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»Werden die Energiewende nur schaffen, wenn wir die Menschen mitnehmen«
Eva Dvorak, Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften im Klima- und Energiefonds. (Bild: Klaus Ranger)

Eva Dvorak ist Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften im Klima- und Energiefonds. Sie spricht über ihren Auftrag, Erfahrungen und Erkenntnisse zu diesem Instrument für die ­Energiewende zu sammeln und die enge Zusammenarbeit mit dem BMK, dem Regulator und den ­Bundesländern.

Report: In welcher Weise sollen Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) bei der Klimawende helfen?

Eva Dvorak: Energiegemeinschaften, die im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) verankert wurden, sind ein großartiges Instrument für die Dezentralisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung des Energiesystems ebenso wie ein Stück weit auch Demokratisierung und Selbstbestimmung der Menschen. Gerade beim Einbeziehen der Bevölkerung sehe ich einen Paradigmenwechsel. Erstmals kann ich Strom, den ich selbst produziere, über meine Grundstücksgrenzen gezielt verteilen. Die Verknüpfung von Wirtschaft und Technik sind unumgänglich für die Energiewende.

Report: Was ist die rechtliche Grundlage für die EEG und welche Intentionen stecken dahinter – wenn Sie vom Menschen im Mittelpunkt sprechen?

Dvorak: Die Energiegemeinschaften im EAG gehen auf europäische Richtlinien zurück, die schon im Clean Energy Package vor Jahren bereits als Mittel für das Einbeziehen der Menschen in Energy-Communities und als aktive Kund*innen betrachtet wurden. Die Energy-Communities sind mit dem Inkrafttreten des EAG seit dem Sommer 2021 nun in Österreich umgesetzt. Während die Prosumer bislang erzeugten Strom lediglich selbst verbrauchen und Überschüsse ins Netz einspeisen konnten, können diese zukünftig bestimmen, was mit dem überschüssigen Strom geschieht. Im Idealfall geht es dann auch in eine Sektorenkopplung. Aufgrund der Wärme- und Mobilitätswende werden wir vieles in die Elektrifizierung bringen müssen – sowohl im Individualverkehr und öffentlichen Verkehr als auch im Wärmebereich, etwa mit Wärmepumpen. Wenn wir von diesem Mehrbedarf einiges regional und lokal abdecken können, haben wir viel gewonnen.


Erzeugungsanlagen stören die Menschen auch weniger, wenn sie direkt daran beteiligt sind. Bei den Ausbauzielen in Österreich werden wir nicht nur viele kleine, sondern auch große Anlagen benötigen. Mit den EEG soll diese Akzeptanz gelingen.
Und wir werden auch eine Bewusstseinsbildung der Menschen brauchen. Was ist eine Kilowattstunde und wann und wo wird diese erzeugt? Wenn wir einmal im Jahr eine Stromrechnung bekommen und Strom für uns einfach nur aus der Steckdose kommt, wird das immer etwas abstrakt bleiben. Bei einer persönlichen Verbindung zu einer Erzeugungsanlage dagegen passe ich vielleicht sogar mein Lastprofil an, etwa beim Laden eines E-Autos.

Ich bin überzeugt, dass wir damit den Bürger*innen ein Mitbestimmungsrecht geben können. Das EAG ist ein sehr gutes Gesetz, das viele Möglichkeiten schafft und dabei recht offen bleibt, sodass dann einiges in Privatautonomie geregelt werden kann.

Report: Welche zentralen Punkte sollten in den Projekten rechtlich ausverhandelt werden?

Dvorak:
Innerhalb der Energiegemeinschaft sind es Themen wie die Nutzung von überschüssigem Strom über den Eigenverbrauch hinaus. Der oder die einzelne Betreiber*in überträgt die Betriebs- und Verfügungsgewalt über eine Anlage der Energiegemeinschaft. Prinzipiell sieht dann das EAG auch vor, dass Beteiligte auch einfach zu- oder aussteigen können. Natürlich muss auch eine Rechtsperson bei der Gründung festgelegt werden – je nach Situation sind es verschiedene Möglichkeiten wie ein Verein, eine Genossenschaft oder etwa eine GmbH.

Report: Was ist ihre Empfehlung zum rechtlichen Konstrukt einer EEG?

Dvorak: Wenn man sich innerhalb einer Familie mit jemandem drei Häuser weiter zusammentut und kaum Haftungsfragen zu erwarten sind, wird der Verein die einfachste Form sein. Bei einer Genossenschaft kann etwas größer gedacht werden – mit Revisionen, einer geprüften Rechnungslegung und einem ordnungsgemäßen Wechsel von Mitgliedern. Wenn sich kleine und mittlere Unternehmen zusammenschließen, wird vielleicht die GmbH das Mittel der Wahl sein. Denn es ist ein eher starres Konstrukt, das sich für Unternehmen eignet, die viele Jahre an einem Standort bleiben wollen.

