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Green Public Procurement bei öffentlichen Bauprojekten

Green Public Procurement (»GPP«) gewinnt in Österreich auch in der Bauwirtschaft zunehmend an Bedeutung, da die Berücksichtigung der »Umweltgerechtheit der Leistung« bei Vergaben gemäß § 20 Abs 5 BVergG 2018 ausdrücklich zu einem allgemeinen Vergabegrundsatz erklärt und somit auf eine Stufe mit den klassischen Grundsätzen der Bietergleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz gestellt wurde. Welche konkreten Auswirkungen das auf die Branche hat und worauf Auftraggeber und Auftragnehmer achten müssen, erklären Stephan Heid und Martina Windbichler von Heid Partner Rechtsanwälte.

Die Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit können vom Auftraggeber in verschiedenen Vergabephasen, also quer über den gesamten Beschaffungsprozess berücksichtigt werden, da das österreichische Vergaberecht (nach Vorbild des EU-Vergaberechts) den Ansatz eines »horizontalen Nachhaltigkeitsprinzips« verfolgt. Bei der Umsetzung des allgemeinen Öko-Grundsatzes in eine konkrete Bau-Ausschreibung sind allerdings einige wichtige Grundregeln zu beachten, die von der Rechtsprechung seit rund 20 Jahren entwickelt worden sind.

Demnach müssen die vom Auftraggeber jeweils gewählten Nachhaltigkeitskriterien vor allem mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen (dies kann das Produkt oder den Produktionsprozess betreffen) und dürfen dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen (so wäre ein allgemeines Zuschlagskriterium »Umweltgerechtheit« ohne nähere Konkretisierung unzureichend).

Nachhaltigkeit beim Beschaffungsgegenstand

Grundsätzlich ist bei der nachhaltigen Beschaffung einer konstruktiven Festlegung des »grünen« Auftragsgegenstandes durch ökologisch-technische Spezifikationen immer der Vorzug gegenüber anderen Methoden (z. B. grüne Zuschlagskriterien) zu geben. Was bei der Leistungsspezifikation verabsäumt wurde, lässt sich später auf anderer Ebene nur schwer oder ungenügend korrigieren. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass bei der Beschreibung der umweltbezogenen Anforderungen an den Leistungsgegenstand die vergaberechtlichen Grundsätze der neutralen Leistungsbeschreibung sowie das Diskriminierungsverbot und Sachlichkeitsgebot eingehalten werden. Ökologisch-technische Anforderungen an den Auftragsgegenstand können sich gerade bei Bauvorhaben auf Grund von »Baustandards« ergeben, entweder durch Anforderungen an einzelne Baustoffe (siehe z. B. den

»Aktionsplan nachhaltige öffentliche Beschaffung (NABE)«, der kurz vor seiner Neuauflage steht) oder durch Anforderungen an ein ganzes Gebäude. So legt die EU-Gebäuderichtlinie 2018/844 im Hinblick auf die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten nunmehr fest, dass ab 2021 nur mehr »Nearly Zero Energy«-Gebäude errichtet werden dürfen, was in der österreichischen Praxis in Verbindung mit der OIB-Richtlinie 6 als Niedrigstenergiestandard (= Heizwärmebedarf unter 25 kWh/(m²·a)) verstanden wird. Durch die Vorlagepflicht von Energieausweisen bzw. deren begrenzte Gültigkeitsdauer wird erwartet, dass bestehende Gebäude häufiger, früher und umfangreicher energietechnisch saniert werden.

Bereits das (alte) Bundes-Energieeffizienzgesetz für Energieeffizienzmaßnahmen bei Bundesgebäuden hatte eine jährliche Sanierungsquote von drei Prozent im Zeitraum von 1.1.2014 bis 31.12.2020 vorgesehen – eine Vorgabe, die trotz Vorbildfunktion des Bundes jedoch (noch) nicht erreicht werden konnte. Eine Steigerung dieser Sanierungsrate sowie der Sanierungsqualität sind aus diesem Grund ausdrücklich als Klimaschutzziele im Regierungsprogramm 2020-2024 angeführt.

Umweltgütezeichen

Für die ökologische Spezifikation des Leistungsgegenstandes können auch bestehende Umweltgütezeichen dem Bauherrn als Nachweis dienen, dass das neu errichtete bzw. sanierte Gebäude bestimmte Energiekennzahlen erfüllt. Solche Umweltgütezeichen haben die zuvor angeführten Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen und müssen darüber hinaus gemäß § 108 BVergG 2018 im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens erstellt worden sein, an dem sich alle interessierten Kreise beteiligen können, bzw. müssen die Anforderungen des Gütezeichens von einem »neutralen« Dritten festgelegt worden sein. In der Praxis werden vom öffentlichen Bauherrn häufig branchenanerkannte Gebäudezertifizierungen, wie z. B. Klima:aktiv, ÖGNB/TQB oder ÖGNI zum Nachweis bestimmter Energieeffizienzmaßnahmen – aber zum Teil auch für den Nachweis von »sozialer Nachhaltigkeit« (z. B. Gemeinschaftsräume) eingesetzt.

