruppe, über seine Visionen für die Bauwirtschaft, die Echtzeitsteuerung von Bauprojekten und die Transformation der Rhomberg Gruppe zu einer produkt- und prozessorientierten Organisation. Außerdem erklärt er, warum die Branche gut beraten wäre, Know-how zu teilen, warum es endlich zu einer Produktivitätssteigerung kommen muss und bei welchen seiner Ideen und Visionen er sich am weitesten aus dem Fenster gelehnt hat.

Dieses Interview wurde an dem Tag geführt, an dem die Regierung die ersten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus bekannt gab.

Report: Das Geschäftsjahr 2018/2019 brachte für Rhomberg einen historischen Umsatzrekord von 753 Millionen Euro, davon entfallen 325 Millionen auf den Bereich Bau. Wie läuft das aktuelle Geschäftsjahr? Ist die Eintrübung der Konjunktur im Baubereich spürbar?

Hubert Rhomberg: Unabhängig von der akuten Situation rund um das Coronavirus rechnen wir weiterhin mit Wachstum. Der Bau wird stabil sein. Denn wenn die Gesamtwirtschaft schwächelt, wird wieder mehr in die Infrastruktur investiert. Dämpfend wirkt aktuell sicher der gewerbliche Bau, gerade im Systembau wird die Industrieabschwächung sicher spürbar sein, aber nicht allzu extrem.

Im Wohnbau ist irgendwann die Grenze durch das Thema Leistbarkeit erreicht. Deshalb arbeiten wir auch ganz stark mit neuen Konzepten. Wir haben da auch einen völlig anderen Zugang als unsere Mitbewerber. Wir haben gemeinsam mit dem Treppen- und Türenhersteller Schrenk das Unternehmen WoodRocks gegründet, mit dem wir mehrgeschoßige Wohnhauslagen in Holz-Systembauweise entwickeln, um leistbares Wohnen sicherzustellen.     
 

Report: Welche Umsatzziele haben Sie für das aktuelle Geschäftsjahr?

Rhomberg: Bislang haben wir mit einem Umsatzwachstum von rund 100 Millionen Euro gerechnet, aufgeteilt auf den Bahn- und Baubereich. Und wir haben das ehrgeizige Ziel, in sechs bis sieben Jahren 20 Prozent des Umsatzes mit Geschäftsbereichen zu machen, die es in der Form heute noch nicht gibt, sei es durch neue Technologien oder Geschäftsmodelle. Daran halten wir zunächst fest, auch wenn noch niemand sagen kann, wie sich die aktuelle Situation in allen Branchen und gesamtwirtschaftlich auswirken wird.

Report: In welche Richtung gehen diese Überlegungen? Welche Schwerpunkte setzen Sie im Bereich Forschung und Entwicklung?

Rhomberg: Die Schwerpunkte liegen im Bereich Systembau und Digitalisierung. Und wir wollen uns als Gruppe zu einer produkt- und prozessorientierten Organisation entwickeln. Wir wollen davon wegkommen, von Ausschreibungen abhängig zu sein, sondern mehr eigene Planungsgestaltungskompetenz aufbauen und einbringen. Wir müssen früher im Prozess sein und die Behördenwege vereinfachen.

Aus dem einfachen Grund, dass uns das Personal fehlt. Wir haben nicht mehr genügend Bauleiter und Spezialisten. Deshalb müssen wir die Prozesse und auch die Vertragsgestaltung vereinfachen. Da gibt es durch die Digitalisierung und Fokussierung auf das Produkt enorm viel Potenzial. Wir haben etwa mit WoodRocks ein Produkt, das wir an Investoren oder Gemeinnützige verkaufen können. Wir müssen nicht mehr auf Ausschreibungen warten.

Dazu kommt, dass wir immer stärker datengetrieben arbeiten. Wir arbeiten mit Sensoren und Musterkennung und wollen damit verstärkt in Richtung in die Echtzeitsteuerung von Projekten gehen, speziell im Infrastrukturbereich, wo es viele ähnlich gelagerte Tätigkeiten gibt. Da kann man mit Sensorik und Algorithmen viel bewirken. Wir arbeiten auch an der digitalen Aufnahme von Gebäuden mit Drohnen. Damit kann man vor Beginn der Baustelle ein 3D-Modell erstellen und eine virtuelle Abwicklung durchspielen.

