Wasserstoff gilt als Wundermittel bei der Energiewende und dient häufig als Projektionsfläche für Hoffnungen um bezüglich der Klimakrise selbst nichts ändern zu müssen. Wie passen Wunsch und Wirklichkeit zusammen? Dazu werfen wir einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen.
Eine Weltpremiere in Graz
An einem regnerischen Tag fanden sich Anfang September zahlreiche Gäste im STRABAG-Steinbruch Gratkorn ein. Die illustre Runde reichte von Vertreter*innen der Energie Steiermark samt deren Vorstandsdirektor Martin Graf, einer Delegation von Liebherr mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrat Jan Liebherr, bis hin zum Vorsitzenden des Vorstands der STRABAG SE Klemens Haselsteiner. Die amtierende Klimaschutzministerin Leonore Gewessler komplettierte die hochkarätige Runde.
Der Grund für das Treffen in der Nähe Graz war nichts Geringeres als eine Weltpremiere. Das Bauunternehmen STRABAG arbeitet ab sofort mit einem von Liebherr entwickelten Radlader, der mit einem Wasserstoff-Kolbenmotor angetrieben wird. Das ist sicherlich ein Meilenstein zur Dekarbonisierung des Baustellenbetriebs.
Gemeinsames Lernen
Der Großradlader ist von Liebherr in der Schweiz entwickelt und vom Liebherr-Werk in Bischofshofen gebaut worden. Den Wasserstoff, der für den Betrieb benötigt wird, liefert die Energie Steiermark mittels eines Wasserstoff-Trailers von einem Elektrolyseur in Gabersdorf. Der Elektrolyseur wird mit Strom aus Photovoltaik betrieben, womit der Wasserstoff „grün" ist.
Der Großradlader befindet sich weiter im Besitz von Liebherr und die STRABAG setzt das Fahrzeug im Realbetrieb im Steinbruch ein. Damit kann Liebherr seine Neuentwicklung unter Realbedingungen testen und bekommt kundenorientierte Rückmeldungen durch die Mitarbeitenden der STRABAG. Die Erkenntnisse werden zur Verbesserung des Produkts verwendet.
Wasserstoff verbrennen ist nicht die perfekte Lösung
Es handelt sich bei dem Antrieb des Großradladers um einen Kolbenmotor, der statt Diesel grünen Wasserstoff verbrennt. Laut Angaben der STRABAG lassen sich damit jährlich etwa 100 Tonnen CO2 einsparen. Das ist in der Tat eine signifikante Verbesserung, denn jedes Gramm CO2 zählt.
Jedoch kommt unweigerlich die Frage auf: Warum muss man Wasserstoff verbrennen? Das Molekül ist generell ein seltenes Gut, da es auf der Erde fast nur in gebundener Form – meist in Wasser oder Kohlenwasserstoffen – vorkommt. Man braucht beträchtliche Mengen Energie, um molekularen Wasserstoff (H2) zu erzeugen. Das Verhältnis im Elektrolyseur beträgt etwa 4:1 – vier Teile elektrische Energie ergeben einen Teil Wasserstoff.
Derzeit wird nur etwa 1 % des weltweiten Wasserstoffs aus regenerativer Energie erzeugt, der Rest stammt aus fossilen Energieträgern und ist in Zeiten der Klimakrise definitiv keine Lösung. Zudem gibt es Sektoren, wie die Stahl- oder Glasherstellung, die diesen Stoff für die Prozesse selbst brauchen. Spätestens an diesem Punkt wird klar, warum grüner Wasserstoff kostbar ist und möglichst effizient verwendet werden muss.
Da Verbrennungsprozesse aus physikalischen Gründen immer große Effizienzvernichter sind, stellt sich auch beim gegenständlichen Radlader unweigerlich die Frage, ob es nicht besser geht.
Elektromotor und Brennstoffzelle im Steinbruch derzeit nicht geeignet
Laut Angaben von Liebherr können Baufahrzeuge mit bis zu 15 Tonnen problemlos elektrifiziert werden. Der gegenständliche Großlader bewegt 40 Tonnen, das ist derzeit noch nicht batterieelektrisch möglich, da die Batterien zu viel Platz einnehmen würden.
Die Brennstoffzelle versagt momentan noch bei den vorherrschenden Bedingungen in einem Steinbruch. Dreck und Staub setzen Membranen zu und größere Neigungswinkel sind für eine Brennstoffzelle problematisch. Das kann sich sicher in einigen Jahren geändert haben.
