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»Die Nutzerzufriedenheit steigt massiv«
Bettina ­Schwertl, Siemens: »Die Wartung von Gebäudetechnik wird oft immer noch so gehandhabt, als ob traditionelle Technik verbaut wäre.«

Bettina Schwertl leitet den Bereich Digital Services Buildings bei Siemens Österreich. Was sie antreibt, ist das permanente Streben nach Optimierung und Ressourcenschonung in Gebäuden und Anlagen.

Report: Wie passen Digitalisierungsservices mit dem starren Produkt Gebäude zusammen? Welche Entwicklungen sehen Sie hier?

Bettina Schwertl: Die Außenhülle eines Gebäudes mag vielleicht starr erscheinen, das Gebäude selbst ist aber nicht starr. Menschen und Technik bringen Leben in ein Gebäude.

Bis vor rund zehn Jahren hatte man es meistens mit einer traditionellen Gebäudetechnik zu tun, die noch wenig vernetzt war. Ab dem Jahr 2010 ist in Gebäuden zunehmend Automatisierungstechnik zum Einsatz gekommen und heute sprechen wir von »Smart Buildings«. Trotzdem wird oft die Wartung von Gebäudetechnik – seien es Lüftungen, Klimatechnik oder Heizungen – immer noch so gehandhabt, als ob traditionelle Technik verbaut wäre. Man reagiert erst, wenn etwas ausfällt oder einmal im Jahr die Wartung anfällt. Man weiß dann vielleicht am 17. August sehr genau, was in dem Gebäude los ist – am nächsten Tag aber schon nicht mehr.

Neuere Servicemodelle, allen voran Predictive Maintenance, bieten da einen zeitgemäßen Ansatz. Im smarten Gebäude werden Daten genutzt, um vorausschauend Störungen voraussagen zu können und dadurch die Lebensdauer von Technik zu verlängern. Denn eine Wärmepumpe, die nicht optimal läuft und sich vielleicht fünfzehnmal in der Stunde ein- und ausschaltet, wird schneller kaputt gehen. Das bedeutet ein ineffizientes Umgehen mit den vorhandenen Ressourcen.

Report: Bei der Digitalisierung geht es also auch um Kosteneinsparungen?

Schwertl: Auf jeden Fall. Ausfälle kosten Geld, Fehler und Defekte erhöhen den Verbrauch von Energie und auch der Ressource Mensch, die für die Zeit einer Fehlersuche und Reparatur benötigt wird. Wenn eine Lüftung durch einen fehlerhaften oder verschmutzen Sensor in der Filterüberwachung zu stark läuft, kann das sogar zur Erkrankung der Menschen an Arbeitsplätzen in der Nähe der Lüftungsanlage führen. Der Ausfall von Mitarbeitern hat in Unternehmen tatsächlich dann auch Umsatzeinbußen zur Folge.

Gebäudetechnik sticht vielleicht nicht als Erstes ins Auge, kann aber hinsichtlich Produktivität und Ressourcenschonung weite Kreise ziehen.

Report: Welche Chancen bietet Technologie für Menschen und Gebäude in einer Smart City?

Schwertl:
Smart City ist ein sehr vielfältiger Begriff. Jeder versteht darunter etwas anders. Intelligentes Müllmanagement, die Steuerung von Verkehrsströmen, Besucherstromanalysen oder die Verknüpfung mit Microgrids – letztlich geht es um eine intelligente Nutzung von Daten für die Verbesserung des Ressourcenmanagements, des Komforts und der Lebensqualität der Menschen. Wichtig dabei ist eine Nutzerorientierung der eingesetzten Lösungen im Großen und im Kleinen – bis zur Klimatisierung eines Besprechungsraumes, der die Vorlieben seiner Nutzer speichert und bei der nächsten Buchung bereits die gewünschte Temperatur einstellt.

Report: In der Pandemie haben sich für einen Teil der Bevölkerung mit hybriden Arbeitsplatzkonzepten die Arbeitsumgebungen verändert. Welche Auswirkungen wird das langfristig auch auf die Gebäudetechnik haben?

Schwertl: Die Rückkehr nach der Pandemie in die Büros wird eine neue Flächeneffizienz bei der Buchung von Räumen und Arbeitsplätzen mit Shared-Desk-Modellen erfordern. Es wünscht sich ja niemand, nur von Zuhause zu arbeiten. Bereiche wie Coworking-Spaces, Ruhezonen und auch Meeting-Räume können dann mit einer App gebucht werden, die Haustechnik stellt sich auf die Zahl der Anwesenden ein und das Raumverwaltungssystem gibt die gebuchten Flächen automatisch wieder frei, wenn 20 Minuten nach Terminbeginn der Raum immer noch leer ist. Unsere Erfahrung ist, dass rund um diese smarten Lösungen und Optimierungen die Nutzerzufriedenheit massiv steigt.