Aus all diesen Anstrengungen können Produkte entstehen, die wir auch Dritten anbieten. Denn was bei uns funktioniert, wird auch bei anderen funktionieren und es ist ohnehin an der Zeit, die Konkurrenzsituation zu überdenken. Bau ist ein regionales Geschäft, deshalb gilt es, das Know-how zu teilen, um die Lernkurve zu verbessern. Wir teilen etwa auf internationaler Ebene unser Spezialwissen im Holzbau. Ziel ist es, dass andere Firmen, die dann mit diesem Know-how arbeiten, auch ihre neu gewonnenen Erkenntnisse zur Verfügung stellen. Dafür werden jetzt internationalen Plattformen entwickelt.

Report: Sie haben bereits das Thema Prozesse angesprochen. Ein aktuelles Schlagwort der Branche ist Lean Management. Wie macht sich das Thema bei Rhomberg bemerkbar?
Rhomberg: Lean Management ist bei uns absolut ein Thema. Ich denke, dass sich damit aktuell jeder beschäftigen muss. Wir sind vielleicht noch nicht so weit wie die großen Firmen, weil uns die ganz großen Baustellen fehlen. Deshalb konzentrieren wir uns aktuell auf eigene Produkte und das Thema Vorfertigung. Da ist Lean schnell und gut umsetzbar.
 
Report: Auch BIM wird seit Jahren landauf, landab intensiv diskutiert. Rhomberg hat Erfahrungen mit BIM bei Projekten mit lokalen Bauträgern in der Schweiz gesammelt. Spüren Sie auch in Österreich eine verstärkte Nachfrage nach BIM?
Rhomberg: Bei BIM kommt leider das typisch österreichische Element zum Tragen, dass wir es möglichst lange vor uns herschieben. Wir sehen es bei unseren internationalen Projekten, dass Länder wie Großbritannien oder die skandinavischen Länder deutlich weiter sind. Auch die Schweiz ist sehr aktiv. Dort verlangen vor allem die Betreiber, dass mit BIM gearbeitet wird. Ohne digitalen Zwilling geht da kaum noch was. Da sind auch in Österreich jetzt die großen Auftraggeber wie ÖBB, Asfinag und BIM gefragt. Da tut sich mittlerweile auch einiges. Es herrscht aber immer noch die Angst der Marktverknappung, wenn man BIM verlangt.
 
Report: Alle diese Punkte, dazu noch Themen wie alternative Vertragsgestaltung oder kooperative Projektabwicklung, haben am Ende des Tages vor allem das Ziel, die Produktivität zu steigern. Warum will eine nachhaltige Produktivitätssteigerung wie in anderen Branchen einfach nicht gelingen?

Rhomberg: Bislang ist eine nachhaltige Produktivitätssteigerung tatsächlich nicht gelungen. Das wird sich aber jetzt ändern, weil es sich aufgrund des Facharbeitermangels ändern muss. Deswegen brauchen wir andere und effizientere Prozesse, die weniger personalintensiv sind. Das beginnt schon beim Projektmanagement.

Der Projektentwickler, der Generalunternehmer und der Auftraggeber müssen derzeit noch Personal vorhalten für Koordination, Steuerung und Überwachung. Da gibt es ein enormes Potenzial.

Heutzutage ist es ja oftmals üblich, dass mit einem schlechten Plan ein billiges Bauunternehmen gefunden wird, das die Fehler der Planung für Claim Management nutzen kann.

Das ist nicht zielführend. Immer mehr junge Bauleiter wenden sich von dieser Praxis ab. Deshalb brauchen wir eine neue Art der Vertragsgestaltung. Aber da gibt es natürlich noch Hürden, von der Transparenz bis zur Vergütung. Ein öffentlicher Auftraggeber ist ja kaum in der Lage, Innovation im Bauwesen zu unterstützen, weil er vom Vergaberecht daran gehindert wird.

Denn sobald jemand eine neue Idee hat, wird er ausgeschlossen, das gilt auch, wenn sich ein Auftragnehmer schon im Vorfeld mit einem Projekt beschäftigt. Das ist ja absurd. Deshalb braucht es dringend partnerschaftliche Modelle wie das Allianzmodell, wo man gemeinsame Ziele verfolgt und gemeinsam vom Projekterfolg profitiert.
 