Report: Wie wollen Sie die Bürger*innen und auch Unternehmen hierbei konkret unterstützen?

Dvorak: Wir arbeiten gerade Fallbeispiele für unterschiedlichste Situationen und praktische Umsetzungen von Energiegemeinschaften aus. Ein Best-Practice-Beispiel könnten dann drei KMU sein, die sich in einer EEG organisieren, mit Musterstatuten und Musterverträgen dazu und wie diese verschiedenste Punkte geregelt haben. Ein anderes Beispiel wird eine Gemeinde sein, die sich mit ihren Bürger*innen zu einer Energiegemeinschaft entschieden hat und ihre eigenen Anlagen am Schuldach oder Gemeindeamt einbringt. Es gibt ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten, wie sich Energiegemeinschaften organisieren können.

Report: Welche Aufgaben hat die Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften generell?

Dvorak: Als unabhängige Servicestellen wollen wir den Eintritt in Energiegemeinschaften möglichst niederschwellig gestalten. Wir wollen bundesweit einheitliche Informationen und Vorlagen bieten, um den Aufwand für Einzelne gering zu halten. Wir hatten 2017 große Erwartungen bei den 16a-Anlagen, die eine Beteiligung an PV-Anlagen in Mehrparteienhäusern ermöglichten. Sie haben sich kaum durchgesetzt, mit heute vielleicht 300 bis 400 Anlagen in ganz Österreich. Man hat die Menschen mit diesem Thema allein gelassen. Diesmal sollen die Menschen besser informiert und eingebunden werden.

Dann wollen wir auch von den Pionieren lernen, die jetzt vorangehen – und die erhaltenen Informationen wieder verbreiten. Nicht jeder wird ein Forschungsprojekt durchführen können und es wird auch nicht jeder ein Energierechts- und Energiewirtschaftsexperte oder -expertin werden. Also muss die Komplexität reduziert werden, indem wir herausarbeiten, was gut funktioniert und was weniger gut läuft. Dazu arbeiten wir intensiv mit den Bundesländern zusammen, die über ihre Beratungsstellen je zwei bis drei Energiegemeinschaften in die gemeinsame Arbeitsplattform einbringen. Im Rahmen der Arbeitsplattform mit den Bundesländern bekommen wir ein gutes Bild, was sich in Österreich tut.

Drittens haben wir bereits die Pionierphase eines mit vier Millionen Euro dotierten Programms des Klima- und Energiefonds abgeschlossen, in Folge dieser die Erstellung von Umsetzungskonzepten und die konkreten Umsetzungen erster Bürgerenergie- und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften beauftragt werden. Über ein entsprechendes Feedback und Monitoring über den Zeitraum von zwei Jahren werden die Projekte begleitet, die als Vorbild dienen und zur Nachahmung anregen sollen. Die Pioniere konnten bis 31. Oktober 2021 einreichen und wir filtern jetzt in einem unabhängigen Jurierungsprozess besonders interessante Projekte heraus, die nun auch dank der jüngsten Verordnung der E-Control zu den Netzgebühr-Reduktionen durchstarten können. Diese Betreiber*innen werden vorangehen und sicherlich auch etwas Lehrgeld zahlen müssen. Dabei wollen wir sie unterstützen und die gewonnenen Erkenntnisse können dann in nachfolgenden Energiegemeinschaften eingesetzt werden. Wir suchen hier auch die enge Zusammenarbeit mit dem BMK, der E-Control und den Netzbetreibern, denen ebenfalls eine große Rolle bei der Anmeldung, dem laufenden Datenaustausch und der Abrechnung zukommt.

Report: Welche Herausforderung sehen Sie netzseitig – Stichwort Versorgungssicherheit – bei der Umsetzung von Energiegemeinschaften? Man hört, dass die technische Abwicklung und Abrechnung alles andere als trivial für die Netzbetreiber ist.

