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»Energie aus Abwasser hat enormes Potenzial.«
Ulrike Rabmer-Koller, Geschäftsführerin der Rabmer-Gruppe

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Ulrike Rabmer-Koller, Geschäftsführerin der Rabmer-Gruppe, über Abwasser als Energiequelle. Sie erklärt, wie hoch sie das Potenzial einschätzt und welche Voraussetzungen es dafür braucht.

Report: Erneuerbare Energie ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Es wird über Wasser, Wind und Sonne gesprochen. Die Rabmer-Gruppe setzt in Ihrer Sparte »Umwelttechnik« auch auf Energie aus Abwasser. Welche Rolle spielt die Energie aus Abwasser, die Abwasserwärme heute in der Praxis?

Ulrike Rabmer-Koller:
Energie aus Abwasser hat das Potenzial, einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. 73 Prozent der gesamten Energie, die in einem Gebäude verwendet wird, wird für Heizen, Kühlen und Warmwasseraufbereitung verwendet. Die stammt meist noch aus CO2-kritischen Quellen – hier braucht es erneuerbare Lösungen. Abwasser gilt zwar immer noch als schmutzig, wir haben uns aber zum Ziel gesetzt, dieses schmutzige Abwasser in saubere Energie umzuwandeln.

Abwasser hat das ganze Jahr, rund um die Uhr dieselbe Temperatur. Die liegt zwischen 12 und 18 Grad; sind Industriebetriebe oder etwa eine Wäscherei in der Nähe, kann die Temperatur auf bis zu 30 Grad steigen. Damit hat Abwasser gerade im Winter eine höhere Temperatur als die Umgebungsluft, Erdwärme oder Grundwasser und die Energieausbeute steigt. Gerade im städtischen Bereich kann man das kommunale Abwasser sehr gut nutzen und mittels innovativer Wärmetauscher und spezieller Wärmepumpen zum Heizen, Kühlen und der Warmwasseraufbereitung einsetzen.

Report: Wie sieht es in der Praxis aus?

Rabmer-Koller: Energie aus Abwasser ist nichts komplett Neues. Auch wir haben in der Vergangenheit schon Projekte umgesetzt. Aber damals ging es vor allem ums Heizen, die Technologie war noch wenig ausgereift und die Amortisationszeit lag bei bis zu 15 Jahren. In den letzten Jahren wurde die Technologie enorm weiterentwickelt. Wir haben uns dabei auf individuelle Lösungen spezialisiert, die unterschiedliche Technologien miteinander verbinden, um die beste technische und wirtschaftliche Lösung für ein konkretes Projekt zu bieten.

Damit haben sich die Amortisationszeiten deutlich verkürzt und das Abwasser kann heute für Heizen, Kühlen und die Warmwasserproduktion verwendet werden. Praxisvorreiter ist Wien Kanal. Wien Kanal hat schon vor einigen Jahren in Blumenthal ein eigenes Gebäude mit Abwasser geheizt und gekühlt. Jetzt haben wir eine zweite Anlage für die neue Zentrale gebaut. Insgesamt werden so rund 700 kW Heizleistung und 750 kW Kühlleistung aus Abwasser bereitgestellt. Mit Photovoltaik am Dach kommt auch der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie.

Bild: »Studien zeigen, dass rund 14 Prozent der Energie, die für Heizen und Kühlen aufgewendet wird, mit Abwasser abgedeckt werden könnten«, erklärt Ulrike Rabmer-Koller.

Report: Energie aus Abwasser ist aber derzeit noch ein Nischenthema?

Rabmer-Koller:
Ja, das kann man so sagen. Das liegt auch daran, dass Abwasser erst seit 2018 als erneuerbare Energie gilt. Jetzt hat man Zugriff auf Fördertöpfe, die bis 2018 nicht greifbar waren. Damit reduzieren sich die Amortisationszeiten. Außerdem ist Abwasser eine der effizientesten Energiequellen zum erneuerbaren Heizen und Kühlen von Gebäuden.

Report: Wie bekannt ist das Thema? Wie ist es um das Vorwissen potenzieller Kunden bestellt?

Rabmer-Koller:
Es gibt derzeit nur sehr wenige Personen, die sich mit dem Thema bereits beschäftigt haben. Deshalb ist es eine unserer zentralen Aufgaben, zu informieren, dass es diese Möglichkeit gibt. Aktuell machen wir zahlreiche Machbarkeitsstudien und Potenzialanalysen für Bauträger und Kommunen. Viele sind dann überrascht, wie effizient diese Anlagen sind. In der Therme Ischgl, die aktuell gebaut wird, wird künftig ein Teil der Energie aus Abwasser kommen.

Report: Welches theoretische Potenzial sehen Sie in der Nutzung von Abwasserwärme?

Rabmer-Koller:
Studien zeigen, dass rund 14 Prozent der Energie, die für Heizen und Kühlen aufgewendet wird, mit Abwasser abgedeckt werden könnten. Dazu kommt, dass Abwasser effizienter ist als Erdwärme oder Grundwasser. Das zeigt das enorme Potenzial von Energie aus Abwasser. Aber Energie aus Abwasser wird nie eine Technologie von der Stange sein, sondern ist immer projektbezogen.

Report: Welche Voraussetzungen sind nötig, um Abwasserwärme nutzen zu können?

Rabmer-Koller:
Wir brauchen einen Abwasserkanal, der einen Mindestdurchfluss von 10 Liter pro Sekunde aufweist, und maximal 900 Meter vom Objekt entfernt ist. In Ballungszentren wie Wien sind diese Voraussetzungen an vielen Stellen gegeben. In kleineren Gemeinden ist es vor allem dann der Fall, wenn es sich um einen Sammelkanal handelt oder ein Industrieunternehmen in der Nähe ist. Deshalb muss jedes Projekt für sich betrachtet werden.

Report: Welche Leistungen bietet die Rabmer-Gruppe?

Rabmer-Koller:
Wir bieten alles von der ersten Beratung über Machbarkeitsstudien und die Definition der besten Technologie bis zum Bau und dem Betrieb der Anlage an. All das ist natürlich auch als Einzelleistung möglich.

Report: Wie viele Projekte wurden bereits umgesetzt?

Rabmer-Koller:
Wir haben fünf Projekte umgesetzt, sehen aber, dass die Nachfrage deutlich steigt.

Report: Wenn man über die Grenzen blickt: Gibt es Länder, wo Energie aus Abwasser weiter verbreitet ist als in Österreich?

Rabmer-Koller: Ja, in Deutschland, der Schweiz und den skandinavischen Ländern kommt diese Technologie schon deutlich länger zum Einsatz. Aber gerade, was die Weiterentwicklung des Marktes angeht, zählen wir sicher zu den Pionieren. Unser USP ist, dass wir wirklich für jedes Projekt die optimale Technologie anbieten können.

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