Report: Der Holzbau hat in Vorarlberg große Tradition. Auch Rhomberg gilt als großer Verfechter des Holzbaus. Erwarten Sie sich weiteren Rückenwind durch die grüne Regierungsbeteiligung und die im Regierungsprogramm explizit genannte »Forcierung des Baustoffes Holz«?

Rhomberg: Ich erwarte schon Rückenwind, aber nicht durch das Regierungsprogramm, sondern weil das Thema Klimaschutz in der Gesellschafft angekommen ist und die Nachfrage steigt. Dazu kommt die EU-Taxonomie zur Förderung von nachhaltigen Investments. Banken suchen derzeit krampfhaft nach grünen Investitionsmöglichkeiten, was gar nicht so einfach ist. Und immer mehr Mieter wollen CO2-neutrale Gebäude.

Die gibt es aber derzeit gar nicht. Da hat der Holzbau enorme Vorteile, weil wir schneller sind, weil wir schon aufgrund des Baustoffes im Bau 50 Prozent CO2 einsparen. Das wird jetzt viel stärker berücksichtigt. Bislang wurde für Zertifizierungen wie Leed oder Breeam ja nur die Verbrauchsenergie bewertet, nicht aber die graue Energie, die zur Herstellung benötigt wird. Da hat Holz einen enormen Startvorteil gegenüber Beton oder Stahl.
 

Report: Vertreter massiver Baustoffe kritisieren, dass gerade beim CO2-Thema die Holz-Lobby oft nur die Produktionsphase betrachtet, aber auch bei Holz am Ende der kaskadischen Nutzung CO2 austritt. Wäre eine echte Lebenszyklusbetrachtung bei Baustoffen nicht sinnvoller und ehrlicher?

Rhomberg: Absolut. Die Lebenszyklusanalyse umfasst alle Aspekte. Welche Baustoffe werden für ein Gebäude verwendet, wie lange hält es, wie flexibel ist es, wie leicht lässt es sich rückbauen und gut kann man das Material wiederverwenden. Ich bin ja grundsätzlich selber ein Massivbauer, aber der Massivbau kann auf der Ökoschiene nicht gewinnen.
 

Report: Kritisiert wird auch, dass Holz oftmals importiert wird und sich damit natürlich auch die CO2-Bilanz ändert. Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Herkunftsbezeichnung von Baustoffen?

Rhomberg: Das ist eine Sache des Bauherrn. Auch hier ergeben sich durch den digitalen Zwilling tolle neue Möglichkeiten. Wenn der Bauherr es wünscht, kann exakt hinterlegt werden, welche Baustoffe verwendet werden, wer der Hersteller ist und woher sie kommen. Die Entscheidung, was gebaut wird und womit, trifft immer der Auftraggeber. Aber diese Bestellerkompetenz wurde weitgehend abgegeben und auf den Architekten übertragen. Die sind mit den neuen Möglichkeiten aber oftmals überfordert.
 

Report: Sie gelten als Querdenker in der Branche. Was war im Nachhinein betrachtet Ihre gewagteste Forderung oder Vision, mit der Sie Recht behalten sollten? Wo haben Sie sich am weitesten aus dem Fenster gelehnt?

Rhomberg: Dass man mit Holz 100 Meter in die Höhe bauen kann. Das hat den Städtebau verändert. Als ich diese Aussage vor zehn Jahren getroffen habe, bin ich fast nur auf Ablehnung und Skepsis getroffen. Ich habe auch nicht gewusst, ob es geht, ich habe aber auch nicht gewusst, dass es nicht geht. Deshalb haben wir es probiert.  

Report: Was wird die Bauwirtschaft aus heutiger Sicht in den nächsten Jahren am meisten beschäftigen?

Rhomberg: Das wird sicher der Personalmangel sein. Denn das Bauvolumen steigt und die Mitarbeiterzahl sinkt. Wir müssen in neue Prozesse kommen, die maschinenunterstützt und effizienter sind und weniger Koordinationsaufwand erfordert. Dafür brauchen wir neue Technologien aber auch ein neues Mindset, eine neue Art des Zusammenarbeitens.

Last modified onDonnerstag, 26 März 2020 11:24
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