Das US-BIP ist im vierten Quartal 2015 gemäß erster Schätzung lediglich um 0,7% gewachsen. Im Vorquartal war noch eine Steigerung um 2,0% gemeldet worden. Im ersten Quartal 2015 war das BIP um 0,6% gestiegen. Die Wachstumsabschwächung zog sich im zurückliegenden Vierteljahr durch alle Hauptkomponenten der BIP-Berechnung.

Die Zusammensetzung des BIP ergibt sich wie folgt (Quelle):

 

 

Der private Konsum (C) war mit einem Wachstumsbeitrag von 1,46% zwar noch ein Lichtblick, aber seine jährliche Steigerungsrate nahm von 3,2% im dritten Quartal auf jetzt 2,2% ab. Das verfügbare Einkommen stieg im Jahresvergleich um lediglich 3,3% (Vorquartal 5,1%).

 

Die privaten Investitionen (I) lieferten in Q4/2015 einen negativen Wachstumsbeitrag und kontrahierten gegenüber Q4/2014 um 2,5%. Im Vorquartal betrug der Rückgang im Jahresvergleich 0,7%. Die Unternehmen gaben in Q4/2015 1,8% weniger aus und investierten 2,5% weniger in Anlagen.

 

Die Staatsausgaben (G) trugen im vierten Quartal 2015 mit 0,12% leicht zum Wachstum bei, ihr Anstieg betrug im Jahresvergleich 0,7% nach 1,8% in Q3/2015. Der Außenbeitrag zum Wachstum (X-M) in Q4/2015 fiel mit 0,47% negativ aus, die Exporte nahmen um 2,5% gegenüber dem Vorjahr ab, die Importe stiegen um 1,1% (Vorquartal: 2,3%).

 

Die Frage ist jetzt: Ist die Schwäche temporärer Natur, die wie in den früheren Jahren bald wieder ausgebügelt wird. So viel ist sicher: Die Hinweise mehren sich, dass sich das Wachstum im längerfristigen Trend deutlich abschwächt.

 

Mitte 2013 knirschte es schon einmal in der US-Wirtschaft. Dafür waren damals die verfügbaren Einkommen verantwortlich. Die entwickelten sich zuletzt aber über ihrem Trend und kommen auf einen jährlichen Zuwachs von 3,5%. Die aktuelle Wachstumsschwäche kommt von der Fertigungsseite. Die Industrieproduktion kontrahierte im Dezember nach neuen Zahlen um revidiert 1,8% (vorher –2,2%) gegenüber dem Vorjahr. Sie entwickelt sich seit Oktober schlechter als ihr Trend, das war zumindest im Umfeld der jüngsten drei Rezessionen stets der Fall.

 

 

Eine weitere Indikation auf die anhaltende Wachstumsschwäche ergibt sich, wenn man die Zahl der Arbeitsplätze mit den durchschnittlichen Arbeitswochenstunden im Fertigungsbereich multipliziert (siehe auch hier). Diese “Arbeitsleistung” ist zeitnäher als die nur vierteljährlich ermittelte BIP-Entwicklung. Aktuell werden die Tiefpunkte aus Mitte 2011, Anfang 2013 und Anfang 2014 unterboten, die jährliche Steigerung betrug im November 0,7%, im Dezember gab es eine Verbesserung auf 0,9%. Die im Chart eingezeichnete rosa Linie bei 0,7% ist so etwas wie eine Eintrittsschwelle in Rezessionen.

 

 

Die Aktienmärkte haben auf das schwache Wachstum der US-Wirtschaft positiv reagiert. Sie waren schon fest in den letzten Tag der zurückliegenden Woche gestartet – die Bank of Japan schwenkt auf den Kurs negativer Zinsen für Übernacht-Einlagen ein. Der S&P 500 konnte um 2,5% auf 1940 zulegen. Er steht damit immer noch 5% tiefer als zu Jahresbeginn und 9% unter seinem Allzeithoch aus Mai 2015. Ausdruck der schwachen Verfassung des Index ist auch, dass er zuvor die jüngsten Tiefs aus August und September 2015 kurzzeitig unterboten hatte. In 2013, als die US-Wirtschaft schon einmal deutlichen Tempoverlust zeigte, blieben die Aktienkurse ziemlich unbeeindruckt. Das zeigt, dass große Anleger die aktuelle Lage negativer beurteilen und zunehmend risikoaverser agieren.

 

Ohnehin sieht die Chartlage im S&P 500 keineswegs so aus, als sei die Kuh bereits vom Eis. Der Index hat mit dem starken Sprung am Freitag gerade wieder den zuvor gebrochenen Aufwärtskanal aus 2009 betreten (der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert).