Damit diese Ziele erreicht werden können, sind bereits in der Planung die geforderten Anforderungen entsprechend zu berücksichtigen. Werden bestimmte Umweltgütezeichen durch den Bauherrn festgelegt, sind gemäß § 108 Abs 4 BVergG 2018 allerdings auch alle vergleichbaren bzw. gleichwertigen Gütezeichen anzuerkennen. Praktikabel ist es vor diesem Hintergrund daher auch, wenn nicht ein konkretes Zertifikat vom Auftraggeber vorgeschrieben wird, sondern die konkreten technischen Benchmarks, die zu einem (oder mehreren) Zertifikat(en) führen.

Ökologische Vergabekriterien

Auftraggeber können auch auf Ebene der »Vergabekriterien« (d. h. im Rahmen der Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien) ökologische Aspekte vorsehen, die für den Markt erkennbar die Zuschlagschancen im jeweiligen Verfahren erhöhen. Im Hinblick auf die Eignungskriterien finden sich gesetzliche Vorgaben in § 78 Abs 1 Z 5 BVergG 2018, wonach ein Unternehmer dann von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen ist, wenn er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial oder Umweltrechts, begangen hat. In diesem Fall wird ein Unternehmer nicht mehr als beruflich zuverlässig angesehen. Ferner kann ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 87 Abs 2 BVergG 2018 den Eignungsnachweis verlangen, dass ein Unternehmer bestimmte Systeme oder Normen für das Umweltmanagement erfüllt (z. B. EMAS, ISO 14001 oder gleichwertig).

Solche Eignungsnachweise bzw. Zertifizierungen sind als Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit allerdings kritisch anzusehen, da sie zu einer Einschränkung des Anbietermarktes führen können.

Bei der Festlegung von Auswahl- und Zuschlagskriterien macht das BVergG 2018 demgegenüber – mit Ausnahme der Einhaltung der klassischen Vergabegrundsätze (Sachlichkeit, Nichtdiskriminierung etc.) – keine verbindlichen Vorgaben. Unter diesen Parametern kann z. B. die technische Ausstattung der einzusetzenden Baufahrzeuge (Euro-Klasse, CO2-Emission) oder die Reduktion der Umweltbelastung durch Verringerung von Transportkilometern auf die Baustelle als ökologische Zuschlagskriterien eingesetzt werden. Zukünftig wird auch der bereits angesprochene »NABE-Kriterienkatalog« zu beachten sein, der eine Auflistung einzelner, für den Bund verpflichtend anzuwendender Nachhaltigkeitskriterien umfassen wird.

Nach diesen Kriterien soll in der Neuauflage der Verwendung von Holz – als nachwachsender und zukunftsfähiger Rohstoff – eine besondere Bedeutung zukommen. Bei der Verwendung von Baumaterialien (z. B. für die Innenausstattung) wird insbesondere auf die Vermeidung von gesundheits- und umweltbelastenden Stoffen abgestellt. Die Stadt Wien hat bereits jetzt im »Ökobau Kriterien (Baubook)« solche zwingend einzuhaltenden ökologischen Kriterien festgelegt.

Lebenszykluskosten

In Zukunft könnten – gleichsam als Champions League der Nachhaltigkeit – monitarisierte Gebäude-Lebenszykluskosten, wie insbesondere Errichtungs-, Betriebs- und Wiederverwertungskosten samt der externen monitarisierten Umweltkosten (z. B. Kosten der grauen Energie für Baustoffe) zur Ermittlung des besten Preis-Umweltverhältnisses ganzheitlich berücksichtigt werden (Bestbietersystem anhand einer Baustellenökobilanz).

Dieses zukunftsweisende Nachhaltigkeitstool könnte mit Hilfe von Building Information Modeling (BIM) im digitalen Gebäudemodell durch eine kontinuierliche Datenaufbereitung der gesamten Lebenszykluskosten (Planung/Errichtung/Betrieb/Rückbau) abgebildet werden. Erste Ansätze dazu gibt es bereits, eine breite Implementierung kompletter Lebenszykluskostenberechnungstools für öffentliche Bauvorhaben bleibt aber wohl dem Innovationsgeist und Engagement der Generation »Fridays for Future« vorbehalten. 

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