Dvorak:
Die Versorgungssicherheit ist durch die Energiegemeinschaften nicht gefährdet – es sind zu Beginn in der Regel Erzeugungsanlagen, die bereits am Netz sind. Nach und nach werden neue Erzeugungsanlagen hinzugebaut werden.
Natürlich kommen den Netzbetreibern aus dem EAG und dem ElWOG einige Aufgaben zu. So müssen diese innerhalb von zwei Wochen die Auskunft geben können, ob die Anmeldung einer lokalen EEG grundsätzlich im Ortsnetz möglich ist und ob sich die Mitglieder auf der gleichen Seite eines Trafos befinden – beziehungsweise auf der gleichen Sammelschiene im Umspannwerk bei regionalen Gemeinschaften. Das ist keine ursächliche Aufgabe, die der Netzbetreiber bisher hatte – hier sind also digitale und automatische Prozesse notwendig, um eine reibungslose Abwicklung sicherzustellen.

Zweitens muss natürlich ein Smart Meter für die Abrechnung zu Verfügung stehen. Das EAG sieht vor, diesen innerhalb von zwei Monaten einzubauen. Das ist eine etwas knackigere Vorgabe als man bislang hatte. Dann braucht es ein Management von Daten auch mehrerer Erzeugungsanlagen einer EEG und vielleicht sogar auch überregional verteilter Teilnehmer*innen – auch das hat es in dieser Form für die Netzbetreiber bislang nicht gegeben. Es gibt im EAG auch keine Umsetzungsfristen dazu – es müsste also eigentlich schon funktionieren. Einzig für die Mehrfachteilnahme Einzelner an Energiegemeinschaften gibt es einen Aufschub bis 1.1.2024. Die Zuordnung und Abrechnung hier ist tatsächlich nicht trivial, da sie ja auch für die Reduktion der Netzgebühren Zählpunkt für Zählpunkt einer Prüfung standhalten muss.

Grundsätzlich haben die Netzbetreiber diese Daten. Wir sehen auch Netzbetreiber, die hier sehr schnell sind – wir sind auf einem guten Weg. Aber auch deshalb wollen wir jetzt nicht gleich mit einer großen Kampagne starten, sondern zunächst die Pioniere begleiten und auftretende Probleme mit bundesweiten Lösungen strukturiert abarbeiten.

Report: Ab welchem Zeitraum rechnen Sie mit genügend Erkenntnissen und Erfahrungen, um verstärkt das Thema der Energiegemeinschaften im Markt zu adressieren?

Dvorak:
Man wird sehen – spätestens im Jahr 2022 sollten wir damit in die Breite gehen können. Auch hinsichtlich Corona sind wir dann hoffentlich so weit, wieder mit größeren Informationsveranstaltungen zu den Menschen gehen zu können. Österreich hat sehr ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren. Hier gilt es jedes Instrument zu nutzen – ganz besonders Energiegemeinschaften –, um die Bürger*innen bei der Energiewende mitzunehmen.


Zur Person
Eva Dvorak hat Meteorologie studiert und ist mit weiteren Ausbildungen in den Bereichen erneuerbare Energien und Wirtschaft seit etwa 20 Jahren im Klimaschutz tätig. Als Mitarbeiterin der Magis­tratsabteilung für Energieplanung hat sie das Thema der Erneuerbaren fünf Jahre in Wien verantwortet. Davor war sie bei Kommunalkredit Public Consulting und beim dem privaten Wetterdienst Ubimet tätig.


Was ist eine Energiegemeinschaft?
Zwei Formen von Energiegemeinschaften ermöglichen nun auch für die Bevölkerung die proaktive Teilnahme an der Energiewende, den Ausbau von dezentralen Energiesystemen, Genuss wirtschaftlicher Anreize und die Stärkung der regionalen Wertschöpfungskette.

Die »Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG)« darf Strom, Wärme oder Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. EEGs nützen die Anlagen des Netzbetreibers. Dabei müssen sie immer innerhalb des Konzessionsgebiets eines Netzbetreibers angesiedelt sein. EEGs sind auf den »Nahebereich« beschränkt, welcher im Stromnetz durch die Netzebenen definiert wird. Die Teilnehmer*innen einer lokalen EEG sind innerhalb der Netzebenen 6 und 7 (Niederspannungsnetz) miteinander verbunden. Werden auch die Netzebene 4 (nur die Mittelspannungs-Sammelschiene im Umspannwerk) und 5 miteinbezogen, spricht man von regionalen EEGs. Mitglieder oder Gesellschafter von EEGs können Privat- oder Rechtspersonen sein, Gemeinden, lokale Behörden oder auch KMUs.

Für »Bürgerenergiegemeinschaften (BEG)« gelten ähnliche Regelungen. Im Gegensatz zur EEG darf die BEG nur elektrische Energie erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Sie ist nicht auf erneuerbare Quellen beschränkt und kann sich über die Konzessionsgebiete mehrerer Netzbetreiber in ganz Österreich erstrecken.

Quelle: Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften

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