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Das war die Enquete "Chance Hochbau 2016"

Knapp 200 Entscheidungsträger aus der Bau- und Immobilienwirtschaft folgten auch heuer wieder der Einladung zur Enquete "Chance Hochbau". Knapp 200 Entscheidungsträger aus der Bau- und Immobilienwirtschaft folgten auch heuer wieder der Einladung zur Enquete "Chance Hochbau".

Am 19. Oktober lud der Bau & Immobilien Report zum 13. Mal zur Enquete »Chance Hochbau«. Ein hochkarätig besetztes Podium diskutierte die aktuellen Brennpunkte der Branche: Dabei wurde der Bogen gespannt von den konkreten Auswirkungen des neuen Vergaberechts und des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes bis hin zu Fragen der Digitalisierung.

Video zur Veranstaltung

Fotos der Veranstaltung

Es ist einer der traditionellen Treffpunkte der heimischen Baubranche. Zum 13. Mal veranstaltete der Bau & Immobilien Report die Enquete »Chance Hochbau«. Und wieder folgten knapp 200 Entscheidungsträger aus der Bau- und Immobilienwirtschaft der Einladung in den Gironcoli-Kristall im Strabag-Haus. Damit wurde einmal mehr die hohe Akzeptanz unterstrichen, die die Veranstaltung in der Branche genießt.
Im ersten Teil diskutierten Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundes­immobiliengesellschaft, Alfred Graf, stv. Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV, Nicolaus Mels-Colloredo, PHH Rechtsanwälte, Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, und Michael Steibl, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau in der Wirtschaftskammer.

 Lohn- und Sozialdumping

Zwar freut sich Gewerkschafter Josef Muchitsch über das neue Gesetz, lieber wäre es ihm aber, wenn »wir das Gesetz gar nicht brauchen würden. Denn ein neues Gesetz bedeutet immer, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist.« Mit dem neuen Gesetz sei man aber noch nicht am Ziel, weitere Maßnahmen müssten folgen, darunter etwa die Kontrolleinrichtung SOKO Baustelle. »Mein Ziel ist es, alle von der Mission ›Saubere Baustelle‹ zu überzeugen«, so Muchitsch, der aber auch die in einer vom Bau & Immobilien Report im Vorfeld der Enquete erhobene »gute Stimmung« in der Branche bestätigte. »Wir verzeichnen steigende Beschäftigung, sinkende Insolvenzen und Arbeitslosigkeit.«

Nicolaus Mels-Colloredo gab Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen und das Strafausmaß des LSD-BG. »Der Strafrahmen beträgt bis zu 50.000 Euro pro unterentlohntem Mitarbeiter«, mahnte Mels-Colloredo und ging auch auf die Auswirkungen durch die neue Auftraggeberhaftung bei Subunternehmerketten ein.  »Da lohnt es sich, genau hinzusehen, wen man beschäftigt, um ein böses Erwachen zu verhindern.« Aus der Logik der Strafenminimierung sei es sinnvoll, einen verantwortlichen Beauftragten im Unternehmen zu benennen. »Wenn ich neun Geschäftsführer habe, bekommt jeder dieselbe Strafe. Wenn ich nur einen Verantwortlichen habe, reduziere ich die Strafe auf ein Neuntel.«

Michael Steibl erklärte, dass mit dem LSD-BG alle bisherigen Regelungen zu einem Gesetz zusammengefasst wurden. Zudem wurde mit der Durchsetzungsrichtline zur Entsenderichtlinie eine EU-Vorgabe umgesetzt. »Diese Durchsetzung von Strafbescheiden im Ausland ist ein enorm wichtiger Schritt«, so Steibl, der auch die Auftraggeberhaftung explizit hervorhob. »Auch wenn das vielleicht nicht allen auf dem Podium gefallen wird«, spielte er den Ball weiter an Wolfgang Gleissner und Alfred Graf.   

Aber auch Wolfgang Gleissner bestätigte, dass das Gesetz ein richtiger und wichtiger Schritt sei. Gleichzeitig gab er aber auch zu bedenken, dass »ein Gesetz alleine gar nichts ändert«. Gleissner berichtete von 26.320 Einzelaufträge der BIG im Jahr 2015. »Davon gingen sieben ins Ausland, vier betrafen eine Immobilie in New York, bleiben drei«, so Gleissner. Alleine bei diesen drei Unternehmen war einer dabei, der entgegen der Regelung den Tausch von Subunternehmen nicht bekannt gab. »Da fragt man sich schon, was man noch tun soll. Die Frage der Handhabung beschäftigt uns sehr«, so Gleissner, der in diesem Zusammenhang eine schärfere Angebotsprüfung seitens  der BIG ankündigte. 

Alfred Graf stellte in Aussicht, dass die Gemeinnützigen Wohnbauträger zukünftig in ihren Ausschreibungen genaue Regelungen aufnehmen wollen, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, etwa durch ein Mindestmaß an zu erbringender Eigenleis­tung oder die Genehmigungspflicht von Subvergaben. Graf gestand aber auch ein, dass die Exekutierbarkeit auf der Baustelle schwierig werden könnte.