Effizienz und Wirkungsgrad als Kompromiss
Aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen ist die Anwendung eines wasserstoffgetriebenen Kolbenmotors für den gegenständlichen Radlader zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll. Aber die Entwicklung darf und wird hier nicht aufhören. Denn die Physik in punkto Thermodynamik lässt sich nicht ändern. Der Wirkungsgrad von Verbrennungsantrieben liegt auch nach etwa 100 Jahren Entwicklungsarbeit bei nur 25 bis max. 30 Prozent und Energie ist zu kostbar.
Wunsch und Wirklichkeit
An dem Beispiel des Radladers sieht man gut, dass es sich hier um eine Sonderanwendung handelt. Bei den allermeisten Mobilitätsanwendungen wird Wasserstoff aber keine Rolle spielen. Das sieht man an folgenden Punkten:
- Aktuell gibt es in Österreich fünf Tankstellen (1) und in Deutschland bis Ende 2023 unter 100. (2)
- Der Preis für die Fahrzeugbetankung liegt derzeit bei rund 9 € pro kg, ob zu diesem Preis der Wasserstoff tatsächlich grün ist, konnte ich bei der OMV leider nicht herausfinden (3). Man benötigt im PKW-Bereich ca. 1 Kilo H2 auf 100 km. (4)
- Derzeit sind in ganz Österreich nur 66 PKWs mit Brennstoffzelle im Bestand (Stand: August 2024). Damit ist die Marktdurchdringung in weiter Ferne. Im LKW-Bereich wird von der Statistik Austria keine Unterscheidung verschiedener Antriebsarten gemacht. (5)
- Auch im LKW Bereich hat die Batterietechnik längst Einzug gehalten. Renault ist bereits in der Serienproduktion. MAN hat sich klar zu Batterien bekannt und investiert massiv, beispielsweise in eine eigene Batteriegroßserienfertigung. Dass MAN im Jahr 2024 eine Kleinserie von fünf LKW mit Brennstoffzelle baut, ist dabei eher Nebensache. (6)
- Im Busbereich gab es diese Tage auch spannende Neuigkeiten. Der chinesische Batteriehersteller CATL hat auf der IAA Transportation in Hannover spezielle Batterien für Busse vorgestellt hat. Für die „Long Range" Variante gibt es eine Garantie von 15 Jahren bzw. 1,5 Millionen Kilometer. Gleichzeitig stellte CATL eine weitere Innovation für Schnellladen vor, was besonders für den Transportbereich spannend ist. Mit der „Superfast Charging Edition" sollen 70 % in 15 Minuten aufgeladen werden können. (7)
Fazit
Der Pilotversuch mit dem Radlader mit Wasserstoffverbrennungsmotor, den das Konsortium von STRABAG, Liebherr und Energie Steiermark im Steinbruch Gratkorn umgesetzt hat, ist ein wichtiger Meilenstein bei der Dekarbonisierung schwerer Lasten im Bauwesen.
Es handelt sich aber um eine Nische in der effizientere Antriebskonzepte derzeit noch nicht möglich sind. Wasserstoff wird aufgrund des Aufwands und der Kosten im Mobilitätsbereich eine untergeordnete Rolle spielen.
Wir werden uns stattdessen an andere Formen der Antriebe gewöhnen müssen. Das hat vor etwas mehr als hundert Jahren schon mal geklappt, denn Pferdekutschen sind heute auch nicht mehr Stand der Technik. Die Fortschritte der elektrischen Antriebe und Batterietechnik sind unaufhaltsam – egal ob man das mag oder nicht. Sie ermöglichen uns auf jeden Fall eine wesentlich effiziente Nutzung von Energie. Denn eines war schon immer so: Energie ist kostbar und sollte nicht verschwendet werden.
Quellen:
(1) https://www.hypa.at/umsetzung/hypa-map
(3) https://www.omv.at/de-at/unsere-stationen/kraftstoffe/wasserstoff
(5) https://www.statistik.at/fileadmin/pages/75/BestandFahrzeugeAugust2024VorlaeufigeDaten.ods
(6) https://www.man.eu/corporate/de/experience/die-zukunft-des-lkw-antriebs-ist-elektrisch-119936.html
(7) https://www.sustainable-bus.com/news/catl-tectrans-battery-electric-coaches-truck/