Report: Sie verantworten den Vertrieb des Bereichs Digital Service bei Siemens. Wer sind Ihre Kunden?

Schwertl:
Etwas abhängig von einzelnen Services sind dies Branchen wie Healthcare – Krankenhäuser, Seniorenhäuser und Betreuungszentren –, Büros, Flughäfen, Campus, Bildung, Life Science und Datacenter, aber auch der Tourismus. Gerade in Hotels ist die Gebäudetechnik ein wesentlicher Faktor für die Servicequalität und Zufriedenheit der Nutzer. Wir kümmern uns um die stete Optimierung der Anlagen und ihre hohe Verfügbarkeit. Gleichzeitig nehmen die Komplexität und die Abhängigkeiten der unterschiedlichen Technologien voneinander weiter zu.

Mittlerweile ist alles vernetzt: die Einzelraumregelung mit der Buchungsplattform, Kundenprofile haben Einfluss auf die gewünschte Beleuchtung und Temperatur, die Zutrittskontrolle erfolgt mittels Smartphone, um nur einige Beispiele zu nennen. Für den Einzelnen ist es fast unmöglich, hier stets auf dem neuesten Stand zu bleiben und die Übersicht über Gebäude und Anlagen zu haben. Gerade auch in der Pandemie haben wir Betrieben – wo vielleicht noch der Geschäftsführer vor Ort war, aber kein Techniker mehr – mit unseren Fernwartungs-Services helfen können.

Report: Was bieten Sie mit dem Service »datenbasierte Inspektion«?

Schwertl:
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik wird vielfach noch kalenderbasiert serviciert – dies stellt eine Momentaufnahme einmal im Jahr dar.  Eine saisonale Wartung oder Inspektion hat aber einen eingeschränkten Blick, da für den Moment zwar optimiert wird, jedoch die Erkenntnisse aus Daten und Trends nicht gänzlich einbezogen werden.
Mit der datenbasierten Inspektion gehen wir weg von der Momentaufnahme zu einer Ganzjahressicht. Zusätzlich zur Wartung vor Ort, die wir weiter durchführen, zeichnen wir Daten übers ganze Jahr auf und analysieren diese. Wir stellen unseren Kunden diesen Service der Datenanalyse zu Verfügung, um den Performance-Drift abzuflachen oder gar nicht aufkommen zu lassen. Auch Kunden mit kleineren Anlagen ist damit geholfen, wenn wir anhand eines Jahresberichts Auffälligkeiten an kalten, gemäßigten oder warmen Tagen aufzeigen und Maßnahmen daraus empfehlen.

In der Ursachenanalyse ist auch weiterhin der Mensch wichtig. Siemens bietet durch die Erfahrung mit hunderten Kunden betriebsübergreifendes Know-how. Im Mittelpunkt stehen der Komfort und die innerbetriebliche Effizienz durch die Transparenz in der Anlage – und auch die Sicherheit.

Früher war Gebäudetechnik die Domäne des Facility Managers. Andere haben nicht mitgesprochen. Mittlerweile ist stark auch die IT involviert und Bussysteme wie ­BACNet Secure verschmelzen mit IoT-Anwendungen. Sobald Daten aus einer Anlage oder einem Gebäude extrahiert werden und umgekehrt Regelungen auch durch den Zugriff von außen vorgenommen werden können, kommt auch Cybersicherheit ins Spiel.

Report: Wo ist der größte Hebel bei Investitionen und Services in der Gebäudetechnik? Wo kann am meisten eingespart werden?

Schwertl: Unsere Datenanalysen gebäudetechnischer Anlagen zeigen, dass bei großen Lüftungen, bei Heizungen und Kesseln das größte Potenzial liegt. Mit laufender Datenerhebung und -auswertung kann dort der Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent gesenkt werden. Siemens hat für einen Unicampus in Finnland mit Datenanalysen und der Umstellung der Services auf vorausschauende Wartung 50 Prozent weniger Nutzerbeschwerden erreicht. 57 Prozent aller identifizierten Probleme und Auffälligkeiten haben einen Einfluss auf die Energieeffizienz. Durch die Datenanalysen konnte man auch 70 Prozent der manuellen Sichtprüfungen ersetzten. Das Instandhaltungskonzept an der Universität Tampere ist inzwischen so weit digitalisiert, dass sich weitere Anwendungsfälle ergeben, etwa die Installation eines virtuellen Kraftwerks, mit dem sich der Energiebedarf der Universität flexibel an das Angebot im Stromnetz anpassen kann.

Auch in Österreich arbeiten wir bereits an vielen solchen Projekten und ich bin schon sehr gespannt, ob wir die Ergebnisse aus Finnland nicht vielleicht sogar übertreffen können.

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