Vergaberechtsnovelle

Dass die Vergaberechtsnovelle noch nicht in der Praxis angekommen ist, liegt laut Muchitsch daran, dass das Gesetz erst seit März in Kraft ist.Aus seiner Sicht zeigen die ersten Erfahrungen aber, dass der Billigste durchaus auch der Beste sein kann.  Aktuell werde an der nächsten Novelle gearbeitet, in der vor allem die Eignungskriterien gestärkt werden sollen. Außerdem hofft Muchitsch, dass sich auch nicht öffentliche Auftraggeber dieses Instruments bedienen, weil ihnen »nicht egal ist, was auf ihren Baustellen passiert«.

Michael Steibl hielt fest, dass es sich nicht – wie oftmals kolportiert – um ein Bürokratiemonster handelt, sondern Instrumente bereitgestellt wurden, um beste Qualität und heimische Wertschöpfung zu erzielen.  
Die Befürchtungen, dass die Einsprüche signifikant steigen werden, konnte Wolfgang Gleissner nicht bestätigen. Er berichtete, dass bei der BIG »der Preis oft mit nicht mehr als 85 Prozent gewichtet und die projektspezifischen Kriterien auf den Auftrag individuell abgestimmt werden«. Dabei hätten sich Kriterien wie »Erfahrung« oder »Referenzen« besser bewährt als schwer greifbare Themen wie »Umweltschutz«.

Digitalisierung

Am Beginn des zweiten Panels stand ein Videostatement von Architekt Chris­toph Achammer, in dem er der Bauwirtschaft vorwarf, in den letzten 20 Jahren keine Produktivitätssteigerungen erzielt zu haben. Gerald Goger vom Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement an der TU Wien trägt die grundsätzliche Stoßrichtung seines Institutskollegen Achammer mit, relativierte dessen Aussage aber dahingehend, dass sich in den Unternehmen in Sachen Digitalisierung einiges tut. Mängel gebe es aber sicher nach wie vor in der Arbeitsvorbereitung und der Baustelleneinrichtung. »Jetzt geht es darum, die Prozesse effizienter zu gestalten.« Ein Problem der Branche seien die zahlreichen Schnittstellen. So sei ein wesentlicher Punkt die zu wenig exakte Nutzungsdefinition, die Fehler in Planung und Ausführung zur Folge habe.

Auch Strabag-Vorstand Manfred Rosenauer bestätigte, dass die Gesamtvorlaufzeiten eines Projektes zu lang sind und trotzdem zu kurz geplant wird. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden sich die Baukultur und die Definition des Gewollten »dramatisch verbessern müssen«. Dem Argument der Prototypenproduktion entgegnete Rosenauer, dass auch jeder Prototyp aus Einzelteilen besteht, die standardisiert hergestellt werden können. Als Beispiel für gelungen Digitalisierung nannte er das Strabag-Projekt SmartSite, dessen Ziel eine cloud-basierte Vernetzung aller Prozessschritte im Straßenbau ist. Insgesamt bewege sich die Bauwirtschaft zwar mit Verzögerung, aber schon deutlich in Richtung digitales Zeitalter.

Für Manfred Asamer, Obmann des Fachverbands Steine-Keramik, steht vor allem der Kundennutzen im Vordergrund. Achammers Kritik konnte Asamer für die Baustoffindustrie nicht bestätigen. »Neue Technologien wie die Bauteilaktivierung zeigen die Innovationskraft der Branche.« Prozesse um der Prozesse willen zu implementieren, sei aber nicht zielführend.

Geht es um Effizienzsteigerung, sind natürlich auch die politischen Rahmenbedingungen gefragt. Kurt Stürzenbecher, Vorsitzender des Wohnbauausschusses im Wiener Gemeinderat, berichtete in diesem Zusammenhang von Maßnahmen der Stadt wie einer verkürzten Verfahrensdauer, die schon bei der Flächenwidmung beginnt. Noch kürzere Projektphasen,  zulasten der Architektur und Ausführungsqualität, seien aber nicht sinnvoll. Schließlich sei der Wohnbau, wo es im Endeffekt um die Menschen geht, komplexer, als »ein Loch in den Semmering zu bohren«.  Asamer gab außerdem zu bedenken, dass schnelles Bauen nicht immer gutes und nachhaltiges Bauen ist. »Amerikanische Verhältnisse sind sicher nicht das, was wir uns in Österreich wünschen«, kritisierte Asamer auch Pläne der Stadt Wien, vermehrt auf Leichtbauweise zu setzen. Das wurde von Stürzenbecher umgehend zurückgewiesen. Es werde weiterhin keine Bevorzugung einzelner Bauweisen geben. 

Franz Böhs, Marketing-Direktor Isobasalt, schließlich hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die modulare Bauweise, die energieeffiziente Dämmung der Gebäudehülle und die thermische Sanierung. Von Stürzenbecher kam in diesem Zusammenhang das klare Bekenntnis, die bewährte Thewosan-Förderaktion auch in Zukunft im selben Umfang wie bisher fortzuführen. Es folgte – auch dank zahlreicher Wortmeldungen aus dem Publikum – eine intensive Diskussion zum Thema Leicht- und Massivbau, bevor das wohlverdiente Buffet lockte.

Last modified onFreitag, 13 Oktober 2017 09:58

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