 

 

Blickt man hinter die Kulissen insbesondere auf die Daten zur Volumenstruktur, so zeigt sich, dass seit Anfang Januar Distribution herrscht. Sie ist im Ausmass stärker als im Oktober 2014, als der wichtige Support-Pegel bei 1870 schon einmal kurzfristig durchbrochen wurde. Auch das Durchschnittsvolumen ist aktuell höher als damals. Ich würde sagen, seit Anfang Juni 2015 stehen die großen Akteure auf der Verkäuferseite. Natürlich wird immer mal wieder gekauft, um die Kurse wieder ein Stück weit hoch zu bringen, aber in der längerfristigen Perspektive wird seit diesem Zeitpunkt von ihnen mehr ver- als gekauft.

 

 

Gut möglich, dass die begonnene Erholung bei Aktien noch etwas weiter geht. Bei 1990 liegt im S&P 500 ein wichtiger Widerstand, sowie auch das 62er Retracement des jüngsten Abwärtsimpulses. Aktuell notiert der Index knapp am 38er Retracement.

 

Viel wird dabei davon abhängen, wie sich die Ölpreise entwickeln. Ein erneuter Absturz würde die Stimmung der Aktienbullen ganz schnell verhageln. Eine ähnlich wichtige Bedeutung hat auch der Verlauf des Außenwerts des Euro v.a. gegen Dollar. Das Währungspaar hat nach der Veröffentlichung des schwachen US-BIP umgehend den Rückzug angetreten und fand knapp zurück in eine seit Dezember gebaute, für das das Währungspaar bullische Flaggenformation. Noch immer gilt wegen der Eigenschaft des Euro als Carry-Trade-Währung, dass Schwäche bei Euro/Dollar eher eine positive Begleitmusik für steigende Aktien darstellt (Chartquelle).

 

 

Herdentrieb spielt eine große Rolle bei den Erwartungen der Marktteilnehmer. Ist er sehr ausgeprägt, kann der Markt stabil weiter hoch laufen, auch wenn übergeordnete Aspekte wie Bewertungsniveau und Aussichten auf die Gewinnentwicklung einen andere Sprache sprechen. (Die Gewinne werden im S&P 500 für das vierte Quartal 2015 übrigens im Jahrevergleich um 4,1% sinkend erwartet, ohne Energiewerte sollen es +2,1% sein.) Daher noch ein Blick auf die fraktale Auswertung des S&P 500 Monatscharts (Stand per 29. Januar). Die obere rote Linie („Linearity“) zeigt, wie weit der Herdentrieb, bzw. die chaotische Phase des “Kurssystems” S&P 500 fortgeschritten ist. Das Linearitätsmaß hatte im Dezember 2014 einen Rekordwert von 96% erreicht. Per Ende August ist es auf 83% gefallen, per Ende Dezember kam es auf 68%.

 

 

Mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit nachhaltiger Korrekturen und damit zusammenhängend einem beginnenden Bären-Markt ist erfahrungsgemäß zu rechnen, wenn das Niveau von 90% beim Linearitätsmaß unterschritten wird. Diese Bedingung ist seit Ende August erfüllt. Aktuell liegt der Wert mit 63% noch etwas unter dem Niveau aus dem Vormonat. Der Herdentrieb ist somit kein dominierender Faktor mehr. Die Warnung des Linearitätsmaßes muss bestätigt werden. Dazu muss die Auswertung von Zuordnung und Richtung verschiedener gleitender Durchschnitte (hellgrüne Linie im oberen Chart-Bereich) nach unten abkippen. Dies ist noch nicht geschehen, sie befindet erst auf „neutral“.

 

Die zunächst schizophren anmutende Stärke bei Aktien als Reaktion auf das schwache US-BIP in Q4/2015 mag damit zusammenhängen, dass die Erwartungen verstärkt werden, die Fed werde ihre Politik steigender Zinsen moderater gestalten oder sogar ganz aufgeben. Nach Fed Fund Futures liegt die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Zinsschritt im gesamten Jahr 2016 aber ohnehin nicht signifikant über 50%.
Ich denke eher, dass es einfach nur einen Anlass brauchte, um die überverkaufte Situation bei Aktien abzubauen. Zuvor hatten schon die Ölpreise signifikant zugelegt, was die Stimmung verbessert hatte.
Viel wird darauf ankommen, wie stark sich die bullische Bewegung bei Aktien nun präsentiert. Ich sehe wenig Gründe für allzuviel Hoffnung in einen nachhaltigen Turnaround. Dazu ist die makroökonomische Lage zu unsicher und der Bull-Run zu lange und in zu hohe Bewertungen gelaufen. Eher wird eine Kursschippe draufgelegt, damit von höherem Niveau aus wieder besser verkauft werden kann.